Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 2, 1977

Der Georgenberg in Micheidorf und das Gräberfeld von Kremsdorf Geschichtliche Probleme des ersten Jahrtausends im oberen Kremstal Kurt Holter Das Talbecken von Kirchdorf an der Krems zählt trotz seiner Gebirgsrandlage zu den klimatisch begünstigten Kleinland schaften unseres Bundeslandes. Vor geschichtliche, römerzeitliche und früh mittelalterliche Funde bestätigen uns, daß die Gunst der Lage von den Menschen seit etwa 5000 Jahren erkannt und immer wieder ausgenützt worden ist. Dazu kommt, daß das Talbecken infolge seiner Lage an einer der ältesten und wichtig sten Verkehrslinien von der Donau zur Adria seit derselben Zeit für die maßgeb lichen Machtfaktoren von Interesse und Bedeutung war. Demgemäß ist seine Ge schichte abwechslungsreich, aber nicht problemlos. Dies gilt besonders für das erste Jahrtausend unserer Zeitrechnung. Schon um die Zeit von Christi Geburt war, wie für den Voralpenbereich südlich der Donau, der römische Einfluß auch für das Kremstal bestimmend. Dies ergibt sich aus unseren Kenntnissen von den damaligen Verkehrs- und Kulturbezie hungen. Denn das damals schon unbezweifelbar nachgewiesene keltische und römische Wels (Ovilaba) zog seinen Ver kehr mit dem Vorort Aquileja am Gestade der Adria auf einem der Aitstraßenzüge, die sich im Talbecken von Kirchdorf-Micheldorf zur Gebirgsdurchquerung ver einigt haben müssen. Das erste der oben angedeuteten Pro bleme ergibt sich daraus, daß der Vor ort, der Mittelpunkt des oberen Krems tales, während des 1. Jahrtausends ge wechselt haben muß. In der Römerzeit ist daselbst von einem Ort, bzw. einer Post station Tutatio die Rede, die z. B. auf der Tabula Peutingeriana, einer hochmittel alterlichen Kopie einer spätrömischen Straßenkarte, eingezeichnet ist. Diese Straßenkarte ist übrigens soeben in einer vorzüglichen Faksimile-Ausgabe auch für weitere Kreise zugänglich gemacht wor den. Man hat diese Poststation schon seit längerer Zeit im Kirchdorfer Talbecken gesucht. Seit den Ausgrabungen auf dem Georgenberg, auf dem man die Funda mente eines gallorömischen Umgang tempels feststellen konnte, scheint die Meinung einhellig zu sein, daß dieser dem Zeus Tutates gewidmet war und der römische Ortsname davon abgeleitet werden könne. Man kann also die Post station zu seinen Füßen vermuten. Da mit erhebt sich die Frage nach ihrer ge nauen Lage. In unmittelbarer Verbindung damit steht das Problem, ob und was von dieser römischen Vergangenheit im Tale sonst noch erhalten blieb. Gibt es in die sem Tal seit der Römerzeit eine ununter brochene menschliche Besiedelung? Um zu einer Antwort zu gelangen, müs sen wir das Talbecken genauer Ins Auge fassen. Die Krems wendet sich nach Ihrem Ursprung unterhalb der Krems mauer zunächst nach Osten und biegt dann an der Wurzel des Georgenberges nach Norden um. Dort ergibt sich eine Talenge, deren beide Flanken, der Geor genberg und der gegenüberliegende Humsenbauernbühel, als prähistorische Fundstellen bekannt sind. Aus der Rö merzeit gibt es dazwischen bisher nur vereinzelte, wenig aussagekräftige Streu funde, die man während des Eisenbahn baues gemacht hat, die schon seit lan gem verschollen sind. Nördlich davon mäandert die Krems durch eine geneigte, breite und schottrige Ebene, bis sie fast auf der Flöhe des heu tigen Kirchdorf eine ehemals versumpfte Wanne erreicht. Bis dorthin bildete sie ehemals zwei Gerinne, den natürlichen Lauf, die ,,Aitach", und ein immer wieder durch Wehren gebändigtes künstliches Gerinne, seit alters her und sicherlich bis in das erste Jahrtausend zurückreichend die Antriebskraft für eine gewisse Zahl von Werkstätten der Metallbearbeitung und der Müllerei. Daß die ersteren schon zur Römerzeit Vorläufer hatten, kann man nach einem Metalldepotfund in Krems dorf mit einer gewissen Wahrscheinlich keit annehmen. Während die eben genannte versumpfte Wanne in der Frühzeit verkehrsfeindlich war und die Wege auf die seitlichen Tal hänge zwang, erlaubte der leicht abtrock nende Schotterboden mit einer dünnen Humusdecke der alten Straßenführung einen geraden Verlauf. Dieser zog sich, beginnend an der heutigen Mühle am Stein, zuerst westlich, dann nach einer Überbrückung des einen Flußlaufes in der Nähe der späteren Gretzmühle östlich davon bis knapp vor Kirchdorf geradlinig durch die Talmitte. Eine schöne, alte Brücke, die bei der jüngsten Kremsregulierung abgerissen wurde, und eine eben falls versetzte Kapelle markierten das Ende dieser Talachse. Als solche Ist näm lich diese heute teilweise aufgelassene Altstraße zu bezeichnen. Sie wurde als Hauptverkehrsllnle bis in die Zeit der Kaiserin Maria Theresia benützt, unter welcher erst der heute befahrene Verlauf der Bundesstraße zwischen Kirchdorf und Micheldorf angelegt wurde. Die alte Straße wurde jedoch bei den archäologi schen Forschungen unseres Jahrhun derts als die Aufmessungsachse aus rö mischer Zeit festgestellt. Auf diese ist die älteste Gruppe der Flurvermessung aus der Römerzelt orientiert. Es bleibt dabei zu beachten, daß nicht nur die Achse, sondern auch ein erheblicher Teil der Flurmaße In diesem Bereich römische Größen aufweisen. Diese Beobachtung ist für uns ein Hin weis darauf, daß die Besiedelung des Talbodens in diesem Bereich seit der Römerzeit keine wesentliche Unterbre chung erfahren haben kann. Denn wenn einmal der Pflug ruht und das Gelände von Büschen und Hainen überwuchert wird, dann ist es sehr unwahrscheinlich, daß bei einer späteren, neuerlichen Ro dung die alten Maße, hier der römische Fuß, noch irgendwie Geltung behalten können. Wir betrachten daher das Vor handensein dieser Achse und die darauf orientierten Flurvermessungen in römi schen Maßen als ein erstes Argument für eine seit etwa zweitausend Jahren un unterbrochene agrarische Nutzung in die sem Talboden. Einen weiteren Beleg dafür bietet die Geschichte des Georgenberges. Knapp vor Jahresfrist erschien im Verlag der österreichischen Akademie der Wissen schaften ein ausführlicher Bericht über die Ausgrabungen, die auf diesem vor mehr als zwanzig Jahren begonnen und im Jahre 1976 abgeschlossen worden sind. Wir dürfen die Feststellungen des Ausgräbers und des Herausgebers der genannten Schrift Univ.-Prof. Doktor Hermann Vetters dahingehend zusam menfassen, daß der Georgenberg nach einer prähistorischen Besiedelung im 1. Jahrtausend vor Christus seither, d. h. seit rund zweitausend Jahren, ein Kultkontlnuum besitzt. Vetters konnte die Überreste eines keltisch-römischen ümgangstempels feststellen, dem noch im 4. Jahrhundert eine frühchristliche Kirche folgte. Diese wurde mehrmals umgebaut. Wir können nun leider nicht beweisen, daß sie seither ununterbrochen dem Got tesdienst gewidmet war. Aber wir kön nen mit großer Wahrscheinlichkeit be haupten, daß diese Apside bis in das 15. Jahrhundert stand und die Kirche nach Osten abschloß. Ihre Fundamente sind innerhalb des spätgotischen Chor baues erhalten geblieben. Als im Vor jahr der Altaraufbau versetzt wurde, hat man diese frühchristlichen Apsisfundamente wieder freigelegt, sie werden In nächster Zelt konserviert. Der Altarauf bau selbst enthält eine Menge von Tuff quadern, wie sie für die alten Funda mente kennzeichnend sind. Als man den alten Chor erneuerte, hat man das Mate rial wenigstens teilweise Im Aufbau des Altares wiederverwendet. Es muß an dieser Stelle darauf hingewie-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2