Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 4, 1976

Museum und Archiv der Stadt Wels und ihr 1200-Jahr-Jubiläum Kurt Holter Die Jahreszahl 1976 ist keineswegs eine besondere „runde" und dadurch zu Ju biläen herausfordernd. Auch das Jahr 976 hat bisher in der Geschichte keineswegs als besonders epochal gegolten. Den noch wurden in diesem Jahre große Teile Österreichs mit 1000jährigen Jubiläen be faßt, wobei mehrmals heftige Grundsatz diskussionen entfacht wurden. Wir mei nen damit die Problematik der großen Landesausstellung in Niederösterreich „1000 Jahre Babenberger in Österreich", die Kärntner 1000-Jahr-Feier aus Anlaß der ,,Erhebung zum Herzogtum" und schließlich auch die Wolfgang-Aussteliung in St. Wolfgang am Abersee, die foikioristisch in einem großen Festzug „1000 Jahre St. Wolfgang" gipfelte. Es besteht kein Zweifel, daß zwischen diesen drei Jubiläen ein tiefer Zusam menhang besteht, nämlich das Faktum, daß in den Jahren um 976 für den Be reich des heutigen Österreich grund legende Entscheidungen und Maßnah men getroffen wurden, die bis heute fol genschwer nachwirken. Erich Zöllner hat dies in der Feierlichen Sitzung der Öster reichischen Akademie der Wissenschaf ten am 12. Mai 1976 klar herausgestellt. Wir brauchen daher diese These nicht des näheren auszuführen, vielmehr wol len wir das zeitgeschichtliche Phänomen der drei Jubiläen mit dem Welser Stadt jubiläum „Wels 776—1976" in Kontrast setzen und zunächst nur fragen, wie es mit diesem Jubiläum steht. Es scheint uns, daß der Fall Wels grundsätzlich anders gelagert ist. Erstens fußt das Weiser Jubiläum auf einer historisch unbezweifelten Grundlage, nämlich der er sten Erwähnung des heutigen Namens der zweitgrößten Stadt öberösterreichs und zweitens ist die Jubiläumszahl 1200 Jahre eher bescheiden, als gewaltsam überdehnt, wie das etwa für das ebenfalis in diesem Jahre gefeierte Kirch dorfer Jubiläum gelten muß. Dagegen hat die Tausendjahrfeier anläßlich der Stadterhebung in Wieselburg, auf die mich Hertha Ladenbauer-Örel aufmerk sam machte und die wieder mit dem hl. Wolfgang zusammenhängt, ihre ur kundliche Grundlage. Mit dem angeführ ten Kärntner und wohl auch dem Öster reich-Jubiläum hat die Welser 1200Jahresfrist das gemeinsam, daß beide nur einen Teilabschnitt einer kontinuierlichen Geschichte umfassen. Der Unterschied besteht darin, daß man in Wels diese Frist nicht problematisch oder polemisch ausdeuten kann oder ausgedeutet hat. Die Faszination der Zahl und insbeson dere zahlenmäßig erfaßbarer Zeit abschnitte scheint in unserer schnellebigen, durch ununterbrochen aufeinander folgende Termine kleinteilig zerhackten Lebenszeit eine gewaltige Macht zu be sitzen. Die Zauberkraft der Vorstellung ruhender, bleibender Werte und Fakto ren erfaßt vielleicht gerade die Teile einer Bevölkerung, denen Heimatverlust und Unrast die Sehnsucht nach der Dauer unbewußt eingegeben haben. Da kaum jemand von den älteren Genera tionen in seinem Lebensgefühl uner schüttert geblieben ist und die nachkom menden Geschlechter vielfach unbewußt nach Sinn und Aufgaben suchen, mag es erklärbar sein, daß in fast allen Schichten der Bevölkerung sich ein Fragen nach geschichtlichen Daten und Fakten, nach den Geheimnissen des Bodens, nach den Grundlagen einer Tradition erhebt, einer Tradition, die um so größeren Wert ge winnt, je mehr der einzelne sich ohne Möglichkeit und ohne Wunsch nach einer Wiederkehr von ihrer Wirklichkeit ent fernt hat. Unter solchen Überlegungen muß ein örtliches Jubiläum, weicher Art es auch sei, mehr als nur ein Denkanstoß sein. Es scheint uns bemerkenswert, mit wel cher Hingabe z. B. so gut wie alle Kreise der Welser Bevölkerung, in wel chen Vereinigungen sie auch zusammen geschlossen sein mögen, die Idee dieses Stadtjubiläums aufgegriffen und in ihrer Weise hervorgehoben haben. Die Ent scheidung der Kulturverwaitung und des Kulturamtes der Stadt Weis, auf eine einzige große Feierlichkeit zu verzichten und in die Breite zu gehen, scheint da her eine bemerkenswerte Bestätigung er fahren zu haben. Manche dieser Veranstaltungen mag nach ihrem Ablaufen in Vergessenheit geraten. Es gibt aber auch Leistungen, die als bleibend verzeichnet werden können. Dies gilt vor allem für die Neuordnungen von Archiv und Museen der Stadt Weis, womit für die Aufschließung der Ge schichte der Stadt und ihre Repräsen tation neue Marksteine gesetzt worden sind. Da man derartige Sammlungen bei einem Gemeinwesen von der Größe der Stadt Wels keineswegs als selbstver ständlich voraussetzen kann, bedürfen sie einer Darstellung. Die beiden genann ten Einrichtungen verschränken und er gänzen sich in mehrfacherweise. Das Archiv scheint der ältere Bestand zu sein, da es in seinen öriginaldokumenten bis in das 14. Jahrhundert zurückreicht und seit dem 15. Jahrhundert in zuneh mendem Maße geschlossene Bestände aufweisen kann. Die systematische ErNeuaufstellung der Sammlung ,,Vorgeschichte bis Frühmittelaiter" im Stadtmuseum Wels. Foto: M. Eiersebner Schließung beschäftigt sich derzeit mit dem Material des 19. Jahrhunderts, um den lückenlosen Anschluß an die moder nen Registraturen zu verwirklichen. Das Museum dagegen muß als ein Kind des Historismus im späten 19. Jahrhun dert angesehen werden, als die kulturell vielleicht entscheidendste Leistung der Stadt aus der Epoche einer stürmischen Entwicklung, die in mehreren Wellen bis auf den heutigen Tag anhält. Die Mu seumsgründung erfolgte auf Grund einer Eingabe des damaligen Stadtrates Franz von Benak vom 1. Jänner 1892, unmittel barer Anlaß waren die reichen Funde aus 1890 und 1891, die der Stadtboden beim Bau des Kreisgerichtsgebäudes und beim Eisenbahnbau der Lokalbahn freigege ben hatte, beide unmittelbar benachbart im Westen des ehemaligen römischen Areals gelegen. Damit reichen seine Be stände um das mehrfache weiter zurück als die des Archivs, zumal auch die Prä historie in der Folge bedeutende Fund-

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