Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 4, 1976

Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Landschaft Die Stadt Wels in ihrem Jubiläumsjahr Dr. Kurt Holter Museum und Archiv der Stadt Wels und ihr 1200-Jahr-Jubiläum 2 Dr. Walter Aspernig Die soziale Schichtung der Bewohner von Wels im späten Mittelalter 11 Dr. Wilhelm Rieß Burg Wels 19 Historische Kunst Dr. Walter Luger Das Zisterzienserstift Schlierbach 31 Landeskunde Biidende Kunst Prof. Heribert Zimmermann Ein Streifzug durch die Flora der Umgebung von Wels 47 Wirtschaft Dr. Franz Prummer Weiser Messe — ein Jahrhundert im Dienste der heimischen Wirtschaft Weiser Kuiturwinter 1976/77 Bücherecke 55 58 59 Literaturbeiiage Prof. Rudolf Walter Litschel „Leb wohl, Heimat, wir verlassen dich in Angst und mit Tränen" — Oberösterreichische Exulantenschicksaie am Beispiel der Familie Auringer 37 Waltraud Seidlhofer Uebergang 61 Dir von diesem Traum zu berichten 62 Peter KramI Die Ängste beim Einschlafen, nicht mehr aufwachen zu können Gregor M.Lepka Die Kneipe Betrachtungen Hafen Prof. Carl Hans Watzinger Carl Anton Reichel - ein Künstler leben im Geisteswandel des 20. Jahrhunderts 39 Kulturzeitschrift Oberösterreich 26. Jahrgang, Heft 4/1976 Vierteljahreszeitschrift: Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag: Redakteur: Dr. Otto Wutzei; verantwortlich für den Inhalt im Sinne des Pressegesetzes: Dr. Elfriede Wutzei; Druck: Oö. Landesverlag Linz; sämtliche 4020 Linz, Landstraße 41, Ruf(072 22)78 1 21. Jahresabonnement(4 Hefte):S 178.—; Einzelverkaufspreis; S 55.—. (Alle Preise inkl.8 °/o MWSt.) 64 67 68 88 Umschlagbild: „Traunbrücke zu Wels" — Welser Stadt ansicht aus dem späten 19. Jahrhundert im Stadtmuseum Wels. Umschiaggestaltung: Herbert Friedl

I I I LjV5 Kulturzeitschrift Heft 4/1976 der Zeitschrift „Oberöster reich" ist in seinem Schwerpunktthema der Stadt Wels und ihrem 1200-Jahr-Jubiläum gewidmet, das heuer gefeiert werden konnte. Der bekannte oberösterreichische Historiker Dr. Kurt Holter, derzeit auch Redakteur des Bandes Weis der ,,öster reichischen Kunsttopographie", weist in seinem Grundsatzartikei ,,Museum und Archiv der Stadt Weis und ihr 1200-JahrJubiiäum" auf die Schwerpunkte der Wei ser Stadtgeschichtsforschung hin. Er gibt auch viele Anregungen für diese beiden wissenschaftlichen Einrichtungen, die sich seit längerem in einem Neuaufbau befinden. Ein besonderes Kapitel der Weiser Stadt geschichte greift Dr. Walter Aspernig, Mitteischuiiehrer in Weis, mit seinem Auf satz ,,Die soziale Schichtung der Bewoh ner von Weis im späten Mittelalter" auf. Die Bebiiderung dieser Abhandlung bot u. a. auch die Möglichkeit, das schöne historische Stadtbild zu skizzieren. Methodisch wird vom Autor gezeigt, wie viel noch aus den Quellen erarbeitet wer den kann. immer mehr rückt die ,,Burg Weis" in den Mittelpunkt unseres Interesses. Sie kann als historisches Baudenkmai von gesamt österreichischer Bedeutung gewertet wer den. Dr. Wilhelm Rieß, Direktor des Stadt museums Weis und hiemit auch für die Weiser Burg zuständig, die ja ein muse aler Schwerpunkt der Messestadt werden soll, befaßt sich mit ihrer interessanten Baugeschichte. in den Fachsparten kann ein reiches hei matkundliches Material aufbereitet wer den. Dr. Walter Luger beschäftigt sich in der Historischen Kunst mit dem Zister zienserstift Schiierbach, das seit der Margret-Biiger-Aussteiiung immer mehr zu einem kulturellen Mittelpunkt des Kremstaies avanciert. in der Landeskunde bringt Rudolf Walter Litschei einen interessanten Beitrag über das Exuiantenschicksai der ausgewander ten oberösterreichischen Protestantenfamiiie Auringer. Wir erleben hier einen Nachklang zum Bauernkriegsgedenkjahr 1976, das aus allen Teilen der Weit Zu stimmung fand. in der Sparte Bildende Kunst befaßt sich Carl Hans Watzinger mit dem aus Weis stammenden Grafiker Carl Anton Reichel. Es zeigt sich in diesem Aufsatz, wie un deutlich noch unser Bild der Kunst des 20. Jahrhunderts in unserer engeren Hei mat ist. Reichel kann als Vorläufer des modernen Surrealismus gewertet werden. Er war eine schillernde Persönlichkeit, voll Kraft und Phantasie. Nach Ausstel lungen, u. a. auch in der Aibertina, die seiner Wiederentdeckung dienten, bietet diese Abhandlung eine erste schriftliche Dokumentation. im Kapitel Landschaft beschäftigt sich Heribert Zimmermann, ein junger Weiser Mitteischuiiehrer, mit der Flora in der Umgebung von Weis. Dieser Aufsatz be sitzt grundsätzliche Bedeutung, da in ihm aufgezeigt wird, wie tiefgreifend in unse rer Zeit die Naturlandschaft beeinflußt wird. Besinnung ist erforderlich. Hier hat nicht nur der Naturwissenschafter das Wort, sondern gleiches Gewicht ist dem Naturschützer beizumessen. Wenn von der Wirtschaft die Rede ist, so darf in einem Weiser Heft die Weiser Messe nicht fehlen. Messedirektor Doktor Prummer ist der berufenste Mann, die Geschichte dieser Großveranstaltung in ihrem bald hundertjährigen Entwicklungs gang aufzuzeigen. Die Literaturbeiiage, die jedem Winter heft eines Jahrganges unserer Zeitschrift beigefügt wird, weist auf die literarische Avantgarde in Weis hin. Waltraud Seidihofer und ihr Gatte Gregor M. Lepka sind bereits bekannte Namen. Peter KramI ist Maier und Literart. Das Wollen der Auto ren ist neu, ihre Sprache ist ungewohnt. Sie geben jedoch Zeichen unserer Zeit.

Museum und Archiv der Stadt Wels und ihr 1200-Jahr-Jubiläum Kurt Holter Die Jahreszahl 1976 ist keineswegs eine besondere „runde" und dadurch zu Ju biläen herausfordernd. Auch das Jahr 976 hat bisher in der Geschichte keineswegs als besonders epochal gegolten. Den noch wurden in diesem Jahre große Teile Österreichs mit 1000jährigen Jubiläen be faßt, wobei mehrmals heftige Grundsatz diskussionen entfacht wurden. Wir mei nen damit die Problematik der großen Landesausstellung in Niederösterreich „1000 Jahre Babenberger in Österreich", die Kärntner 1000-Jahr-Feier aus Anlaß der ,,Erhebung zum Herzogtum" und schließlich auch die Wolfgang-Aussteliung in St. Wolfgang am Abersee, die foikioristisch in einem großen Festzug „1000 Jahre St. Wolfgang" gipfelte. Es besteht kein Zweifel, daß zwischen diesen drei Jubiläen ein tiefer Zusam menhang besteht, nämlich das Faktum, daß in den Jahren um 976 für den Be reich des heutigen Österreich grund legende Entscheidungen und Maßnah men getroffen wurden, die bis heute fol genschwer nachwirken. Erich Zöllner hat dies in der Feierlichen Sitzung der Öster reichischen Akademie der Wissenschaf ten am 12. Mai 1976 klar herausgestellt. Wir brauchen daher diese These nicht des näheren auszuführen, vielmehr wol len wir das zeitgeschichtliche Phänomen der drei Jubiläen mit dem Welser Stadt jubiläum „Wels 776—1976" in Kontrast setzen und zunächst nur fragen, wie es mit diesem Jubiläum steht. Es scheint uns, daß der Fall Wels grundsätzlich anders gelagert ist. Erstens fußt das Weiser Jubiläum auf einer historisch unbezweifelten Grundlage, nämlich der er sten Erwähnung des heutigen Namens der zweitgrößten Stadt öberösterreichs und zweitens ist die Jubiläumszahl 1200 Jahre eher bescheiden, als gewaltsam überdehnt, wie das etwa für das ebenfalis in diesem Jahre gefeierte Kirch dorfer Jubiläum gelten muß. Dagegen hat die Tausendjahrfeier anläßlich der Stadterhebung in Wieselburg, auf die mich Hertha Ladenbauer-Örel aufmerk sam machte und die wieder mit dem hl. Wolfgang zusammenhängt, ihre ur kundliche Grundlage. Mit dem angeführ ten Kärntner und wohl auch dem Öster reich-Jubiläum hat die Welser 1200Jahresfrist das gemeinsam, daß beide nur einen Teilabschnitt einer kontinuierlichen Geschichte umfassen. Der Unterschied besteht darin, daß man in Wels diese Frist nicht problematisch oder polemisch ausdeuten kann oder ausgedeutet hat. Die Faszination der Zahl und insbeson dere zahlenmäßig erfaßbarer Zeit abschnitte scheint in unserer schnellebigen, durch ununterbrochen aufeinander folgende Termine kleinteilig zerhackten Lebenszeit eine gewaltige Macht zu be sitzen. Die Zauberkraft der Vorstellung ruhender, bleibender Werte und Fakto ren erfaßt vielleicht gerade die Teile einer Bevölkerung, denen Heimatverlust und Unrast die Sehnsucht nach der Dauer unbewußt eingegeben haben. Da kaum jemand von den älteren Genera tionen in seinem Lebensgefühl uner schüttert geblieben ist und die nachkom menden Geschlechter vielfach unbewußt nach Sinn und Aufgaben suchen, mag es erklärbar sein, daß in fast allen Schichten der Bevölkerung sich ein Fragen nach geschichtlichen Daten und Fakten, nach den Geheimnissen des Bodens, nach den Grundlagen einer Tradition erhebt, einer Tradition, die um so größeren Wert ge winnt, je mehr der einzelne sich ohne Möglichkeit und ohne Wunsch nach einer Wiederkehr von ihrer Wirklichkeit ent fernt hat. Unter solchen Überlegungen muß ein örtliches Jubiläum, weicher Art es auch sei, mehr als nur ein Denkanstoß sein. Es scheint uns bemerkenswert, mit wel cher Hingabe z. B. so gut wie alle Kreise der Welser Bevölkerung, in wel chen Vereinigungen sie auch zusammen geschlossen sein mögen, die Idee dieses Stadtjubiläums aufgegriffen und in ihrer Weise hervorgehoben haben. Die Ent scheidung der Kulturverwaitung und des Kulturamtes der Stadt Weis, auf eine einzige große Feierlichkeit zu verzichten und in die Breite zu gehen, scheint da her eine bemerkenswerte Bestätigung er fahren zu haben. Manche dieser Veranstaltungen mag nach ihrem Ablaufen in Vergessenheit geraten. Es gibt aber auch Leistungen, die als bleibend verzeichnet werden können. Dies gilt vor allem für die Neuordnungen von Archiv und Museen der Stadt Weis, womit für die Aufschließung der Ge schichte der Stadt und ihre Repräsen tation neue Marksteine gesetzt worden sind. Da man derartige Sammlungen bei einem Gemeinwesen von der Größe der Stadt Wels keineswegs als selbstver ständlich voraussetzen kann, bedürfen sie einer Darstellung. Die beiden genann ten Einrichtungen verschränken und er gänzen sich in mehrfacherweise. Das Archiv scheint der ältere Bestand zu sein, da es in seinen öriginaldokumenten bis in das 14. Jahrhundert zurückreicht und seit dem 15. Jahrhundert in zuneh mendem Maße geschlossene Bestände aufweisen kann. Die systematische ErNeuaufstellung der Sammlung ,,Vorgeschichte bis Frühmittelaiter" im Stadtmuseum Wels. Foto: M. Eiersebner Schließung beschäftigt sich derzeit mit dem Material des 19. Jahrhunderts, um den lückenlosen Anschluß an die moder nen Registraturen zu verwirklichen. Das Museum dagegen muß als ein Kind des Historismus im späten 19. Jahrhun dert angesehen werden, als die kulturell vielleicht entscheidendste Leistung der Stadt aus der Epoche einer stürmischen Entwicklung, die in mehreren Wellen bis auf den heutigen Tag anhält. Die Mu seumsgründung erfolgte auf Grund einer Eingabe des damaligen Stadtrates Franz von Benak vom 1. Jänner 1892, unmittel barer Anlaß waren die reichen Funde aus 1890 und 1891, die der Stadtboden beim Bau des Kreisgerichtsgebäudes und beim Eisenbahnbau der Lokalbahn freigege ben hatte, beide unmittelbar benachbart im Westen des ehemaligen römischen Areals gelegen. Damit reichen seine Be stände um das mehrfache weiter zurück als die des Archivs, zumal auch die Prä historie in der Folge bedeutende Fund-

komplexe ergeben hat. So ist es zwei fellos sinnvoll, daß die Erneuerung die ses seit fast hundert Jahren systematisch aufgesammelten Bestandes von seinen ältesten Teilen den Ausgang nahm und daß das neugestaltete Museum zunächst den Jahrtausenden vor einer Entwicklung gewidmet wurde, die dann zu einem im mitteleuropäischen Sinne ,,städtischen" Gemeinwesen führte. Die Neuaufstellung der vorgeschichtli chen, römischen und frühmittelalterlichen Sammlungen des Weiser Museums wurde zuerst vom Vorstand des Weiser Museaivereins beim Herannahen des ,,Jubiläumsjahres" im Jahre 1972 vor geschlagen (18. Jahrbuch des Museai vereins, S. 8), von den maßgeblichen Persönlichkeiten des Magistrats und der Kuiturverwaitung der Stadt sogleich auf gegriffen und seither unter der wissen schaftlichen Oberleitung des Wiener Uni versitätsprofessors Dr. Rudolf Noll, eme ritierten Direktors der Antikensammiung des Kunsthistorischen Museums in Wien, durchgeführt. Die kleine einsatzfreudige Mitarbeiterschar des Museumsdirektors Dr. Wilhelm L. Rieß hat damit ihre erste große Belastungsprobe bestanden. Bis 1973/74 wurde vor allem die sehr um fangreiche Sammlung der ,,provinziairömischen" Bestände des Museums, viel fach Depot und Ausstellung zugleich, im Umfang vieler Tausender von Fundstükken gesichtet, die besterhaitenen, histo risch bedeutungsvollsten und fachlich in teressantesten Materialien ausgewählt und vieles davon restauriert. Gewisser maßen als Präludium diente die Beteili gung des Museums an der großen Aus stellung 1973 in Petroneii „Die Römer an der Donau, Noricum und Pannonien", an der das Weiser Museum mit rund 50 Ausstellungsstücken beteiligt war. Die neue Aufstellung des Museums erfolgte nach modernen, sachlich bezogenen Gruppierungen unter Berücksichtigung didaktischer Grundsätze, da ja das neue Museum auch in die Breite wirken soll. Die Entwicklung der römischen Stadt, ihre geschichtliche Stellung, die Vielfalt aller Lebensbereiche, Religion, Wirtschaft und Handel, werden In dem neugeordne ten Museum In der Polhelmerstraße so eindrucksvoll vorgeführt, daß man dar über fast vergißt, daß sehr wesentliche Welser Fundbestände im 18. und 19. Jahrhundert an andere Sammlungen ab gewandert sind. Schon vor 200 Jahren konnte man von einer Sammlung von Welser Altertümern sprechen, die ge meinsam mit Funden aus Lorch/Enns in Auerspergischem Besitz in Enns aufbe wahrt worden waren. Später kam die Sammlung nach Böhmen, wo sie bis heute nicht wieder festgestellt worden Ist. Das berühmteste Stück daraus war jener Pferdekörper eines bronzenen Rei terdenkmales, vor 200 Jahren In der Traun aufgefunden, das in seiner Aus führung aufs engste der bekannten Rei terstatue des Kaisers Marc Aurel auf dem

Stadtmuseum Wels, Römischer Meilenstein aus der Zeit des Kaisers Maximinus Thrax (235-238 n. Chr.). Foto: M. Eiersebner Stadtmuseum Weis, Römische Bronzestatuette ,,Venus von Weis", gefunden im Gemeindegebiet von Gunskirchen. Foto: M. Eiersebner Stadtmuseum Weis, Römerzeitiiche Bronzestatuette einer Fortuna. Foto: Bundesdenkmaiamt Wien l Kapitol in Rom entsprochen haben muß. Von Metalluntersuchungen, weiterer der artiger Bruchstücke aus Wels, die der zeit im Gange sind, darf man vielieicht neue Erkenntnisse darüber erwarten. Nicht weniger wichtig erscheint uns der Hinweis auf die Funde, die in den rund 50 Jahren, die der Gründung des Welser Museums vorausgingen, besonders in den der römischen Stadt im Westen vorgeiagerten Gräberfeldern beim Bau der ehemaligen Dragoner- und späteren Al penjägerkaserne, gemacht wurden. Die unter der Aufsicht der Kustoden des Museums der Oberösterreichischen Mu sealvereins geborgenen Funde kamen damals nach Linz und bilden noch heute einen unübersehbaren Anteil an der ma terialreichen und vorzügiich dargebote nen Aufsteliung im Linzer Schloß museum. Je mehr man mit einer wissenschaftiichen Bearbeitung der Weiser Boden funde aus der Römerzeit vorankommt. um so besser wird es mögiich sein, der Geschichte der Stadt nachzugehen. Eine Überprüfung der Fundorte der äitesten Münzen und der ältesten spezifischen Keramikbestände solite Hinweise iiefern, wo man die Anfänge der römischen Siediung und ihrer keitischen Voriäufer zu suchen hätte. Ebenso mag unter derarti gen Voraussetzungen die Suche nach der Lage des noch immer unbekannten Fo rums von neuem versucht werden. Ge wisse Erfolge in Richtung auf eine Er forschung der römischen Stadtgeschichte zeigen die Beobachtungen an den römi schen Gräberfeidern innerhalb der (jün geren) römischen Stadtmauern, die uns eine gewaltige Stadterweiterung etwa um das Jahr 200 erkennen ließen. Auch hier müßten präzise Untersuchungen noch weitere Ergebnisse liefern. Schließlich sei vermerkt, daß wir auch die Hoffnung nicht aufgegeben haben, aus den Materiaiien der frühchristiichen Epoche des 4. Jahr hunderts Hinweise auf die Ereignisse zu gewinnen, die den zu vermutenden Rück gang der Stadt in dieser Epoche begrün den könnten. Verläßt man die Römerzeit und begibt sich auf die Wanderung in und durch das Mitteialter, so wird das Material, das uns das Museum liefern kann, spärlich, die anderen Queilen werden vielfach proble matisch. Wir haben in einer soeben, im 20. Jahrbuch des Welser Musealvereines, erschienenen Arbeit die Schwierigkeiten geschildert, die einer Auswertung der wenigen Nachrichten aus den Jahrhun derten vor und nach dem Jahre 1000 n. Chr. über Weis entgegenstehen. Außer den in ihrer Aussagekraft durch immer wieder erneuerte Eingriffe allmählich ver minderten Aussagen des Bodens und seiner Gliederungen besitzt die Stadt nur wenig museale und keine archivaiischen Quellen aus dieser Zeit. Diese schwierige, allerdings für den Hi storiker faszinierende Situation ändert sich mit der Epoche, mit der nunmehr die

Unten: Stadtmuseum Wels, Römischer Grabstein des Publlus Aellus Flavius. Foto: Bundesdenkmalamt Wien Bestände des Stadtarchivs einsetzen. An der Spitze steht die Urkundenreihe. Die älteste Urkunde des Stadtarchivs datiert vom 15. Februar 1328, weitere 36 gehören noch dem 14. Jahrhundert an. Insgesamt sind mehr als 1000 Urkunden verzeichnet worden. Mit dem Beginn des 15. Jahrhun derts (1406) beginnt die allmählich immer dichter werdende Folge von Betbriefen, die uns insbesondere aus dem 16. und 17. Jahrhundert mehrere Tausend von Rechtsvorgängen überliefert haben. Mit diesem Material, das fast 4000 Doku mente umfaßt, kann man für große Zeit räume einigermaßen erfolgreich besitz end personengeschichtiiche Forschungen zur Stadtgeschichte treiben. Besonders interessant erscheint es uns weiter, daß Im Stadtarchiv die ersten Belege einer städtischen Verwaltungs- und Rech nungsführung ebenfalls noch aus dem 14. Jahrhundert erhalten sind. Walter Aspernig hat sie erst vor wenigen Jahren der Vergessenheit entrissen und im Jahr buch des Weiser Museaivereines (18. Bd. 1972) veröffentlicht. Sie zeigen uns, daß eine Verwaitungsorganisation der Stadt, die wir seit der zweiten Hälfte jahrhun dertelang in unveränderter Weise verfol gen können, auch in der Mitte des 14. Jahrhunderts schon bestand und vermutiich nochmais hundert Jahre vorher ein gerichtet worden ist. Daß es sich bei die sen ältesten Rechnungs- bzw. Abrech nungsaufzeichnungen um die Geschäfts führung des städtischen Bruckamtes han delt, zeigt weiter, daß die Brücke über die Traun, für die in der ersten Häifte des 12. Jahrhunderts eine Stiftung eingerichtet worden ist, für die Geschichte und Entwicklung der späteren ,,Handels stadt" eine hervorragende Roiie gespieit hat. Aus den ersten Jahrhunderten des Be stehens der ,,Stadt" Wels, die im Jahre 1222 erstmals als „civitas" bezeichnet worden ist, kennen wir, wiederum ali mählich in ihrer Zahi und Dichte zuneh mend, eine beträchtliche Fülle von Na men und Familien von maßgebenden Stadtbürgern, deren Bedeutung auf dem weitreichenden Handei beruhte. Die Folge der Stadtrichter und der Verwalter der wichtigsten Ämter, wie Bruckamt und Lichtamt, ist ebenfails aus zahlreichen Quellen bekannt, läßt sich aber immer noch weiter verdichten, wie die Forschun gen W. Aspernigs in den letzten Jahren gezeigt haben. Die Ratsprotokoiie be ginnen mit dem Jahre 1525. Ihre Reihe ist in den seither vergangenen vierhundert undfünfzig Jahren verhältnismäßig seiten unterbrochen und iiefert daher eine außerordentlich wichtige Queiie für die Stadtgeschichte. Die erste uns bekannte systematische Ordnung dieses umfangreichen archivalischen und schon damals sehr alten Ma terials erfolgte vor vierhundert Jahren. Seither sind insbesondere in den voraus gegangenen Dezennien dieses Jahrhun derts durch die Bemühungen des ver dienten Stadtrates Ferdinand Wiesinger, durch Dr. Erwin Theuer und den ehemaiigen Gymnasiaidirektor Dr. Hubert Mar schall, schiießiich durch den ersten be amteten Verwalter des Archivs in neuer Zeit, Prof. Dr. Giibert Trathnigg, verschie dene Ordnungsversuche in die Wege ge leitet worden. Aber auch hier ist ein durchschiagender Erfoig erst im Zusam menhang mit dem 1200jährigen Stadtjubiiäum erreicht worden. Nicht ohne Stoiz dürfen wir festhaiten, daß die Anregung und die ersten Abspra chen der Initiative des Welser Museai vereines zu verdanken sind. Die Gesamtieitung der Neuordnung lag in Händen der ieitenden Herren des Oberösterrei chischen Landesarchivs, die praktische Durchführung darf ais letzte Großtat des Archivordnungsfachmannes Prof. Georg Grüll verzeichnet werden, der nur zu bald nach Abschluß dieser Gemeinschaftslei stung verstorben ist. Unterdessen waren in Wels neue Räume in mustergültiger und moderner Organisation vorbereitet worden, so daß nun nach vielen Jahren mühsamen Suchens eine rasche und ziel führende Benützung dieses gewaltigen Bestandes möglich ist. Man muß sich nur vor Augen halten, daß bei der Archiv ordnung außer den schon erwähnten fast 5000 Urkunden und Betbriefen 1233 Schuber mit unzähligen einzelnen Auf zeichnungen und Schriften eingereiht und daß 2726 gebundene Handschriften ge ordnet und verzeichnet worden sind, die nun für jeden Benützer, der sie verwer ten kann,zur Verfügung stehen. Ali dieses Material reicht bis zum Jahre 1850, während die Archivaiien der Folge zeit bei der Neuordnung nur zum gerin gen Teil erfaßt worden sind, da die Re gistratur, in der der Niederschlag aus den letzten 125 Jahren Verwaltungs- und Regierungstätigkeit aufbewahrt wird, in w ' ;;r..!'3 N S ri: i :l l V I I/VAVIU:I.l/VANTrt'N l,NtANA-C>\/IHTiUi A\'( M-Ai;i.1 A-.'IM'11:[A-:l'1.A/iN A.'FI l-I A-;R IV .s i) AI M N sv.i'ivvriil Ai-i V s-'ti;;oiu;.TiAL-.si.siA.M, r i PR loniv.S'OfK IrTI AAiRS/V.R-PAPI N()'' 'Äl# I(TH

den genannten Zahlen noch nicht einbe zogen ist. Nunmehr, durch die neu geschaffenen Räume, ist auch die Über nahme eines weiteren, sehr umfangrei chen und für die letzte Stadtentwicklung ungemein wichtigen Materials in die Schränke und Räume des Stadtarchivs möglich geworden. Wer sich jemals mit der Geschichte von Wels im 19. Jahr hundert beschäftigt hat, weiß, welch ge waltigen Fortschritt diese Einbeziehung bedeutet, und er wird der Stadtverwal tung, Amtsträgern und Mandataren, dankbar sein, daß sie sich dieser Not wendigkeit nicht verschlossen haben. Es ist an den Verfasser dieser Zeilen gelegentlich die Frage gerichtet worden, ob es denn sinnvoll sei, ein so umfang reiches und in seiner Zusammensetzung so einmaliges Material am Ort zu belas sen. Hätte man es nicht an eine zentrale Stelle, etwa an das Oberösterreichische Landesarchiv, abgeben sollen, damit man für alle Zeiten die Sorge um seine Pflege und damit auch so manche Auslagen los sei. Wer die bisherigen Ausführungen aufmerksam gelesen hat, dem wird die auf eine solche Frage zu erwartende Antwort kaum zweifelhaft erscheinen. Nach Meinung des Verfassers ist es nicht nur eine Frage des Selbstverständnisses und des Selbstbewußtseins der Stadt, ihrer Verwaitung und ihrer Bewohner, sondern auch für einen Verwaltungskör per von der Bedeutung der Stadt Wels eine Notwendigkeit und ein großer Vor teil, die aufgesammelten geschichtlichen Unterlagen jederzeit benützen und zur Entscheidung von Zweifelsfragen heran ziehen zu können. Wenn die Epoche der Nostalgie, die man besser als Besinnung auf Herkunft und Tradition bezeichnen sollte, für immer weitere Kreise der Stadtbevölkerung und für ihre Freizeitbeschäftigung fruchtbar werden soll, dann wird ein derartiger Archivbestand in vielleicht nicht minde rem Maße als eine museale Sammlung anregend und bezüglich der Kenntnisse vertiefend wirken können. Es mag sein, daß solche Gesichtspunkte heute noch nicht überall durchgedrungen sind, doch glauben wir, daß der Fortschritt, oder sagen wir bescheidener, die Entwicklung in diese Richtung gehen wird. Es wäre erfreulich, wenn in nicht allzuferner Zeit die Stadtgeschichte mit ihren vielfältigen sozialen Problemen und Gliederungen ein entsprechendes Interesse erwecken würde. Aber vielleicht ist zuvor notwen dig, in entsprechender Weise bekannt zu machen, wieviel an Material zur Han dels- und Sozialgeschichte hier aufzu spüren ist, was man hier, um gar nicht zu reden von der Pancharte, jener groß artigen Sammlung der Stadtprivilegien, die vor 400 Jahren in einer kritischen Zeit zusammengestellt wurde, an Nach richten über die Stadt mit ihren Mauern und Türmen, mit Kirchen und Brunnen, mit Spitälern und Ausgedingstuben, mit Kulturschätzen und bürgerlichen Waffen, wie sehr man daraus das Leben aus ver gangenen Zeiten lebendig machen kann. Es kann für uns kein Zweifel bestehen, daß für das Selbstverständnis einer Stadt wie Wels derartige Archivalien von un ersetzlichem Wert sind. Denn sie haben vieles von dem schriftlich niedergelegt, was in Original und Gegenwart schon längst vergangen und verbraucht worden ist. Das tägliche Leben einer kleinen Bürgerstadt, wie es Wels in den letzten Jahrhunderten gewesen ist, war dem Ansammeln oder dem Bewahren derarti ger Kunst- oder Kulturgüter nicht eben günstig gesinnt. Wir wissen, daß in der Josefinischen Zeit und noch vor kaum 100 Jahren wesentliche künstlerische Lei stungen der Stadt aus den vorausgegan genen Jahrhunderten — man kann wohl sagen — verschleudert worden sind. Das betrifft die Kunstschätze aus dem ehe maligen Minoritenkloster, die man nur mühsam rekonstruieren kann, und ebenso wichtig die ehemalige reiche Ba rockausstattung der Welser Stadtpfarr kirche. Diese ist im Zusammenhang mit einer Tausendjahrfeier zum Jahre 1888 gründlich restauriert und man kann höf lich sagen ,,neutralisiert" worden, wobei man den damals noch umfangreichen Bestand an alten Kunstschätzen im Sinne eines einseitigen Modernismus radikal beseitigte. Hätte man damals dieses Gut in einem Museum vereinigt, es wäre ein Zielpunkt von Nah und Fern. Wer heute eine Vorstellung von den Leistungen der Welser Künstler aus dem 17. und 18. Jahrhundert gewinnen will, kann in den benachbarten ländlichen Pfarr- und Fi lialkirchen noch einige Überreste finden. Aber auch über diese ist die jüngste Mo dernisierungswelle nicht gerade scho nend hinweggegangen und hat neue Ver luste zur Folge gehabt. Es scheint also, daß die Lehren der Vergangenheit noch immer zu wenig ernst genommen wer den, und wir können heute schon sagen, daß die Vorwürfe, die wir gegen die vor ausgegangenen Generationen erheben, auch gewisse Aktivitäten unserer Zeit treffen werden. Wenn man sich eine Vorsteilung davon macht, was im 19. Jahr hundert allein aus dem Bereich von Wels in Verlust geriet und was noch im Stadtmuseum Wels, Bruchstück eines römischen Grabdenkmais mit Dreizack und ineinander verschlungenen Delphinen (vermutlich Weihestein für die Fiußgottheit der Traun). Foto: Bundesdenkmalamt Wien Rechte Seite: Stadtmuseum Weis, Beigaben aus einem Gräberfeld in Weis. Foto: Stadtmuseum Wels

20. Jahrhundert in deutsche und in über seeische Sammlungen abgewandert ist, wird es verständlich, daß die eigenen Museen heute große Lücken aufweisen und wird es klar, welche Chancen da mals vertan wurden. Das gilt auch für die zentrale Landessammlung, das Ober österreichische Landesmuseum, das da mals auf Barockkunst keinen Wert legte. Da dagegen die Renaissance in Ansehen stand, haben dort die bedeutenden Wel ser Hafnerkacheln des 16. Jahrhunderts und einige der besten Grabdenkmäler aus jener Zeit eine Heimstatt gefunden. Geht man anderen kulturellen Schätzen nach, etwa Tafelbildern oder Bücher schätzen, so wird der Kenner in den Sammlungen der benachbarten Stifte Kremsmünster und Lambach, z. T. auch in St. Florian nicht wenige Beispiele fin den. Ähnlich ist dies im Erbe des längst aufgehobenen Stiftes Spital am Pyhrn zu finden, heute meist im Kloster St. Paul in Kärnten, da das Stift Spital in den meisten Epochen seines Bestehens mit Wels in vielfachen personellen Beziehun gen gestanden hat. Auf bestimmten Gebieten der handwerk lichen und bürgerlichen Kultur der letzten Jahrhunderte mag man günstigere Ver hältnisse antreffen. Wir erwähnen vor allem die in verschiedener Hinsicht um fangreichen Bestände, die ehedem im sogenannten „Gewerbemuseum" aufge stellt waren und die dringend einer Neu aufstellung bedürfen. Ihren Mittelpunkt bildet eine Gruppe wertvollster Gegen stände aus der Stadtgeschichte, wie die schon erwähnte Pancharte, das vorzüg liche Stadtrichterschwert, die Zunfthum pen, Zunfttruhen und Zunftzeichen. Das barocke Handwerk mit Leistungen volks tümlicher Plastik aus den Gebieten der Hafnerkunst, der Wachsmodellierung und der Modelschnitzerei, aber auch das vor züglich vertretene Kartenmacher-Hand werk, sie alle könnten in moderner Dar bietung dem Welser Museum wieder den Rang und das Ansehen geben, den es verdient. Wiederum ein anderer Blickpunkt ergibt sich, wenn man die Welser Waffensamm lung ins Auge faßt, deren älteste artille ristische Bestände Beachtung verdienen und bei der Bauernkrieg-Ausstellung 1976 auch Aufmerksamkeit gefunden ha ben. Als Garnisonsmuseum bis in die jüngsten Zeiten fortgesetzt, könnte die ser Teilbestand auf diesen wichtigen Faktor der Stadtgeschichte hinweisen, der seit der Barockzeit eine wesentliche, seit den großen Kasernenbauten des 19. Jahrhunderts aber eine gravierende Rolle für Wirtschaft und Bevölkerung de!" damaligen kleinen Stadt gespielt haben. Besonders wertvoll sind im bürgerlichen Bereich die Bestände, die das Welser Museum aus der Sammlung Krackowizer besitzt. Der gebürtige Weiser Dr. Ferdi nand Krackowizer (geb. 1844), der fast neunzigjährig in Linz starb, wo er das Oberösterreichische Landesarchiv einge richtet hatte, pflegte in langen Jahren eine vielfältige Sammeltätigkeit, wobei er als Ernte in großem Maße solche Dinge einbrachte, die von jedem anderen als zu wenig bedeutend und zu geringfügig an gesehen worden sind. Ein großer Teil davon gelangte im Laufe der Zeit, meist durch die Hilfe mäzenatischer Bürger der Stadt, an das Museum und bildet darin einen besonderen Sammiungsbestand. Das Material stammt im wesentlichen aus dem Raum zwischen Salzburg und Linz

und kann daher eine gewisse Überreglonalltät beanspruchen. War diese Samm lung, die durch die Sammlung Dr. Johann Schauer, eines der erfolgreichsten Bür germeister der Stadt, abgerundet und ergänzt worden ist, schon in früheren Jahren das Ziel einiger weniger Kenner, so soll nun der Bestand bevorzugt wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Der Welser Rotary-Glub hat sich an die Aufgabe gewagt, vielleicht ist er in seinem Unternehmen dadurch bestärkt worden, daß auch andere Kreise sich die Neugestaltung und Wiedergewinnung der maximilianeischen Burg vorgenommen haben. Eine Schülerinitiative, die in die ser Richtung ging, ist zwar im Augen blick verstummt, doch ist zu hoffen, daß auch dieser Plan des Jubiläumsjahres 1976 noch nicht beiseite gelegt ist. Ein Zwischenerfolg ist hier schon jetzt zu verzeichnen, nämlich die Tatsache, daß bei den Säuberungsarbeiten im West flügel der Burg eine geschnitzte Holz decke aus der Zeit des ,,Letzten Ritters" zutage gekommen ist. Es mag sein, daß dieses Faktum, das auch für die Bau geschichte der Burg ihre Folgerungen nach sich zieht, in der Öffentlichkeit noch weitere Wellen schlagen wird. Wenn wir nun bei den Problemen musea ler Art angelangt sind, die sich um die Welser Burg und ihre museale Verwen dung schlingen, so geht es nicht an, das Welser Landwirtschaftsmuseum zu ver gessen, auch wenn es derzeit in der depotartigen und nun etwas verstaubten Aufstellung, in der es sich befindet, im kulturellen Leben der Stadt keine Rolle spielt. Man muß wohl sagen, völlig zu Unrecht! Denn mit dieser Sammlung, die mm Stadtarchiv Wels, Ältestes Stadtsiegel aus dem 15. Jahrhundert. Foto: Stadtarchiv Wels hier in Wels, zu einer Zeit, da die nostal gische Welle das primitive Bauerngerät noch nicht zum Mittelpunkt vielfacher privater Sammeltätigkeit gemacht hatte, gelang dem seither verstorbenen Mu seumsdirektor Prof. Dr. Gilbert Trathnigg mit unvergleichlich geringen Mitteln die Sicherung eines durchaus beachtlichen Bestandes. Leider blieb er nach dem Tode Trathniggs ohne weitere Entwick lung und fast ohne Pflege, zumal meh rere Pläne einer Neuorganisation bisher nicht verwirklicht werden konnten. Man mag die Frage stellen, ob dieser Bestand zur Geschichte von Wels oder wenig stens für die Kulturgeschichte der Stadt überhaupt eine Bedeutung besitzt. Faßt man den herkömmlichen Begriff von Wels als einer Bauernstadt, als eines Zen trums für eine mehr oder minder weither einziehende bäuerliche Bevölkerung ins Auge, so wird man die Frage nicht ver neinen können. Berücksichtigt man die Tatsache, daß das vorhandene Material zum allergrößten Teil aus der unmittel baren Umgebung und aus dem Bezirk Wels stammt, so wird man weitere Vor behalte beiseite legen müssen. Gelingt es, die schon erwähnten Sammlungen aus dem bürgerlichen und kleinbürger lichen Bereich, die eine der Besonder heiten des Welser Museums bilden, ent sprechend darzubieten, so scheint es, daß als Gegenstück die bäuerliche Welt mit den Werkzeugen einer kaum zeit gebundenen, wenn auch nunmehr über holten Technik in diesem Welser Burg museum eine ebensolche Attraktion bil den könnte, wie sie durch das Museum der Vor- und Frühgeschichte ebenfalls erzielt werden muß. Stadtarchiv Wels, Welser Stadtsiegel von der Panncharte (Freiheitenbuch), 1574. Foto: Stadtarchiv Weis

Die Erwartungen, die wir in dieser Hin sicht hegen, spannen sich um so höher, als diese Sammlungen von einer Reihe anderer Bestände flankiert werden, die den Welser Beständen eine einmalige Vielfalt geben. Wir erinnern daran, daß in der Welser Burg die Gebildbrot-Samm lung von Prof. Ernst Burgstaller lagert, in Anlage und Umfang ein einmaliger Be stand, dessen Wert durch die Stiftung der volkskundlichen Bibliothek Professor Burgstaliers an die Welser Sammlung noch erhöht worden ist. Durchaus in die gleiche Richtung geht eine neu einge richtete Abteilung, die bei Erscheinen dieser Zeilen schon eröffnet ist, das Mu seum der Heimatvertriebenen, für die Wels seit Jahren die Patenschaft über nommen hat, und die nun das boden ständige Kulturgut in einer überaus wert vollen Richtung bereichert. Daneben kann das Welser Messe-Museum, eine Sammlung aus der bald hundertjährigen Geschichte dieser wirtschaftlich wichti gen und ungemein volkstümlichen Ver anstaltung, genannt werden, die mit der Jahreszahl 1978 sicherlich neue Impulse gewinnen wird. Wir stehen damit wieder bei den Fragen, die wir eingangs aufgeworfen haben. Der geringste Teil der Welser von heute, die das Leben und die Geschichte dieser Stadt bestimmen, ist in Wels geboren. Kann dieser Bevölkerung überhaupt eine Tradition zugemutet werden? Die Auf gabe einer Inbesitznahme zahlreichen und wertvollen Kulturgutes, das nach dem Jubiläumsjahr 1976 zum Teil schon dargeboten wird und dessen anderer Teil dringend nach entsprechender Darbie tung verlangt, steht vor uns. Es gilt nun, mm i ; '■> Oben: Tonmodel einer Ofenkachel, 16. Jahrhundert, im Stadtmuseum Wels. Foto: Bundesdenkmalamt Wien Rechts: Drei Zukunftkrüge aus dem Stadtmuseum Wels. Foto: Stadtmuseum Wels

Stadtmuseum Wels, Epitaphrellef, 2. Hälfte 16. Jatirhundert, Anbetung des göttlictien Kindes. Foto: K. Zaglmayr Unten: Stadtmuseum Wels, Rellefgrabsteln mit ttiematlscfier Gegenüberstellung des Alten und Neuen Bundes. Foto: Bundesdenkmalamt Wien und es mag keine kleine Aufgabe sein, die wirtschaftliche Effizienz einer tätigen Stadt in kultureile Erlebnisse zu über tragen. Ebenso wie das Stadtbild nicht nur aus seinem vieigerühmten Stadtpiatz mit seinen schönen, buntgefärbelten Fas saden besteht, sondern auch aus dem, was sich dahinter abspielt, ebenso wie die Neuviertel der ,,Gründerzeit" von Weis, den Jahrzehnten vor dem ersten Weltkrieg, ihre Schätzer und Gestalter gefunden haben, so gilt es die moderne Entwicklung einzubeziehen. Der Kern und Mittelpunkt aller Epochen aber scheinen uns die reizvollen Zeugen aus vergangenen Tagen zu sein, derer Wels nicht wenige und in sehr eigentümlicher Auswahl besitzt. Bei allen Bestrebungen, die Stadt liebenswert und lebenswürdig zu machen, sollten sie eine große Rolle spielen. Literatur: Literatur zu den Welser Sammlungen findet sich In erheblichem Umfang im Jahrbuch des Musealvereines Wels, Insbesondere von Walter Aspernig in Band 18 bis 20, Ernst Burgstaller In Bd.2(1955), Kurt Holter in Band 5, 6,8, 12, 16 und 17, Wilhelm L. Rieß in Band 14 (mit Ines Fasthuber), 17, 18, 19 und 20, Gilbert Trathnigg In Band 4 (1957), und 5 bis 16. Zur Jubiläumsfrage: E. Zöllner, 1000 Jahre Österreich? (Die Babenberger und ihre Epoche) Almanach der österr. Akademie der Wissenschaften, 120. Jg. (1976) Sonderdruck. Wien 1976.- E. Trinks, Wels Im Jahre 776 (1.) Jahrbuch des Musealvereines Wels, Wels 1954, S. 25 bis 42. 9f >f •i'iit'r/ff P";

Die soziale Schichtung der Bewohner von Weis im späten Mittelalter^ Walter Aspernig Die Gesellschaft der mittelalterlichen Städte war vorerst nach rechtlich verfas sungsmäßigen Merkmalen (verschiedene Abstufungen von persönlicher Freiheit, Differenzierung durch Privilegien für ein zelne Familien und ganze Gruppen)stän disch geordnet. Erst mit der allgemeinen Durchsetzung des römischen Rechts im späten Mittelalter und dem damit verbun denen Emanzipations- und Demokratisie rungsprozeß v/urden die ständischen Un terschiede in den Städten weitgehend ge mildert und abgebaut. Die bürgerliche Freiheit setzte sich durch. Mit diesem Ab bau ständischer Unterschiede trat nun mehr in den spätmitteialterlichen Städten eine gesellschaftliche Schichtung hervor, die ihre Differenzierung vor allem nach sozio-ökonomischen Wertmaßstäben er fuhr. Der Sieg der Geldwirtschaft, der wachsende Flandel und die damit ver bundene Vermögensvermehrung der städtischen Bewohner waren weitere Fak toren dieser Entwicklung. Stärkere verti kale Mobilität, das heißt vermehrte Mög lichkeiten des sozialen Aufstiegs, war eine der wichtigsten Auswirkungen die ser sozialen Umwälzungen. Da diese horizontalen Schichten nicht im mer klar voneinander getrennt werden können und oftmals fließend ineinander übergehen, ist nur eine allgemeine Ein teilung in Ober-, Mittel- und Unterschich ten sinnvoll. Die in den Urkunden des Spätmittelalters genannten ,,Bürger zu Wels" gehören der Ober- und Mittelschicht der Stadt an. Zwar hatte der Bürger durch Steuern, Wacht- und Wehrdienst Belastungen auf sich zu nehmen, die allerdings durch rechtiiche, wirtschaftliche und auch per sönliche Vorteiie mehr als kompensiert wurden. Da dieses Bürgerrecht bei ge wissen personellen und vor allem finan ziellen Voraussetzungen erkauft werden konnte, fällt es als Standesmerkmal weg. Als soziales Unterscheidungsmerkmal ist der terminus „Bürger" daher ledigiich als Abgrenzung gegenüber der Unterschicht eindeutig verwendbar. Wir müssen des halb andere Merkmale, vor allem die rechtliche, wirtschaftliche und politische Stellung (Beruf, Besitz, Amt) der einzel nen Bewohner der Stadt Wels, näher un tersuchen, um eine genauere soziale Zu ordnung vornehmen zu können. Etliche Angehörige des oberösterreichi schen Adels besaßen Häuser und Grund stücke in Wels, ohne deswegen der Wel ser Bewohnerschaft zugerechnet werden zu können. Solche Objekte hatten zeit weilig die Herren von Walsee, die Grafen von Schaunberg, die Jörger, die Ofen von Schmieding,die Perkhaimer von Würting, die Geumann, Oberhaimer, Innerseer, Schernheimer, Prager, Hohenfel der u. a. inne, die ihren Wohnsitz auf den Burgen um Wels hatten und ihre Stadt häuser meist nicht selbst bewohnten, sondern vermieteten oder verpachteten. Auch die Klöster Lambach und Mondsee und die Pfarrer von Thalheim, Gunskirchen, Atzbach und Hofkirchen erwarben Häuser in Wels^. Diesem Ausverkauf von Welser Häusern und Grundstücken an den Adel versuchte die Stadt immer wieder entgegenzuwir ken, da die Prälaten, Edelleute und Prie ster für ihren Besitz Freiheiten zu erwir ken versuchten und nicht mit den Bür gern ,,mitleiden" wollten. (Steuer, Wacht und Verteidigung, Einquartierungen). 1491 versuchte Kaiser Friedrich III. auf Drängen der Bürger den Verkauf von Lie genschaften an Adelige überhaupt zu unterbinden^. Die den Verkäufern ange drohten Strafen dürften jedoch kaum ab schreckend gewirkt haben. Während solche Adelige für Wels wenig leisteten, ja der Stadt oftmals Schwierig keiten bereiteten und ihr zur Last fielen, finden wir Mitglieder des Kleinadels der Welser Umgebung, die ihr ritterliches Le ben aufgaben, sich in Weis ansiedelten, das Bürgerrecht erwarben und mit der hier ansässigen Oberschicht verschmol zen. Zu diesen zählen etwa die Urtaler (Auertaler), die einen Rittersitz bei Sattledt innehatten, die Aiterbacher, deren Stammburg unweit westlich der Kirche von Schauersberg stand, oder die Ritzen dorfer, deren Heimat bei Steinerkirchen an der Traun lag. Die Gründe für ein sol ches Überwechseln in den Bürgerstand sind meist nicht bekannt. Die des Martin Oberheimer, eines Sprosses der seit dem 14. Jahrhundert in Oberösterreich stark verzweigten Ritterfamilie der Oberheimer, in deren Besitz sich die Schlösser und Herrschaften Affnang, Gröbming, Parz, Tegernbach, das halbe Etzlsdorf, Irnharting und Pernau an der Traun befanden, kennen wir. Dieser Oberheimer war 1476 durch seine Heirat mit Barbara, der Witwe Marx Treitlkofers, als dessen Nachfolger vom Abt zu St. Peter in Salz burg mit der Verwaltung des klösterli chen Urbaramtes Breitenau (Pfarre Pen newang) betraut worden. Wegen finan zieller Unregelmäßigkeiten (Veruntreu ung von 250 Gulden) verlor er im Jahre 1514 seine Existenzgrundlage". Darauf hin erwarb er ein Haus in Wels (Schmidt gasse 30)= und das Welser Bürgerrecht'. Andere vornehme Familien, wie die Schick und vor allem die Haunold, sind alteingesessen und besaßen neben ihren Häusern und Grundstücken in der Stadt zahlreiche Bauernhöfe und Zehente auf dem Land sowie Burgen in der nächsten Umgebung von Weis. Den ersteren ge hörte ein ,,Purgstal" beim Bruckhof in Thalheim' (heute Bruckhofvilla, Unter schauersberg Nr. 1), die Haunold besa ßen die Burg Haunoldsegg (im Gelände der heutigen Knorrfabrik) als Lehen von der Herrschaft Ort' und das Schloß Dietach als Kremsmünsterer (später landes fürstliches) Lehen'. Die Mitglieder der Welser Oberschicht des Spätmittelalters waren aber keines wegs nur adeliger Herkunft. Es gab auch Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs durch Einheirat in die etablierten Ge schlechter, durch besonderen wirtschaft lichen Erfolg oder Bewährung in landes fürstlichen Diensten. Als Beispiel sei hier angeführt, daß die Einheirat des Peter Motschier aus Ried (im Traunkreis?) in die Welser Bürgerfamilie Marichholz die sem eine gesunde wirtschaftliche Basis und damit auch den Aufstieg in höchste städtische Ämter brachte'". Ein Zweig der Familie Tätzgern, die damals in Kirch dorf an der Krems in hohem Ansehen stand, kam durch Heirat Mitte des 15. Jahrhunderts nach Wels und über nahm hier bald städtische und iandesfürstliche Ämter (Lichtmeister, Stadtrich ter; Hoffischrichter)". Der Aufstieg der Familie Erdinger spiegelt die große Ziel strebigkeit und wirtschaftliche Dynamik einzelner Welser Bürger wider. Parallel zum wirtschaftlichen Erfolg verlief die städtische Ämterlaufbahn. Den wirtschaft lichen, politischen und geseilschaftlichen Höhepunkt erreichte dieses Welser Bür gergeschlecht um die Mitte des 15. Jahr hunderts. Er wird deutlich markiert durch eheliche Verbindungen zweier Familien mitglieder zum niederen Ädel. Genau so schnell allerdings vollzog sich der Äbstieg der Erdinger in der zweiten Jahr hunderthälfte. Mangel an männlicher Nachkommenschaft, plötzliche Todesfälle und das Äbgleiten eines Familienmit glieds in verbrecherische Machenschaf ten vernichteten rasch das mühsam Er reichte und führten zum Verschwinden der einst so angesehenen Familie aus Wels". Schwierig ist es oft, Kriterien anzugeben, die eine Zuordnung von Welser Bürgern zur Ober- oder Mittelschicht erlauben. Ein Charakteristikum für die Oberschicht war zweifellos der wirtschaftliche Reich tum, der die Voraussetzung für die Äufnahme in den Stadtrat und andere wich tige Ämter bildete. Verarmung hingegen

führte zum Verlust solcher Ämter'^. Solche Vorgänge lassen sich etwa am Schicksal der Familie Haunold ablesen, die Ihre wirtschaftliche Blüte zwischen 1350 und 1430 erlebte. Parallel dazu fin den wir Mitglieder dieser Familie zwi schen 1356 und 1411 Immer wieder als Stadtrichter und Im Stadtrat. In der fol genden Zelt des Niederganges begegnet uns kein Flaunold In ähnlichen Positio nen. Erst Anfang des 16. Jahrhunderts erlebte dieses Geschlecht, das damals In Niederösterreich (St. Peter In der Au, Flaghof, Ybbs) In landesfürstllchen Dien sten neu aufblühte, mit Flleronymus Hau nold auch In Wels eine kurze Renais sance. Die wirtschaftliche Basis dieser Familien bildeten einerseits Ihr Beruf, andererseits die erworbenen Grundrenten. Die mei sten Mitglieder der Oberschicht waren Kaufleute, Händler und Wirte. Ihre Han delsbeziehungen reichten weit über den oberösterreichischen Raum hinaus. Über die sicherlich ausgedehnten Handelsrei sen von Welser Bürgern fehlen für diese Zelt weltgehend Nachrichten, doch wis sen wir, daß sich einige Welser am Donauhandel beteiligten und Mitglieder der Familie Haunold über den Arlberg reisten. Bevorzugte Handelsobjekte wa ren Getreide, Wein, Vieh, Holz, Tuch, Salz, Gewürze und anderes mehr. Man che Welser Bürgerfamlllen (Schick, Erdlnger) besaßen sogar Weingärten bei Klosterneuburg und In der Wachau, die sicherlich nicht allein zur Deckung Ihrer ,,Hausnotdurft" dienten. Die großen Wohnhäuser dieser reichen Handelsbürger lagen durchwegs In der Stadt, meist am mittleren Stadtplatz („Kornmarkt") und In der Traungasse. Sie waren Im Spätmittelalter bereits aus Stein auf langgestreckten, lußartigen Parzellen Im gotischen Stil erbaut. Dabei stand das Wohnhaus (mit Verkaufsladen) am Platz (an der Straßenfront), während dahinter ein Hof lag, von Speichern oder Magazi nen begrenzt, und auch von der Frelung bzw. MInorltengasse zugänglich. Dane ben besaßen sie oft weitere Häuser In der Stadt und In den Vorstädten (vor al lem am ,,Neustadtplatz", heute Kalser-Josef-Platz)sowie etliche Grundstücke(Gär ten) Innerhalb des Burgfrleds. Darüber hinaus besaßen sie Bauernhöfe, Über dienste und Zehente auf dem Land. Die Höfe überließen sie Bauern zur Bewirt schaftung (meist zu Erbrecht), die den Besitzern Abgaben In Form von Geld und Naturallen abzuführen hatten. Mit solchen Grundrenten konnte das Handelskapital aufgestockt und das Handelsvolumen vergrößert werden, wodurch beachtliche Vermögen entstanden. Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Welser Oberschicht Ist der Zusam menschluß In der ,,Kramerzeche" (später Bürgerzeche), die 1394 erstmals urkund lich aufscheint^". Es handelt sich hier um keine Handwerkerzunft — auch solche Zünfte wurden In Wels ,,Zechen" ge nannt -, sondern um einen genossen schaftlichen Zusammenschluß vor allem von Händlern (,,Kramern") mit gesell schaftlichem und religiösem Charakter. Leider können wir Im 14. und 15. Jahr hundert nur wenige Familien (Haunold, Wechsler) als Mitglieder dieser Bruder schaft nachweisen, doch nehmen wir an, daß sich alle vermögenden Welser Han delsbürger In diese eingekauft haben. Ein erstes MItglledsverzelchnls der „Prueder und Swester der erbern Zech der Burger zu Wells" Ist für die Zelt von 1514 bis 1516 vorhanden'^ und enthält 18 „alte" Mitglieder (darunter die Haunold, die be reits 1399 die Kramerzeche mit der Aus richtung einer Jahrtagsstiftung betrau ten^' und somit schon vor diesem Jahr derselben angehörten) sowie 29 weitere Personen, die sich allerdings erst unter dem damaligen Zechmeister Hans Öder eingekauft haben. Schwierig Ist es, die Zahl jener Familien abzuschätzen, die diesem Kreis der Wel ser Oberschicht zuzurechnen Ist. In der Zelt von 1332 bis 1500 sind uns die Stadt richter für 117 Jahre namentlich be kannt". Sie entstammten lediglich 24 Welser Bürgerfamlllen, die untereinan der versippt waren. Diese Zahl verdop pelt sich durch die Hinzuzählung jener Ratsbürgergeschlechter, die noch nicht In obiger Zahl enthalten sind, wobei aller dings zu berücksichtigen Ist, daß die Quellen des 14. Jahrhunderts nur wenige Ratsbürger nennen. Ist schon eine Darstellung der Welser Oberschicht des späten Mittelalters mit großen Schwierigkelten verbunden, so gilt dies In vermehrtem Maße für die Mittel- und Unterschicht. Die Quellenlage Ist mehr als unbefriedigend. .J 4^« m , r 4,- lÖrl

Der romantische Wasserturm in Wels, Rest der alten Stadtbefestigung mit ornamentaier und heraidischer Renaissance Fassadenmaierei, die 1927 und 1954 rekonstruiert wurde. Foto: M. Eiersebner Unten: Wels, Stadtplatz 39, ehemaliges adeliges Stadthaus (Weiß'sches Freihaus) aus 1589 mit sehenswerter Renaissancefassade. Foto: M. Eiersebner Linke Seite: Wels, Stadtplatz 24, sogenanntes ,,Haus der Salome Alt", spätgotischer Eckerker aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, eines der bedeutendsten Baudenkmaie der Renaissance in Oberösterreich, aite Ansicht und gegenwärtiger Zustand. Beide Fotos: M. Eiersebner Die Mittelschicht der Welser Bevölkerung war keineswegs einheitlich. Wenn sie auch vorwiegend aus Handwerkern be stand, so gab es im Spätmittelalter doch große Unterschiede in dem durch Spezia lisierung weit aufgefächerten Spektrum der handwerklichen Berufe. Die älteste Aufzählung von in Wels ansässigen Be rufen gewinnt man aus den Bruckamts rechnungen der Jahre 1350 und 1355, wo Fleischhacker, Schneider, Kürschner, We ber, Färber, Schuster, Schmiede, Klin genschmiede, Kaltschmiede, Ziegelbren ner, Maler, Zimmerleute, Wagner, Fi scher u. a. genannt werden''®. Das Wel ser Zunftwesen stand in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in voller Blüte. Es ist zwar ein reiner Zufall und doch irgendwo für diese Zeit charakte ristisch, daß urkundlich die Bäcker knechtezeche 1377 als erste Welser Zunft erwähnt wird und die Bäckermei sterzeche erst 1405 aufscheint. Auch die Schuster, Lederer und Fleischer, die Weber, Schmiede, Klingenschmiede, Mes serer, Schleifer, Kürschner und Bader wa ren im 15. Jh. in Zechen organisiert". Eine besondere Stellung nahm durch das im Jahre 1372 von den österreichischen Herzögen Leopold III. und Albrecht III. der Stadt Wels gewährte Holzhandels privileg (Stapelrecht für Holz) die Flößer zeche ein^°. Die Fischer hingegen unter standen dem landesfürstlichen Hoffisch gericht oder waren anderen Herrschaften untertänig und fallen daher für diese Un tersuchung weg. Ein wesentliches Merkmal für die Zuord nung zur Mittelschicht ist die durch fach bezogene Ausbildung erlangte Selbstän digkeit im Beruf. Nicht alle selbständigen Handwerksmeister besaßen das Bürger recht, das, wie oben bereits ausgeführt, nicht als schichtspezifisches Merkmal Verwendung finden kann. Charakteri stisch für die Zugehörigkeit zur Mittel-

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