res eignet. Dennoch ist er das großartige Denkmal autochthonbairischer Gold schmiedekunst eines Mannes Gundpald, dessen Name sich vom Lech bis zu den östlichen Abhängen des Wienerwaldes (z. B. Gumpoldskirchen) häufig belegen läßt. Salzburg, wohl das bedeutendste Kul turzentrum vorkarolingischer Zeit, Mond see und Kremsmünster teilen sich den Ruhm, Ursprungsstätte der bedeutend sten Kunstdenkmäler der frühbairischen Zeit zu sein. Wohl in Salzburg wurde für den Herzog Tassilo und seine Gemahlin Liutpirg jener in seinem Rang unver gleichliche Kelch geschaffen, der in Kremsmünster bleibende Bewahrung und liturgische Verwendung fand, in Mond see entstanden der Psalter von Montpel lier und wahrscheinlich der GundpaldKelch und in Salzburg, Mondsee oder Kremsmünster der so wunderbar illumi nierte Codex Millenarius, der heute zu sammen mit dem Tassilokelch, den ihrem Alter und ihrer Herkunft endgültig noch nicht geklärten Tassilo-Leuchtern und dem überaus einprägsamen Scheiben kreuz aus der Zeit um 1170/80 zu den erhebendsten Kunstschätzen Kremsmün sters und damit des Landes ob der Enns zählt. Was blieb aus der bairischen Frühzeit des Landes, was blieb von den Grund steinlegern so bedeutender Kulturstät ten? Es ist, merkwürdig genug an dieser nicht gerade überlieferungsfreudigen Wende, mehr, als man oberflächlich anzu nehmen geneigt ist. Nicht nur, daß sich in einigen Gegenden noch die bairischen Lautungen „hr" und „eo", wie im „Hroß" (Pferd) oder „hroatn" (rechnen, über legen) oder in „'s Keot" (Kot, Erde, Acker krume), ,,Teod" und „Breot" erhalten ha ben, hier war noch vor kurzem das ailsonntägliche ,,Hraofn" (Raufen) eine ge schmähte, aber geduldete Art von Volks sport üblich. Hier lebten die im bairischen Volksrecht erwähnten Rechtsgepflogen heiten des Beilwurfs und des Ohrenzupfens bis in das späte Mittelalter, die Ge bräuche des Totenkultes, wie die der Totenbretter und der bemalten Schädel, teilweise bis zur Gegenwart. In bezug auf Dichte und Verbreitung der Pferdekulte, sei es allein in der Vorliebe fürdie Pferde haltung, in den Rittbräuchen, aber auch in Praktiken mit abgeschlagenen Häuptern von Pferden und Rindern nimmt Ober österreich eine Sonderstellung ein. Die Vorliebe für das Votivwesen, für eiserne, hölzerne und wächserne Opfertiere, für dargebrachte Haaropfer, Tonkopfurnen, „Lüngeln", Kröten, Fraisketten, „Betn", Tonkopfurne (oben) und Totenbretter (dar unter) zum Kapitel ,,Weiterleben frütibairlscher Bräuche". — Aufnahmen: Elersebner •v iVO, MW /''. i 4 für das ,,Wenden" von Krankheiten und ,,Anbrauchen" volks- und tiermedizini scher Mittel teilt Oberösterreich mit Alt bayern und seinen anderen Nachbarlän dern. Der in einer Mondseer Glosse um das Jahr 1000 erstmals als Übersetzung von Dreikönigsnacht gebrauchte Begriff „Percht" (im Zusammenhang mit Perchtennacht) spielt im Volksbrauch Ober österreichs und der Alpenländer eine ebenso gewichtige Rolle wie die „Haber geiß", die sprachlich auch mit ,,Haber feldtreiben" (ein ländliches Rügegericht) zusammenhängt. Es wurde im Innviertel, sozusagen wörtlich übersetzt, als „Bockhäuteln" bezeichnet. Die Fülle der Gebildbrote, der Maskengestalten, die ebenfalls hier noch mit in Betracht zu zie hen wäre, ist so reichhaltig, daß sich die Zahl der in bairischer Überlieferung wur zelnden Bräuche nicht einmal abschät zen, geschweige denn aufzählen ließe. Wenn auch nur mehr in Resten, ist so viel davon erhalten, daß Oberösterreich sich immer noch als kernbairisches Land zu erkennen gibt. Die Erinnerung an die Zeit der Agilol finger und diese selbst wurde und wird in Oberösterreich am nachhaltigsten von ihren Stiftungen gepflegt. Besonders die Säkular- und Milleniumsfeiern der Stiftsgründungen (748 Mondsee, 777 Kremsmünster) gaben mächtige Anregun gen zu Gedenkfeiern und künstlerischer Darstellung. So flankieren den Hochaltar des Mondseer Münsters lebensgroße Standbilder der Herzoge Odilo und Tas silo im Kostüm des 17. Jahrhunderts. Im Chor des Stiftes wurde anläßlich der Jahrtausendfeier des Jahres 1748 in Großgemälden der Stifter Odilo und Tas silo gedacht. Der Unverstand der Folge jahre nach der Auflösung des Stiftes hat diese wertvollen Erinnerungsstücke völ lig vernachlässigt, so daß sie nur mehr als Ruinen entdeckt wurden. Restauriert rufen sie nun in den Besuchern der Baiern-Ausstellung das Andenken an Mondsees früheste Klostertage wach. Vorbildlich wird im Tassilostift Krems münster seines Gründers gedacht. Hier erinnern nicht nur Kelch und Leuchter, sondern vor allem das mystisch-erhe bende Gunthergrab (kurz vor 1304) an Herzog, Herzogin und Herzogsohn. Der sagenhafte Gunther, eine Siegfriedgestalt, die an die Figuren des Naumburger Do mes erinnert, ruht mit einem roten Lang rock bekleidet auf einem Kissen, ihm zur Seite der Eber und zu Füßen der Jagd hund. Auch sonst begegnen wir in den Kunstsammlungen des Stiftes, in der Bi bliothek, in den Rotelbüchern, immer wie der historistischen Darstellungen der Stifterfamilie und der Gründungslegende. Weniger bekannt ist das barocke Denk mal des vom Eber verwundeten Herzog sohnes bei der Guntherquelle in der Nähe des derzeit für den öffentlichen Besuch noch nicht zugänglichen Gun therteiches. Wahrhaft erhebend aber ist der seit 1200 Jahren tradierte Brauch alljährlich am ,,Stiftertag", dem 11. Dezember (To destag des Herzogs), Tassilos des III. in einem feierlichen Requiem zu gedenken. Anschließend vereinigt ein Totenmahl den Konvent und seine Gäste, wobei zur Erinnerung an den Jagdunfall Gunthers ein Wildschwein aufgetischt wird. In feier licher Weise verliest dabei ein Mönch den Stiftungsbrief, während die ehrwür digen Tassilo-Leuchter ihr Licht auf den Becher des Stifters werfen, der beim Re quiem noch nach 1200 Jahren als Abend mahlskelch gedient hatte. Es ist dies der älteste lebende Brauch im Lande Ober österreich, von dem wir urkundlich
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