geworden. Sie wurden seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts dort und da mehr oder weniger zufäliig angestochen, ohne daß es in den meisten Fällen zu einer näheren Untersuchung kam. — Während man sich eben ehedem schon im Sam meln ,,merkwürdiger Altertümer" oft weit gestreuter Herkunft Genüge tat, bekennt sich der heutige archäologische For schungsstil — im Sinne einer ungleich besseren Aussagefähigkeit — zur mög lichst vollständigen Erfassung einzeiner Fundbezirke und Objektgruppen. So be handelt, bilden die frühmittelalteriichen Gräberfelder keinesfalls die schlechteste historische Quelle. Überliefern sie doch, bis in Einzelheiten gehend, eine aus dem Leben herausgetretene menschiiche Ge meinschaft als historisches Faktum. Die Fehler und Unsicherheiten liegen nicht an der Quelle, sondern in ihrer subjektiven Deutung. Die baierischen Reihengräberfelder — so benannt wegen der parallel-reihenartigen Anordnung von Gräbergruppen — waren ausgesprochene ,,Freilandfriedhöfe" ohne künstiiche Umgrenzung. Wo die landschaftliche Voraussetzung gegeben war, wurden sie — wie an der Traun, an der Alm und am Inn — in der Randzone von Fiußterrassen angeiegt. Mit beson derer Vorliebe wähite man dabei mar kante Terrassenvorsprünge. Die Gräber sind grundsätzlich West-Qst-orientiert, wobei das Fußende nach Osten, das Kopfende nach Westen iiegt. Der „Bück" war demnach nach Sonnenaufgang ge richtet. Familienangehörige wurden gewöhniich in nebeneinanderiiegenden Grabstelien bestattet. Nur in wenigen Fäilen kam es — wohl bei bereits verödeten Gräbern — zu einer Wiederbelegung oder „Nachbestattung". Daher wuchsen die Reihengräberfelder mit zunehmender Be legungsdauer nicht Seiten zu einem ganz ansehnlichen Flächenumfang an. Man ches deutet darauf hin, daß die Gräber an der Erdoberfläche in einer Art gekenn zeichnet waren, die auch gewissen Auf schluß über die Person des Bestatteten oder dessen Stand gab. Ein Umstand, der offenbar den zeitgenössischen Grab räubern mitunter sehr zugute kam. Art und Sorgfalt des unterirdischen Grabaus baues erweisen sich, wie auch die Tiefe des Grabschachtes, nicht nur als Krite rien des gesellschaftlichen Standes des Verstorbenen. Gleichermaßen sind sie als persönliche Dienstleistung und als Maß stab und Ausdruck persönlicher Wert schätzung zu verstehen. Das Gräberfeld von Rudelsdorf dehnte Oben: Rafeld: Silber-Messing-tauschierter Zierbeschlag eines Waffengürtels Darüber: Rudelsdorf: Flügelpfeilspitzen aus dem Grab eines Bogenschützen sich in einem langgezogenen Streifen entlang dem äußeren Rande der Niederterrassenstufe. Wahrscheinlich lagen die Höfe der zugehörigen Siedlung um eine Geländestufe tiefer, nahe am Wasser der damals noch weitverzweigten Seitenarme der Traun. Die Belegungszeit des Grä berfeldes reicht vom ersten Drittel des 7. bis zum vollendeten ersten Drittel des 8. Jahrhunderts. Die vergleichsweise gut ausgestatteten Gräber der Freien, besonders jene der waffentragenden Männer, drängten sich vornehmlich in den lagemäßig promi nenten Positionen, besonders an der Ter rassenkante. Neben den in frühmittelal terlichen Reihengräbern üblichen kisten artigen Grabeinbauten, die auf unterleg ten Querhölzern ruhend, erst in der Grab grube — ohne Nagelung — aus einzelnen Brettern zusammengestellt wurden, fand man im Gräberfeld von Rudeisdorf auch in einer Reihe von Gräbern deutliche Reste von Baumsärgen. Wohl waren diese aus ausgehöhlten Baumstämmen gefertigten „Totentröge" gewöhnlich männlichen Bestattungen vorbehalten, doch enthielt auch einer davon eine im Kindbett verstorbene junge Frau samt dem offenbar tot geborenen Kind. In den Friedhöfen von Hof- oder Dorf gemeinschaften spiegelt sich natürlich eine gewisse Skala der Rang- und Stan desunterschiede. Durch die grundsätz liche Art der „baierischen Totenausstat tung" werden solche Unterschiede in den Männergräbern ungleich deutlicher sicht bar als bei Frauenbestattungen. Will man eine Klassifizierung nach sozia len Gesichtspunkten treffen, so geben sich etwa jene Männer, die im Grabe nichts weiter aufweisen als schlichte Be kleidungselemente — meist nur eine ein fache Gürtelschnalle —, bestenfalls noch schlichte Gebrauchsgegenstände, wie Messer oder Feuerstahi, gewöhnlich un schwer als Unfreie oder Knechte zu er kennen. — Hingegen dürfte bereits der ins Grab mitgegebene Kamm den Stand eines Freien beweisen. Ein selbstbewuß tes Zeichen des freien Baiern war ja das nackenlange Haupthaar. Dessen Verlust galt als Entehrung. Tatsächlich gehört der beinerne Kamm zur obligaten Ausstat tung einer beachtlichen Anzahl von Män nergräbern. Besonders in jenen Gräbern, die schon auf Grund des übrigen Fund inventars einem gehobenen Stande zu gerechnet werden müssen, fehlt kaum je mals die Kammbeigabe. — Hierin erweist sich auch ein ganz gravierender Unter schied zu den geographisch in unmittel barer Nachbarschaft gelegenen frühmit telalterlichen Bestattungsplätzen des sla wischen Ethnikums, wo die Kamm beigabe in Männergräbern schlechthin unbekannt ist. Neben den meist schön verzierten, mit unter auch mit Kiappgriff oder schützen der Beinschatulle versehenen Kämmen erscheinen in baierischen Männergräbern des gehobenen Standes noch andere Utensilien für die Haar- und Bartpflege. Am häufigsten vertreten ist ein klapp bares Schabmesser, ähnlich dem heuti gen Rasiermesser. Mitunter ergänzt den Kamm auch eine Schere oder auch eine „Bartpinzette" zum Auszupfen störender Barthaare. Aufschlußreiche Hinweise bezüglich der sozialen Rangordnung ergeben sich auch aus den Gräbern waffentragender Män ner. Die Mehrzahl der Rudelsdorfer Waf-
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