Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 4, 1976

Von oben nach unten: op. 121 Baaltis zu Bybios, Radierung 1915 op. 31 Zum Zarathustra I: Problem der Sphynx, Radierung 1913 Die Originale zur Bebilderung dieser Abhandlung stellte in liebenswürdiger Welse Herr Fritz Reichel zur Verfügung. illustren Kreis um sich, dem Persönlich keiten der Kunst und Politik, so Guido Zernatto, und finanzkräftige Leute ange hörten. Seit je verstand er sich darauf, erlesene Antiquitäten ausfindig zu ma chen und sie gewinnbringend zu ver kaufen, ein Kenner auf diesem Gebiet, wie er war. Das Kaufmannsblut, das in seiner Familie so ausgeprägt vor herrschte, wirkte auch in ihm. Er hat da in Wien wie ein Grandseigneur gelebt. Sein schon genannter Neffe schreibt von Abenden im Hotel Imperial, die er gab, Herren im Smoking, Damen in langer Robe. Das Jahr 1938 scheint ihn nicht weiter beschwert zu haben. Im Gegenteil! Auch die Heirat mit Tony van Eyck dürfte dem Mittsechziger Auftrieb gegeben ha ben. Aber wie stets sein Leben ein Auf und Ab war, so geriet er bald in ein böses Wellental. Ein höherer GestapoMann, der Reichel aus persönlichen Gründen haßte, vermutlich ging das auf Röhm zurück, wurde in leitender Position von München nach Wien versetzt. Er brachte den Künstler endlich auch ins KZ Buchenwald. Von dort holte ihn der Neffe Ernest C. zuerst mit Hilfe eines einflußreichen SS-Offiziers und dann, als man ihn nochmals nach Buchenwald ein lieferte, auf strikten Befehl Hitlers, der gegen Reichel keine Ressentiments zeigte, aus der entsetzlichen und trost losen Haft. Das bewahrte ihn vor dem sicheren Tod. Aber in Buchenwald dürfte sich Reichel, ähnlich wie Freund Ham merstein bei seinem KZ-Aufenthalt, den Todeskeim geholt haben. Eine Gene sungseinkehr bei der befreundeten Fami lie Vonwiller in Haslach mußte unterbro chen werden, man fuhr Reichel als Schwerkranken nach Wien. In der alten Kaiserstadt an der Donau, in deren fröh lichem Leben er als Medizinstudent auf gegangen war, ist er am 25. Oktober 1944 gestorben. Carl Anton Reichel hat lange Zeit in sei ner so geachteten Familie als das schwarze Schaf gegolten, als ein miß ratener Sohn. Heute weiß man, daß er seine Kunst nur austragen konnte, weil er ein ungewöhnliches Wesen hatte. Er war genial. Woher diese Anlage kam, ist noch nicht ergründet. Solche künstleri sche Begabungen tauchen nicht ohne Vorgänger aus dem Schoß ihrer Sippe auf. Bei Carl Anton Reichel scheint es freilich so zu sein, daß er in seinem Ver wandtenkreis keine künstlerischen Vor läufer hat. Er ist selber einer, eben der des Phantastischen Realismus der Wie ner Schule. Wie immer man ihn moralisch sehen mag: Schöpferische Menschen wie er sind an keine biologischen Normen gebunden. Für sie sind unsere allgemei nen Gesetze nicht maßgebend. Sie schaf fen sich ihre eigenen Gesetze und gehen ihnen nach, müssen ihnen nachgehen. Dafür hinterlassen sie uns Werke, an de nen sich der einzelne Beschauer begei stern, ja aufrichten kann. Auch Carl An ton Reichel hat solche Bilder geschaffen, so wenig es fürs erste so aussehen mag. Aber wer sich um diese Grafiken be müht, wird von ihnen beim Anschauen eine Antwort erhalten; vielleicht jeder eine andere, aber gewiß alle eine er schöpfende. Ohne dieses Bemühen ist jede Kunst ohne Widerhall und daher ein gnadenloses Unternehmen. Sie bleibt im leeren Raum stehen. Denn grund sätzlich beruht sie auf dem Gespräch, auch die bildende Kunst, ja gerade sie, und zwar auf dem Gespräch mit dem Kunstwerk selbst, nicht unbedingt mit seinem Schöpfer. Und auch Bilder, Gra fiken wie die des Welser Carl Anton Reichel, unseres engeren Landsmannes, an dem wir vieles gutzumachen haben, beginnen zu reden, wenn sie gefragt werden. Die meisten Zeitgenossen wis sen das nur noch nicht. Juwelier Eigene Goldschmiede- und Uhrmacherwerkstätte Wels, Ringstraße 24 Linz, Landstraße 39

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2