Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 4, 1976

Die soziale Schichtung der Bewohner von Weis im späten Mittelalter^ Walter Aspernig Die Gesellschaft der mittelalterlichen Städte war vorerst nach rechtlich verfas sungsmäßigen Merkmalen (verschiedene Abstufungen von persönlicher Freiheit, Differenzierung durch Privilegien für ein zelne Familien und ganze Gruppen)stän disch geordnet. Erst mit der allgemeinen Durchsetzung des römischen Rechts im späten Mittelalter und dem damit verbun denen Emanzipations- und Demokratisie rungsprozeß v/urden die ständischen Un terschiede in den Städten weitgehend ge mildert und abgebaut. Die bürgerliche Freiheit setzte sich durch. Mit diesem Ab bau ständischer Unterschiede trat nun mehr in den spätmitteialterlichen Städten eine gesellschaftliche Schichtung hervor, die ihre Differenzierung vor allem nach sozio-ökonomischen Wertmaßstäben er fuhr. Der Sieg der Geldwirtschaft, der wachsende Flandel und die damit ver bundene Vermögensvermehrung der städtischen Bewohner waren weitere Fak toren dieser Entwicklung. Stärkere verti kale Mobilität, das heißt vermehrte Mög lichkeiten des sozialen Aufstiegs, war eine der wichtigsten Auswirkungen die ser sozialen Umwälzungen. Da diese horizontalen Schichten nicht im mer klar voneinander getrennt werden können und oftmals fließend ineinander übergehen, ist nur eine allgemeine Ein teilung in Ober-, Mittel- und Unterschich ten sinnvoll. Die in den Urkunden des Spätmittelalters genannten ,,Bürger zu Wels" gehören der Ober- und Mittelschicht der Stadt an. Zwar hatte der Bürger durch Steuern, Wacht- und Wehrdienst Belastungen auf sich zu nehmen, die allerdings durch rechtiiche, wirtschaftliche und auch per sönliche Vorteiie mehr als kompensiert wurden. Da dieses Bürgerrecht bei ge wissen personellen und vor allem finan ziellen Voraussetzungen erkauft werden konnte, fällt es als Standesmerkmal weg. Als soziales Unterscheidungsmerkmal ist der terminus „Bürger" daher ledigiich als Abgrenzung gegenüber der Unterschicht eindeutig verwendbar. Wir müssen des halb andere Merkmale, vor allem die rechtliche, wirtschaftliche und politische Stellung (Beruf, Besitz, Amt) der einzel nen Bewohner der Stadt Wels, näher un tersuchen, um eine genauere soziale Zu ordnung vornehmen zu können. Etliche Angehörige des oberösterreichi schen Adels besaßen Häuser und Grund stücke in Wels, ohne deswegen der Wel ser Bewohnerschaft zugerechnet werden zu können. Solche Objekte hatten zeit weilig die Herren von Walsee, die Grafen von Schaunberg, die Jörger, die Ofen von Schmieding,die Perkhaimer von Würting, die Geumann, Oberhaimer, Innerseer, Schernheimer, Prager, Hohenfel der u. a. inne, die ihren Wohnsitz auf den Burgen um Wels hatten und ihre Stadt häuser meist nicht selbst bewohnten, sondern vermieteten oder verpachteten. Auch die Klöster Lambach und Mondsee und die Pfarrer von Thalheim, Gunskirchen, Atzbach und Hofkirchen erwarben Häuser in Wels^. Diesem Ausverkauf von Welser Häusern und Grundstücken an den Adel versuchte die Stadt immer wieder entgegenzuwir ken, da die Prälaten, Edelleute und Prie ster für ihren Besitz Freiheiten zu erwir ken versuchten und nicht mit den Bür gern ,,mitleiden" wollten. (Steuer, Wacht und Verteidigung, Einquartierungen). 1491 versuchte Kaiser Friedrich III. auf Drängen der Bürger den Verkauf von Lie genschaften an Adelige überhaupt zu unterbinden^. Die den Verkäufern ange drohten Strafen dürften jedoch kaum ab schreckend gewirkt haben. Während solche Adelige für Wels wenig leisteten, ja der Stadt oftmals Schwierig keiten bereiteten und ihr zur Last fielen, finden wir Mitglieder des Kleinadels der Welser Umgebung, die ihr ritterliches Le ben aufgaben, sich in Weis ansiedelten, das Bürgerrecht erwarben und mit der hier ansässigen Oberschicht verschmol zen. Zu diesen zählen etwa die Urtaler (Auertaler), die einen Rittersitz bei Sattledt innehatten, die Aiterbacher, deren Stammburg unweit westlich der Kirche von Schauersberg stand, oder die Ritzen dorfer, deren Heimat bei Steinerkirchen an der Traun lag. Die Gründe für ein sol ches Überwechseln in den Bürgerstand sind meist nicht bekannt. Die des Martin Oberheimer, eines Sprosses der seit dem 14. Jahrhundert in Oberösterreich stark verzweigten Ritterfamilie der Oberheimer, in deren Besitz sich die Schlösser und Herrschaften Affnang, Gröbming, Parz, Tegernbach, das halbe Etzlsdorf, Irnharting und Pernau an der Traun befanden, kennen wir. Dieser Oberheimer war 1476 durch seine Heirat mit Barbara, der Witwe Marx Treitlkofers, als dessen Nachfolger vom Abt zu St. Peter in Salz burg mit der Verwaltung des klösterli chen Urbaramtes Breitenau (Pfarre Pen newang) betraut worden. Wegen finan zieller Unregelmäßigkeiten (Veruntreu ung von 250 Gulden) verlor er im Jahre 1514 seine Existenzgrundlage". Darauf hin erwarb er ein Haus in Wels (Schmidt gasse 30)= und das Welser Bürgerrecht'. Andere vornehme Familien, wie die Schick und vor allem die Haunold, sind alteingesessen und besaßen neben ihren Häusern und Grundstücken in der Stadt zahlreiche Bauernhöfe und Zehente auf dem Land sowie Burgen in der nächsten Umgebung von Weis. Den ersteren ge hörte ein ,,Purgstal" beim Bruckhof in Thalheim' (heute Bruckhofvilla, Unter schauersberg Nr. 1), die Haunold besa ßen die Burg Haunoldsegg (im Gelände der heutigen Knorrfabrik) als Lehen von der Herrschaft Ort' und das Schloß Dietach als Kremsmünsterer (später landes fürstliches) Lehen'. Die Mitglieder der Welser Oberschicht des Spätmittelalters waren aber keines wegs nur adeliger Herkunft. Es gab auch Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs durch Einheirat in die etablierten Ge schlechter, durch besonderen wirtschaft lichen Erfolg oder Bewährung in landes fürstlichen Diensten. Als Beispiel sei hier angeführt, daß die Einheirat des Peter Motschier aus Ried (im Traunkreis?) in die Welser Bürgerfamilie Marichholz die sem eine gesunde wirtschaftliche Basis und damit auch den Aufstieg in höchste städtische Ämter brachte'". Ein Zweig der Familie Tätzgern, die damals in Kirch dorf an der Krems in hohem Ansehen stand, kam durch Heirat Mitte des 15. Jahrhunderts nach Wels und über nahm hier bald städtische und iandesfürstliche Ämter (Lichtmeister, Stadtrich ter; Hoffischrichter)". Der Aufstieg der Familie Erdinger spiegelt die große Ziel strebigkeit und wirtschaftliche Dynamik einzelner Welser Bürger wider. Parallel zum wirtschaftlichen Erfolg verlief die städtische Ämterlaufbahn. Den wirtschaft lichen, politischen und geseilschaftlichen Höhepunkt erreichte dieses Welser Bür gergeschlecht um die Mitte des 15. Jahr hunderts. Er wird deutlich markiert durch eheliche Verbindungen zweier Familien mitglieder zum niederen Ädel. Genau so schnell allerdings vollzog sich der Äbstieg der Erdinger in der zweiten Jahr hunderthälfte. Mangel an männlicher Nachkommenschaft, plötzliche Todesfälle und das Äbgleiten eines Familienmit glieds in verbrecherische Machenschaf ten vernichteten rasch das mühsam Er reichte und führten zum Verschwinden der einst so angesehenen Familie aus Wels". Schwierig ist es oft, Kriterien anzugeben, die eine Zuordnung von Welser Bürgern zur Ober- oder Mittelschicht erlauben. Ein Charakteristikum für die Oberschicht war zweifellos der wirtschaftliche Reich tum, der die Voraussetzung für die Äufnahme in den Stadtrat und andere wich tige Ämter bildete. Verarmung hingegen

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