Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 1, 1977

Einsame Wegkapelle Im Mühlviertel als Beispiel ländlicher barocker Volksfrömmigkelt Foto: Elersebner r .4^' \ ■ I ;■ .1 i' HK Schnittschema eine sehr lange Tradition hat und schon in der Antike gebräuch lich war, ist das Aufkeimen dieser Tra dition in der Gotik etwas Neues, ja man muß sagen etwas dem klassischen goti schen Raumgedanken geradezu revolu tionär Entgegengesetztes. Die klassische Gotik gebraucht in ihrer höchsten Voll endung der Kathedrale den Typus der Basilika. Darunter versteht man ein domi nierendes Mittelschiff, das über die nie drigeren Seitenschiffe emporsteigt und durch eine eigene Fensterzone, den Lichtgaden, erhellt wird, wodurch der Eindruck entsteht, als schwebe der ganze Kirchenraum von den dunklen Seitenräu men in die Mitte und zum Licht empor. Dieser Eindruck wird gesteigert durch den Aufbau der Wandzone, die sich in mehrfacher Übereinanderlagerung, der sogenannten diaphanen Struktur, vom dunklen, in seinen Konturen verdäm mernden Raumgrund immer mehr ins Licht löst, von den dynamisch aufstei genden Rippen und Diensten und schließ lich von den emporstrebenden Gewöl ben, die ursprünglich mit einem Sternen himmel bemalt das göttliche Firmament verbildlichen. Das Mutterland der Kathedrale Ist das französische Kronland die lle de France. Ihre konkret greifbare Genesis fällt in den knappen Zeitraum von 50 Jahren, vom Bau der Abteikirche St. Denis, des sen Chor 1144 geweiht wurde, bis zum Neubau der Kathedrale von Ghartres 1194. Von diesem Bau weg reicht die klassische Phase der französischen Hoch gotik, deren Höchstleistungen das eben genannte Ghartres, Reims und Amiens zu den bedeutendsten Schätzen der alt europäischen Kunst zählen. Von da ab trat die Kathedrale den Siegeszug über das ganze damalige Europa an, vermählte sich mit den je nationalen Eigenheiten und Traditionen, blieb aber trotz weit gefächerter formeller Mannigfaltigkeit das, was sie ihrer Intention nach war, Abbild des himmlischen Jerusalem^'. Ganz anders die Hallenkirche! War die Kathedrale die Kirche des Königs, so wurde die Hallenkirche die Kirche des Bürgertums und des einfachen Volkes. Zwischen diesen beiden Polen, als Weg bereiter und Vermittler, standen die Be strebungen derjenigen Orden, zu deren Regel Luxusverbot und Armutsgebot ge hörten, also der Zisterzienser und der Bettelorden. Die Zisterzienserbewe gung war, wie der Kunsthistoriker Wolf gang Braunfels" es ausdrückte, ein „Wettstreit in Askese". Im Hinblick auf die Architektur bedeutete dies ein Ablegen aller nicht unbedingt notwendigen Gliederungen, eine Reduk tion auf den nackten Baukörper. Wohl wird noch lange Zelt das Schema der Basilika beibehalten, aber es ist eine Basilika ohne diaphane Wandstruktur, also ohne jene den Kathedralen eigen tümliche schichtenartige Gliederung der Wandflächen, es ist eine Basilika ohne Emporen, ohne farbige Glasfenster, ohne Malerei und Bildschmuck. Die Außenbau ten der Kirchen ordneten sich der Ge samtanlage ein und waren nach der Re gel ohne Fassade und Türme. Hielten die Zisterzienser anfangs bei den Kir chenräumen noch an der Basilika fest, so wurden Kapitelsäle, die Schlafräume, die sogenannten Dormitorien, und die Speiseräume, die, ebenfalls lateinisch, Refektorien benannt wurden, in Hallen form errichtet. Neben den Zisterziensern waren die Bet telorden Überbringer des Hallengedan kens. Franziskaner und Dominikaner leb ten ganz dem Gelübde der Armut. Eben so wie bei den Zisterziensern, nur noch konsequenter, war auch bei Ihnen jed weder Bauluxus, Malerei und Skulptur verboten, desgleichen eine Beschäfti gung mit den weltlichen Wissenschaften. Da weder der heilige Franz, noch der heilige Dominikus, noch einer ihrer Nach-

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