Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 3, 1976

Freilichtmuseum Pelmberg (am Weg von Linz nach Hellmonsödt), Blick In die Stube als Beispiel der Mühlvlertler Bauernstuben. Foto: M. Elersebner durchfließt, ist eine richtige Sprach grenze. An dem einen Ufer sagen sie ,,Boan", am anderen, ein paar Meter weiter drüben, aber ,,Buin"; und das mag wohl auf die einstigen Besiedier zurück gehen, die damals aus unterschiedlichen Landschaften gekommen waren. Der Mühlvlertler hat die Erinnerung daran In seiner Sprache konserviert. Auffallend ist auch, daß das Mühlviertel heute noch für die Erzählforscher ergiebig und fündig geblieben ist. Karl Haiding konnte vor nicht allzu langer Zelt erst unerwartet viele Geschichtenerzähler ausfindig machen. Allein eine Auswahl der auf Tonband aufgezeichneten Sagen und Märchen reichte aus, um ein ganzes Buch daraus werden zu lassen. Fritz Winkler wiederum sammelte kürzlich erst genügend Stoff für zwei Bücher mit Sagen aus dem Böhmerwald. Den Reichtum an Geschichten und Erzählungen bestätigen die Sammlungen Karl Radlers, Max Hil perts, Anton Mittmannsgrubers und meh rerer anderer. Die Neigung, der Hang des Mühlviertlers zum Erhalten wie auch zum Überliefern, kann obendrein aus dem Vorhandensein heute noch mündlich mit geteilter „Erzähllieder" geschlossen wer den. Es sind strophenreiche Balladen, deren Sänger immer noch dankbare Zu hörer finden. Wenn hier vom Beharren und Bewahren die Rede ist, dann soll nicht der Eindruck erweckt werden, als ob die vorliegenden Zellen eine Art Raritätenschau sein woll ten. Ganz im Gegenteil! Unter meinen ,,erwanderten" Notizen habe ich gerade jene herausgesucht, die mich erst gar nicht in den Verdacht geraten lassen, Ich wäre bei Museumsbesuchen dazu ange regt worden. Der Mühlviertier, wie er leibt und lebt, steht vor mir. Ich höre ihn sprechen, sehe ihn mit gemächlichen Be wegungen über seine ,,steinreichen" Fel der gehen, Ich erblicke Ihn vor seinem Haus und in seiner Stube. Mich hat es Immer wieder verleitet, an gesichts eines Mühlviertler Dreikanters rasch ein Bild zu knipsen. Nun habe Ich schon eine ganze Schachtel davon und fürchte, daß sich eine zweite langsam zu füllen beginnt, denn die wie Apfel schimmel gefleckten Außenwände der Bauernhäuser hinterlassen jedesmal einen nachhaltigen Eindruck. Das so eigentümliche Gemisch von Granitsteinen mit kalkweißen Faschen — Steinbloß wird diese herkömmliche Bauweise genannt— drückt unserer Landschaft nördlich der Donau nun einmal einen markanten Stempel auf. Freilich, auch der Mühlviertler geht mit der Zeit und deckt die Gebäude seiner Anwesen nicht mehr mit Stroh, was unsereins vielleicht manchmal lieber sähe. Sicherer allerdings sind die neuen Materialien. Doch auch hier wieder: der Wandel zerstört keineswegs das ge wohnte Bild, denn auch das neue oder erneuerte Haus fügt sich meist der über lieferten Bausitte. Da sind immer noch die granitenen Türund Torwände, geziert mit dem Motiv des Lebensbaumes: eine Blüte, ein Zweig, ein Blumentopf. Nach wie vor bedienen sich die Steinmetze dieser segenbringen den Symbole und meißeln weiterhin die Initialen der Bauerseheleute samt Jahres zahl dazu. Auch viele Hoftore und Haus türen, die jetzt entstehen, haben Ihr Vor bild in den alten Sinnbildern gefunden, wo eine strahlende Sonne über Acker furchen aufgeht. Die sogar bei einschichtigen Höfen und Weilern noch anzutreffenden Glücks- und Heilszelchen sind Schrift und Sprache auf ihre besondere Weise. So betrachtet, ist es gestattet, eine Verbindung zu der bereits erwähnten Erzählfreude herzu stellen, die dem Menschenschlag im Nordwald eigen ist. An vielen Merkmalen, die scheinbar eigenständig und nur für sich da sind, entdecke Ich immer wieder zwingende Zusammenhänge. Es drängt mich dazu, im Wesen des Mühlviertlers eine beson ders ausgeprägte Eigenschaft zu finden; seinen ,,Stubensinn", wie ich seine Art gerne nennen möchte. Dieser vermutete Sinn würde mir nämlich seine Vorliebe für manches erklären: für das Erzählen von Erlebnissen, Sagen und manch ande ren Geschichten, für die Lust am Zusam mensitzen und „Roasen" mancher Art, womit ich dem wichtigen Kapitel ,,Gesel ligkeit" ein wenig vorgreife. Doch eben diese Eigentümlichkeit ist doch wohl nur

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