Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 4, 1976

Landeskunde „Leb wohl,Heimat,wir verlassen dich in Angst und mitTränen" Oberösterreichische Exuiantenschicksale am Beispiei der Famiiie Auringer Rudolf Waiter Litschei Die Gegenreformation in Oberösterreich, die mit voller Intensität etw/a ab 1624 ein setzte, brachte nicht für jeden protestan tisch Gesinnten Angst und Schrecken, Verfolgung und Gewissensnot. Wer sich ,,bekehren" ließ und zumindest scheinbar zum alten Glauben zurückfand, wurde pardoniert und konnte als reumütiger Sünder auf Gnade hoffen. Dafür sorgten schon etliche sehr kluge und einsichtige Männer wie etwa der katholische Priester Georg Friedrich Koller, der vor und nach dem großen Bauernkrieg von 1626 in Wels wirkte und dem es gelang, durch Güte und Überzeugungskraft zahlreiche Männer und Frauen für die angestammte Kirche zurückzugewinnen. Jene Oberösterreicher aber, die sich zu diesem Schritt, von dessen Bedeutung sich heute kaum noch jemand eine rechte Vorstellung machen kann, weil der Sinn für das religiöse Empfinden weitgehend verflacht ist, nicht entschließen konnten, bekamen die ganze Härte der gegenreformatorischen Maßnahmen zu spüren. Eine der mildesten Formen bildete die Aus weisung, obwohl sie für die Betroffenen vielfach eine Katastrophe bedeutete. Um ein Butterbrot mußten sie Haus und Hof verkaufen, sie wurden betrogen und aus gebeutet, und jeder versuchte, an den Exulanten zu verdienen. Trotzdem ver ließen Zehntausende Oberösterreicher — Adelige, Bürger und Bauern — ihre Hei mat: Sie wollten „lieber in der Fremde krepieren, als der lutherischen Religion abschwören". Und für viele wurde es tatsächlich zu einem Todesmarsch, denn dort, wohin sie sich in ihrer ersten Not wenden konn ten — vor allem nach Franken —, tobte die Kriegsfurie, und die konfessionellen Gegensätze prallten auch in diesem Land hart aufeinander. Man kann in manchen Publikationen lesen, daß die Oberöster reicher von ihren ,,Glaubensbrüdern im Reich" bereitwillig aufgenommen wurden und rasch Trost und Hilfe fanden — die Wirklichkeit sah leider anders aus: Nur wem es gelungen war, einiges von sei nem Besitz über die Grenze zu bringen und wer daher noch über ein gewisses Vermögen verfügte, hatte die Chance, wieder Fuß fassen zu können. Doch sol ches war selten. Die Masse der ober österreichischen Auswanderer brachte nichts mit als die Lutherbibel, und das erwies sich auch in den protestantisch gesinnten deutschen Gauen als zu wenig. Niemand kann heute sagen, wie viele Menschen aus dem Land ob der Enns damals die Flucht aus ihrer Heimat be reut haben mögen, wie viele verhunger ten, an Seuchen starben, beraubt und niedergehauen wurden. Das Schicksal des mittellosen Flüchtlings, des Entwur zelten, des Verfolgten war und ist in jeder Epoche voll der Tragik und des Unheils. Dessenungeachtet gelang es zahlreichen oberösterreichischen evangelischen Fa milien, in der Fremde zu bestehen. Wie ihnen das trotz aller Gefahren und Wider wärtigkeiten glückte, darüber berichtet im einzelnen eigentlich niemand. Ver mutlich überlebten sie dank ihrer Ge schicklichkeit, sich bestimmten Situatio nen anzupassen, und dank ihres Fleißes, der allgemein anerkannt wurde. Das Er gebnis läßt sich mit Zahlen fixieren: So besteht heute noch die Bevölkerung von Mittelfranken — um nur ein Beispiel zu nennen — zu 50 Prozent aus Nachkom men österreichischer Exulanten, wobei jene aus Oberösterreich die Spitze bil den. Nach Franken wandte sich nun auch Wolfgang Auringer, der einem alten obderennsischen Geschlecht angehörte: So bekam Erhard der Auringer bereits 1424 vom Nonnenkloster Traunkirchen ein Le hen in Laakirchen verliehen, und in der Bürgerliste von Gmunden scheint 1505 ein Hans Auringer auf. Zweifellos sind die Auringer mit dem Salzkammergut und den nördlichen Randgebieten bis hinauf nach Regau eng verbunden, wo bei das Zentrum in der Ortschaft Sicking (heute Gemeinde Desselbrunn) zu su chen ist. Dort wurde Wolfgang Auringer 1611 ge boren und protestantisch erzogen. Daß er als Junge am Bauernkrieg von 1626 teil genommen hat, erscheint ungewiß und wenig wahrscheinlich; 1632 hingegen — als die Bauern unter Jakob GreimbI im Hausruck erneut losschlugen - mag Wolfgang Auringer dabei gewesen sein oder zumindest sehr profiliert mit den Aufständischen paktiert haben, denn er verließ relativ kurze Zeit nach der Nieder schlagung der Revolte Oberöster.-eich und wanderte nach Mittelfranken aus, wo er in Grönheim bei Günzenhausen eine Bleibe fand. Dabei kam Wolfgang Aurin ger vom Regen in die Traufe, denn als er in Mittelfranken eintraf, erreichte der Dreißigjährige Krieg just in diesem Raum einen seiner Höhepunkte, Mord und Tot schlag gehörten zur Tagesordnung, aber das hatte auch sein Gutes: Viele Bauern höfe waren verödet, verlassen, und so konnte Auringer einen erwerben und ein neues Leben beginnen. Dazu half ihm Maria Eck, ebenfalls „aussem Landl ob der Enns stammend" — wie es in der Traueintragung vom 16. Juni 1644 heißt -, und als Maria starb, heiratete Wolfgang Auringer eine fränkische Bauerntochter, was eine Aus nahme darstellte, denn in der Folgezeit verbanden sich die Auringer ausschließ lich mit Töchtern aus österreichischen Exulantenfamilien, wofür schon die Na men der Bräute — Katharina Oberhauser, Apollonia Gundacker, Maria Menzinger, Anna Sammerer oder Sommerer — zeu gen. Sie entsprachen dabei einer in ihren Kreisen durchaus üblichen Gepflo genheit: Es kam äußerst selten vor, daß jemand aus der Reihe tanzte und sich mit einem Franken oder mit einer Fränkin vermählte. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts öffneten sich für die österreichischen Auswanderer die Tore nach Ostpreußen, da dieser Landstrich von einer Pest epidemie erfaßt und praktisch entvölkert worden war. Nun setzte Friedrich Wil helm I., der ,,Soldatenkönig" und Vater Friedrich des Großen, alles daran, Ost preußen erneut zu kolonisieren, was ihm mit Hilfe von Hugenotten, Reformierten aus der Schweiz, Mennoniten und jenen 19.000 Salzburgern gelang, die 1732 als Vertriebene ihres Erzbischofs von Fried rich Wilhelm in Berlin persöniich begrüßt wurden und dabei das Versprechen er hielten: „Ihr sollt's gut bei mir haben, Kinder, ihr sollt's gut bei mir haben!" - ein Versprechen, das der Herrscher ein löste. Nach Ostpreußen zog nun auch 1725 Hans Oaspar Auringer, der als zehntes Kind von Wolf Thomas und Anna Aurin ger keine Möglichkeit sah, in Franken zu eigenem Besitz zu kommen. Er wurde zum Begründer der ostpreußischen Linie der Auringer, die bis in unser Jahrhun dert als Bauern, Gutsbesitzer, Handwer ker, Beamte und Pastoren in diesem Land lebten und es zu Ansehen brachten; zu ihnen gehört Pfarrer i. R. Ernst Aurin ger, dem ich die Unterlagen für diesen Bericht verdanke: Er lebt in Brasilien, ist ein in aller Welt bekannter Familien forscher und fühlt sich nach wie vor mit seiner Urheimat Oberösterreich aufs engste verbunden. Der Kryptoprotestantismus konnte im Land ob der Enns nie ausgerottet wer den, obwohl es immer wieder versucht wurde, vor allem unter Kaiser Karl VI. und seiner Tochter Maria Theresia, die damit das sonst einigermaßen gültige Bild von der ,,edlen Landesmutter" er heblich befleckte. Unter ihrer Regierung und der ihres Vaters wurden Tausende evangelische Oberösterreicher, Steirer

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