Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 1, 1977

Denkmalpflege Der Religion die Kunst erhalten Zur Restaurierung des Innenraumes der Stiftskirche Wiihering Gabriel Weinberger Es begann ohne Ideologie Seit fast drei Jahren ist die Restaurie rung der Stiftskirche Wiihering in vollem Gang. Eine Aktivität, die mich zugege benermaßen ganz schön okkupiert, und mir nicht wenige Sorgen bereitet. Und dabei muß ich offen zugeben: Vorgehabt habe ich das Ganze eigentlich gar nicht! Wer etwa meint, dieser Restaurierung seien viele ,,grundsätzliche" Überlegun gen theoretischer und ideologischer Art vorangegangen, den muß ich enttäu schen. Solche Überlegungen sind zwar im Zuge der Restaurierung aufgetaucht, allerdings erst, als alle Entscheidungen schon längst getroffen waren. Angefangen hat es eher banal. Nämlich damit, daß die Orgel der Stiftskirche öfter streikte. Das war 1968. Organist und Orgelbauer wiesen auf den starken Holzwurmbefall der Orgel hin und mein ten, es müsse bald etwas geschehen, wenn die Orgel spielbar erhalten bleiben sollte. Also begannen die Herbeiholung verschiedener Orgelsachverständiger und Gespräche über eine mögliche Orgel restaurierung. Während ich wiederholt mit immer anderen Fachleuten auf der Orgelempore herumstieg, begann ich all mählich, die Kirche anders als bisher zu sehen, so, wie ich sie vorher kaum je mals sah. Ich entdeckte, daß sie, aus der Nähe besehen, eigentlich sehr ver wahrlost war. Ich sah, wie schmutzig die vielbewunderten Putten und Stuckor namente waren, wieviel Staub auf Ge simsen und Verzierungen lag. Allmählich wurde der Blick schärfer: Ich bemerkte, daß da einem Engel ein Flügel fehlte, daß an anderen Figuren Finger abgebro chen waren, daß Vergoldungen abplattelten, und daß ein mehrere Meter lan ges Stück des Hauptgesimses durch Was serschäden bereits starke Ausblühungen zeigte. Kurz und gut: Ich konnte nicht mehr so unbeschwert wie früher in die Begeisterung der Besucher über die wun derschöne Kirche einstimmen. Ich sah Schäden, die zwar für den flüchtigen Besucher „unsichtbar" waren, über die ich jedoch — nachdem ich sie einmal ent deckt hatte — nicht mehr hinwegsehen konnte. Und so wuchs in mir allmählich der Wunsch, die Kirche in alter bzw. neuer Pracht erstehen zu lassen. Erste Tastversuche Zwischen dem Wunsch nach einer Re staurierung und dem konkreten Ent schluß lagen viele Überlegungen prakti scher Art, viel Tappen im Dunkeln, wie man ein solches ünternehmen am be sten angehen könnte, und auch die Frage, wie es zu finanzieren sei. Im Jahre 1972 schließlich wurde ich initia tiv: Ich erforschte die Meinung der Herren Oberstaatskonservator W. Hof rat Dr. Wibiral und W. Hofrat Dr. Wutzel vom Amt der oö. Landesregierung. Mit beiden Herren hatte ich von der Außen renovierung der Kirche her besten Kon takt, und ich wußte, daß sie für die Stiftskirche viel übrig haben. Hofrat Dr. Wibiral graute offensichtlich vor einer so großen ,,Operation" an diesem bedeutenden Kunstdenkmal, verständli cher- und berechtigterweise, wie ich heute sagen kann: Denn er wußte offen sichtlich aus Erfahrung, was bei einer solchen Restaurierung alles passieren kann, da selbst gute Restauratoren Schwierigkeiten haben, sich in die Ar beitstechniken und das künstlerische Empfinden des Barock, i. b. des Rokoko, einzufühlen. Da zum Zeitpunkt der er sten Besprechung sowieso von Bund und Land kaum Gelder für die Restaurierung der Stiftskirche zu erwarten waren, ei nigte man sich darauf, die Sache zu nächst im Auge zu behalten und allen falls durch die Werkstätten des Bundesdenkmalamtes eine Proberestaurierung an einer nicht störenden Stelle durch zuführen, um eine gewisse Erfahrung zu gewinnen, in welcher Weise die Restau rierung dieser Kirche am besten durch zuführen sei. Ein Gutachten über den Zustand der Kirche, das Prof. Reckendorfer vom Bundesdenkmalamt in Wien erstellte, ergab, daß eine Restaurierung möglich und empfehlenswert und mit Kosten von zirka 1 Million Schilling zu rechnen sei. Zum Glück wußte ich damals nicht, daß die tatsächlichen Kosten ein Vielfaches — nämlich fast 9 Millionen — betragen wür den. Die nächste, sehr schwer zu lösende Frage war nun, welchen Fachleuten bzw. Künstlern die Restaurierung anvertraut werden könnte. Ich stand ziemlich rat los vor einer Liste mit Namen und Adres sen von Malern, Vergoldern, Stukkateu ren und Stuckmarmoristen, die mir von Hofrat Dr. Wibiral als geeignete Restau ratoren genannt wurden, üm mir selbst ein ürteil über schon durchgeführte Restaurierungen an Ba rock- bzw. Rokokokirchen bilden zu kön nen, bereiste ich eine ünmenge restau rierter Kirchen In Deutschland, der Schweiz und Österreich. Die Vergleiche, die ich anstellen konnte, brachten mir die Erkenntnis, daß die Restaurierung von Rokokokirchen tatsächlich ein sehr riskantes Unternehmen ist, und daß man leicht, trotz gründlicher und aufwendiger Arbeiten, oder manchmal auch gerade deshalb, mehr zerstören als verbessern kann. Allmählich wurde mir klar, daß ich für die bevorstehende Restaurierung einen Künstler brauchen würde, der die künst lerische Gesamtleitung übernimmt, und der die Sorge für das Zusammenspiel der Farbgebung an Gemälden, Wänden und Vergoldungen, Stukkaturen und Stuckmarmor trägt. Diese Wahl richtig zu treffen, schien mir eine wichtige Vor bedingung für das Gelingen des bevor stehenden Wagnisses zu sein. Ich ent schied mich für den bekannten Linzer Künstler Prof. Fritz Fröhlich; eine Wahl, über die ich heute sehr glücklich bin. Die „Operation" Wir begannen im Frühjahr 1974 mit der Restaurierung der Grundemannkapelle. In dieser Seitenkapelle war das Decken fresko infolge von Wassereinbruch so stark beschädigt, daß unter allen Um ständen etwas getan werden mußte, selbst wenn die Restaurierung der Kir che nicht fortgesetzt werden sollte. Inzwischen erhielt ich von den zuständi gen Stellen die Zusicherung, daß sich Bund und Land mit 50 Prozent an den Kosten der Innenrestaurierung beteili gen würden. Da die Ergebnisse der Arbeiten in der Grundemannkapelle zufriedenstellend waren, entschloß ich mich, weiterzumachen. Angefangen wurde im Sommer 1974 im Presbyterlum, dann wurden linkes und rechtes Querschiff, sowie die Vierung eingerüstet und zum Schluß das Haupt schiff. Der Hintergedanke bei dieser Rei henfolge war der, nach jeder Etappe wieder aufhören zu können, falls das Geld ausgehen oder sonstige Schwierig keiten auftreten sollten. Damit waren die von mir als Bauherrn geforderten Entscheidungen getroffen. In der Folge blieb mir noch die Aufgabe, weitere Restauratoren zu finden und rechtzeitig zum Einsatz zu bringen: Stein metze für den Marmor am Hochaltar, Stukkateure für Stuck und Stuckmarmor, eine neue Vergolderfirma, da die Probe arbeit der zuerst engagierten nicht be friedigte, Kunsttischler für Ghorgestühl und Kirchenbänke, einen Kunstschmied für das Eingangsgitter. Der stiftseigene Bautrupp mit 7 bis 10 Leuten war wäh rend der ganzen Zeit der Restaurierung im Einsatz. Die Überwachung der Ter mine, die Koordinierung der Arbeiten und die Abnahme der fertiggestellten Ab-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2