Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 1, 1977

Links: Karl Rössing, Kretisches Stiileben, 1953, Linoischnitt, 3 Farben Foto: V, Voithenberg, München iüia MV t;r : iSWWi iilÄpl Iii «1» Rechts: Karl Rössing, Museumskeiier, Linoischnitt, 1954, 3 Farben Foto: V. Voithenberg, München i-l!« Ihr Anteil nimmt, woran sich seit seiner kritischen Holzstich-Serie ,,Mein Vorurteil gegen diese Zeit" (1932, Neuausgabe Hamburg 1974) nichts geändert hat. Sein Themenkreis umspannt seit jeher einen großen Zeitraum; Geschichte wird als Gegenwart und Gegenwart als Resultat historischer Vorgänge begriffen. Ein idyl lisches Moment verbindet sich immer wieder auch mit dem des Bedrohenden, Aggressiven; die Stille läßt das Laute erahnen, von dem sie latent gefährdet wird. Und die Zeit ist für Rössing keine Konstante, die nach vorn weist, auf einen Ablauf hin abgerichtet ist. Die ,,Gleich heit der Zeiten" ist bei ihm wörtlich zu nehmen: Die Zeiten durchdringen, über lagern, ergänzen einander zu jenen Bil dern von Zuständlichkeiten, die vom an tiken Menschheitsbild bis zur Maschine reichen, die unser Leben zu entseelen droht. Darin hat Rössing von jener Kultur etwas bewahrt, von der Arnold Gehlen gesprochen hat: ,,Die Kultur kann nicht neben der Apparatur konserviert, sie kann nur in sie hineingerettet werden. Subjektiv gesehen hat Kultur, wer den Tatsachen gegenüber einen auswählen den und distanzierenden Instinkt behält, der die Alleinherrschaft von Affekten im Herzen ebenso scheut wie die von Ab straktionen im Kopfe; wer einen Sinn hat für die inneren Bedeutungen einer Si tuation, für das Unausgesagte, Potentiel le, Unerprobte, Verletzbare darin; zur Kultur gehört ein fundierter Optimismus und, vor allem, eine intakte Idealität im Menschlichen." Rössing forscht nach Zeichen, die ihm die Möglichkeit geben, jene Konstellationen bild- und begreifbar machen zu können, von denen geschichtsorientiertes Denken und Handeln bestimmt werden. Von An fang an ist in Rössings Bildern jene Weis heit zu finden, nach der heute wenige fragen, ohne die aber kein Leben zu den ken ist, das sich selbst für jene Spanne zu bewahren sucht, die ihm gewährt bleibt. Er hat hinter sich gebracht, was man ein reiches, erfülltes Leben zu nen nen gewohnt ist; er ist jung geblieben, neugierig, aufnahmebereit. Er wäre es wohl nicht, hätte er sich nicht immer schon auch von einem Zustand bestim men lassen, der das Gemütvolle, ja Ro mantische, Sehnsuchtsvolle mit wacher Kritikfähigkeit und Verstandesschärfe zu verbinden weiß. Eine derartige Konstella tion mußte ihre Früchte tragen, und so ist es auch,gewesen. Der Künstler hat sich vor sechzig Jahren mit den ersten Holzstichen beschäftigt. Während alle Welt die Erneuerung des Holzschnitts seit Gauguin und Münch, später durch den deutschen Expressio nismus, als künstlerischen Fortschritt (völlig berechtigt) feierte, nahm sich Rös sing einer Technik an, die vor der Erfin dung des Klischeedrucks als Reproduktionsmittel um ihre Eigenart gebracht, die korrumpiert worden war und deswegen für eine Weile wohl nicht zu Unrecht ver gessen. Nur noch die Russen bedienten sich dieser verfeinerten Xylographenkunst (und bedienen sich des Hirnholz schnitts bis heute), was Rössing damals nicht wissen konnte; aber in Deuschland, wo der gebürtige Österreicher bei F. H. Ehmcke studiert hatte, kümmerte sich längst niemand mehr darum. Rössing illustrierte in dieser Technik Bücher, zu-

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