Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 4, 1976

Wirtschaft Weiser Messe — ein Jahrhundert im Dienste der heimischen Wirtschaft Franz Prummer Am Anfang des letzten Viertels des ver gangenen Jahrhunderts waren die Grund lagen gegeben: eine Volksfest- oder messeähnliche Veranstaltung konnte in Wels jederzeit in Szene gehen. Was durch mehrere Jahre vorbereitet war, ereig nete sich dann 1878. Das waren die Grundlagen: in einer libe ralisierten Wirtschaft ist ein Kräftemes sen geradezu an der Tagesordnung. Bahn und Straße hatten sich im späten 19. Jahrhundert so weit entwickelt, daß Fern- und Nahverkehr größere Dimensio nen annahmen. Aber auch die Lust am Schauen und Schaustellen war vorhan den. Noch gab es ja außerhalb der Zei tungen keine wirkungsvollen Kommuni kationsmittel. Schließlich erfreuten sich die Völker einer längeren Friedens periode. Die vorangegangenen Kriege waren kurz, das Grollen auf dem Balkan noch nicht allzu laut spürbar. Nichts wußte die damalige Gesellschaft auch von der grausamen Automatik jener Bündnisse, die zur Vorbereitung eines Weltkrieges zwischen großen und kleinen Staaten geschlossen wurden. Der Libera lismus erwies sich aber auch im Denken der Menschen: das Volk war durch tau send Jahre regiert worden;jetzt wollte es seine Initiativkraft zeigen und beweisen. Auch Vorbilder gab es. Weltausstellun gen wurden damals bestaunt und waren modern. Schließlich stand auch Lokal patriotismus Taufpate: eine geordnete städtische Gesellschaft mit sozialabge grenzten Schichten wurde von einer ton angebenden Bürgerschaft bestimmt. Die Tonführer waren Industrielle, Handwer ker und Kaufleute. Leistungs- und Er folgswirken war für sie unangefochten ein kategorischer Imperativ bürgerlichen Wohlverhaltens. Dazu kamen besonders für Wels gel tende Stimulatoren: die Stadt lag im Zen trum des Nah- und Fernverkehrs; Ge werbe und Industrie waren naturgemäß auf Absatzmärkte aus; Wels war Ein kaufsstadt für Bauern und griff als solche weit hinüber in andere Bereiche (Vöcklabruck, Eferding, Grieskirchen, das Almtal, das Alpenvorland). Zwischen den Patri zier-Familien bestand innerhalb der Stadt engster gesellschaftlicher Kontakt. Ge rade diese Familien aber lenkten die Wirtschaft. Schließlich war die Bevölke rung seit dem Mittelalter an Marktgesche hen gewöhnt: in der Zweiten Republik — in den fünfziger Jahren — hatte sogar der damalige Welser Bürgermeister Doktor Oskar Koss noch gefordert, das längst zur Messe gereifte Volksfest müßte auf Grund mittelalterlicher Privilegien weiter hin vom Staat steuerfrei gehalten wer den. Vor mehr als hundert Jahren hatten sich auch Genossenschaften gebildet. Sie förderten Viehzucht und Körnerwirtschaft; ein Volksfest war für sie eine Vergleichs basis und ein Werbeträger. Schließlich wollte Wels nicht hinter anderen Städten zurückstehen. Da gab es Linzer Volks feste, ein Münchener Oktoberfest, es gab aber auch seit 1867 ein Rieder Volksfest. Der Gründungsakt des Welser Volks festes vollzog sich am 23. Dezember 1877. Der „Welser Anzeiger" rief dazu auf. Im Gasthof Ploberger in der Bäcker gasse trafen einander die Fundatoren. In ihrer Mitte weilte der Bezirkshauptmann. Der Kreis der Gründer zeigt, welche In teressentengruppen einander trafen. Es waren ein Lederfabrikant, ein Buchdrukker, ein Hutfabrikant, ein Buchhändler, ein Transportunternehmer, ein Eisen händler und ein Spenglermeister, ein Bäckermeister und ein Handelsmann, ein Getreidehändler und ein Sodawasser erzeuger, ein Gutsbesitzer, ein Gastwirt und ein Brauer. Im Jänner gab dann der Gemeinderat diesem Ausschuß das Placet. Das Grün derkomitee hatte sofort Unterabteilungen ins Leben gerufen. Sie sollten speziell den Bau-, Finanz-, Landwirtschafts- und Vergnügensfragen nachgehen. Hier ge schah Wesentliches im organisatori schen Bereich; es sollte bis in die sech ziger Jahre unseres Jahrhunderts nach wirken. Das Volksfestgeschehen wird weitgehend von der Gemeinde bestimmt. Das Geld brachten zwar die Bürger auf, der Ertrag, vor allem Hallen und Grund, blieb aber der Stadt erhalten. Sie war also der Gewinner an diesem Bürger- und Volksfestgeschäft. Bürger und Stadtver waltung waren damals jedoch nahezu ident. Das Wahlrecht schloß breite Bevöl kerungskreise aus; die damals herr schende Schicht wagte und beherrschte eben auch das Volksfest. Jede Gliederung ist aufgezwungenes Korsett; sie dient aber auch der Möglich keit einer Überschau. Nimmt man flie ßende Grenzen in Kauf, kann man das Volksfest- und Messegeschehen in sei nem historischen Verlauf in vier zeitliche Zonen teilen: Die Zeit von der Gründung bis 1912, dem letzten Volksfest im alten Österreich. Die Zeit nach 1924 bis 1936 mit den Volksfesten der Ersten Republik. 1938 ist eine Eintagsfliege: dieses Volks fest fiel in die propagandatüchtige NSZeit. Der dritte Reigen beginnt 1948 mit dem Wagnis in der Hungerzeit und endet in den frühen sechziger Jahren mit der Umgestaltung zur Millionenmesse. Der vierte Abschnitt liegt seit etwa zehn Jah ren deutlicher als vordem Gewesenes vor uns: es ist der Sprung der zur Messe gewordenen Zwei-Jahre-Veranstaltung auf das internationale Parkett. Das erste Volksfest maß knapp 30.000 Quadratmeter und zählte etwa 250 Aus steller. Industrie, Handwerk und Land wirtschaft begegneten einander. Der Zug zum Volksfest und zum frohen Fest nach hartem Tagwerk war von Anfang In die Wiege gelegt: es gab Musik, Tanz und Reiten bei Bier, Wein und Kaffee. Diese Tendenzen lassen sich bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges beobachten. Das volkstümliche Element bleibt, ein wenig Wissenschaft gesellt sich dazu und soll Aufputz sein, Künstler finden hier Platz, Prominente halten Eröffnungsreden und das Volksfest will fast wahllos alles zei gen, was es in der Welt größer werdender Industrien zu bestaunen gibt. Die Be sucherzahl reicht bald an die 40.000. Das Volksfest dauert bis zu einer Woche. Die Zahl der Aussteller steigt. Das für die Welser so schöne Fest ist lediglich regen anfällig. Der zweite Zeitraum spiegelt die Armut der jungen Republik und das Schicksal eines Kleinstaates wider. Enorm wächst die Besucherzahl; sie erreicht gegen Ende der Periode 400.000. Gleichzeitig wachsen auch die Zahl der Aussteller und der Umfang des Ausstellungsgelän des; es dehnt sich bis zur Traun und zweigt dann unter der Almtalbahn in die freien Vorstadtwiesen aus. Unter einer Woche kommt das Volksfest jetzt nicht mehr aus. Damals zeigen sich die ersten Ansätze zu Spezialausstellungen; einmal ist es der Gartenbau, dann die Jagd, die Milchwirtschaft, dann der Wald und seine Leute. In dieser Periode entdeckt auch Wien als Aussteller den Welser Markt. Das Bildungsstreben in dieser Zeit, die eher arm ist, weist sich als größer aus, zieht man Vergleiche mit der Gegenwart. Das Volksfest bietet die Werke von Innviertler Künstlern. Es offeriert eine Hy giene-Ausstellung; es gibt stets Volks tümliches, Militärmusik-Bewerbe werden veranstaltet. Volksfest von damals be deutete eben eine Sammlung bunter Steine, deren Schönheit auch dann er götzte, wenn sie nicht in Zusammen schein standen. Damals etablierte sich auch der Sport auf dem Welser Gelände. Pferde und Hunde trugen dazu ebenso bei wie damalige Wiener Fußballstars. Aber auch Boxer, Schwimmer, Motorrad fahrer und Schützen waren am allgemei nen Ereignis beteiligt. Die dritte Periode beginnt 1948. Man

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