Links: Karl Rössing, Europa, 1958, Linolschnitt, 8 Farben Rechts: Karl Rössing, Fahrrad im Schnee, 1973, Linolschnitt. 5 Farben kann hauchen und streicheln, er kann scharf aufdrucken und - wenn er will, quetschen. Ebenso mit der Farbe: er kann sie dünn und pastos, deckend oder lasierend auftragen... Von einigen Schnitten existieren Holztafeldrucke, bei denen die Abzüge der einzelnen Platten vom Papier nochmals auf Holz umge druckt werden. Das führt zu einem mehrfach .gebrochenen' Ergebnis. Zum verdoppeiten Druckvorgang kommt die Summierung der Strukturen: Oberfläche des Linoleums, aufgelöste Partien, Farb strukturen, Papieroberfläche und Hoizstruktur addieren sich zur Vertiefung. Das ,Übereinanderschreiben der Zeiten' (Ezra Pound), das Paiimpsesthafte ist das eigentliche Thema Rössings. Sein techni sches Äquivalent ist das ,Übereinanderdrucken der Platten'. Das künstlerische Vorhaben, die Aussage, und die techni sche Bewältigung, der Weg, sind gleich bedeutende Bestandteile eines Kunst werkes. Bilder werden gemacht und nicht gedacht." Tatsächlich gelangt Rössing allein durch das wiederholte Verwenden bestimmter Formen und Motive während seiner Ar beit immer wieder zu neuen Lösungen, Alternativen, Konstellationen, die das Denken in und aus dem Material, das er nach seinen Möglichkeiten befragt, be zeugen. Er verfügt sozusagen über Arche typen der Formgebung, gewisse Meta phern, die er in Beziehung zu dem zu stellen weiß, was ihn ein aus dem Wer deprozeß heraus entwickelter Bildge danke jeweils assoziieren läßt. Dazu ein Eigenzitat (aus: K. R., Die Linolschnitte. Mit einem vollständigen Werkkatalog 1939—1974 von E. Rücker): ,,Die antike Statue (das Statuarische, Hieratische an t" l"'' ■' v"T '■ 5 ^ ' 'i-i • ' j ■ 'i ^ • -» fr' : - .f: P?;; V »* ■ ■ ■M 4^ ( »s ~ 1 J' < ' ^ - A'* iSi. ^ sich), die Inschrift (Hieroglyphe, Rune), das fragmentarische Relief, Säule und Sphinx, dann das Rind, das Schaf, Taube und Fisch, die Schneckenform: vor allem aber und immer wieder der Schmetterling — das zerbrechliche Flügelwesen, der Flügel als Zeichen für rhythmischen Ab iauf, pulsierende Bewegung, Verletzbar keit und Wandlung —: Ali diese ein Zer brechen, Zerfallen, Abbröckeln andeuten den, aus den Schatten hervortretenden archetypischen Erinnerungen fügen sich zu aieatorischen Bildern zusammen und spiritualisieren die Materie. Der subjek tiven Metaphorik weiter Bereiche zeitge nössischer Kunst setzt Rössing damit verbindliche, auch in ihrer verschieden I ' V \ l- ■ auslegbaren Form determinierte, begriff liche Zeichen entgegen." Die derartige Hinweise begleitenden Reproduktionen können quasi nur die Rohform des geschilderten Sachverhalts vermitteln, lassen aber die Zusammen hänge deutlich werden, aus denen heraus Rössing arbeitet: Seine Hinneigung zum Süden und seiner Kultur, zur Antike, zur strukturbetonten Oberfläche, zu einer Sinnbildhaftigkeit, die man kunsthisto risch (und mit allen Vorbehalten) zwi schen pittura metafisica und Surrealis mus eingliedern könnte, womit die Ei genart dieser Bilder aber nur andeu tungsweise zu treffen ist. Deutlich wird aber — vor allem auch in den jüngsten
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