Historische Kunst Michael Neder Otfried Kastner Stiftssammlungen Kremsmünster, Biedermeierraum: J. M. Neder, Selbstbildnis (als Schuster). Aufnahme; Bundesdenkmalamt Wien (Kirchhof) Seine ,,Volksmalerei" ließ den völlig ver gessenen Wiener Künstler in den Jahren des zweiten Weltkrieges rasch wieder be rühmt werden. Sein erstes Bild sah ich bei Bruno Brehm. Man konnte sich der Eigentümlichkeit des Künstlers nicht entziehen! Die oö. Landesgalerie besaß damals noch kein Werk von ihm, die Stiftssammlung Kremsmünsters zeigte zwar drei köstliche Porträts ihrer Herren und ein Selbstbiidnis des Künstlers, das auf seine Schustertätigkeit anspielte, doch sie blieben unbeachtet. Schon 1944 war ein Buch über Neder ausgedruckt, fiel jedoch einer Bombe zum Opfer. Erst 1948 konnte dann das Werk im Buchhan del erscheinen. Neder ist ein geborener Ober-Döblinger. Er stammt aus einer Schustergeneration und lernte auch selbst dieses Handwerk. Er ist keineswegs ein malender Schuster, obwohl er sich 25jährig mit Schuhleisten und Palette an der Wand gemalt hat. Ne der war damals drei Monate in Krems münster, auf der Rückkehr von einer Reise von Salzburg und Berchtesgaden über Lunz nach Wien. Wie viele spätere Maler des Biedermeier wurde er — wie auch J. B. Reiter — von einem adeligen Fräulein beim Zeichnen im Freien entdeckt und dem Präsidenten der Akademie, Graf Lamberg aus Steyr, vorgestellt, der den erst Vierzehnjährigen aufnahm. Dort wurde er von Daffinger in seiner Art sehr geschätzt und Gauermann tauschte ein eigenes Werk gegen eines von Neder ein. Mit 19 Jahren erhielt er den Ozerninschen Preis: eine Goidmedaiile. Das Fräulein nahm ihm Zeich nungen ab, die er von Fall zu Fall schüch tern zu ihr hinbrachte. Obwohl er sehr knapp an Mitteln war, gab er doch den Großteil seiner Einnahmen dem Vater in der Werkstatt. Was für ihn ausgelegt wor den war, mußte er mit Heller und Pfennig zurückzahlen, sogar Schuhdoppier, die er aus der Werkstatt bezog. Der Vater selbst kam trotzdem aus dem Geldman gel nie recht heraus. So waren die Ver hältnisse im Hause äußerst triste, sie wur den durch die Schwiegermutter noch ver schärft. Ein schweres Nervenfieber konnte der Student, von den Verwandten umsorgt, glücklich überwinden. Er konnte auch seine Schusteriehre gut abschließen und hätte in diesem Beruf ein gesichertes Leben haben können. Doch kehrte er wieder zur Malerei zurück. Er hatte stets Aufträge, fand aber oft keinen Weg, die Bezahlung einzutreiben. Seit nun auch das Linzer Schloßmuseum durch Kauf und Schenkung wohl in der Lage ist, Neder in seiner Kunst vorzustelm len, erlaubt auch sein Selbstbildnis, seine Persönlichkeit zu erkennen. Er selbst spricht von „düsteren Ahnungen und Ein bildungen, die man mit den Worten Hy pochonder oder Melancholie bezeichnet; zum Glück ist es nach drei Tagen wieder vergangen und man hat mich eher für phlegmatisch gehalten". Zweifellos ge hört er zu denen, die allzuviel „hinunter geschluckt" haben. Natürlich hat er bei aller Güte auch einen ,,Satzkopf". Geht ihm etwas der Quere, ist er nahe daran, die Malerei an den Nagel zu hängen und wieder Schuster zu werden. Das „ewige Steigen und Fallen", das Neder an sich feststellt, trifft nicht ihn allein. Sein letztes bisher festgestelltes Bild stammt aus dem Jahre 1881. Es zeigt ihn immer noch als treuen Begleiter seines Volkes, vor allem des Volkes der Wiener Vorstädte. 1882 ist er gestorben. Neder hat zweifellos seine Kopien nach holländischen Werken geschaffen. Es überrascht nicht, wenn soziale Elemente auftauchen und in seinen Werken auch das Satirische zum Ausdruck kommt — etwa in Porträtgruppen. Seine Naivität und Eigenwilligkeit ist nicht zu über sehen. Der Verzicht auf Perspektive gibt seinen Holztafeln, die er besonders be-
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