Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 3, 1976

Denkmalpflege Freistadt als Beispiel einer Altstadterhaltung Othmar Rappersberger 1975 war das Jahr des Denkmalschutzes. Mit seinem Wahlspruch „Der Vergan genheit eine Zukunft" wurde genau aus gesagt, worum es den Denkmaischützern schon immer gegangen ist: das Kultur gut aus der Vergangenheit hinüberzuretten in die Zukunft, das Erbe der ver gangenen Generationen weiterzugeben an die kommenden. Dieses Erbe der Vergangenheit ist bei uns in vieifäitiger und sehr unterschiediicher Art vorhanden, aber es ist nicht mehr überall anzutref fen. Durch Kriege und Notzeiten, durch mangelndes Verständnis und Hinfäiligkeit der Materie ist vieles verlorengegan gen. Wo durch ein gnädiges Geschick Kulturgut erhalten blieb, solite aber alles unternommen werden, es vor Zerstörung zu bewahren und in möglichst unverän dertem Zustand weiterzugeben. Freistadt hat sein mittelalterliches Stadt bild besser bewahrt als die meisten an deren Städte Österreichs. Wenn im ge stellten Thema von der Altstadt gespro chen wird, so ist damit immer der mittelaiterliche Kern gemeint, jene Zone also, die aus dem späten Mittelalter (13. bis 16. Jahrhundert) stammt und mit Ände rungen und Zusätzen des 17. bis 19. Jahr hunderts bis heute fast unverändert er halten blieb. Was sind nun in Freistadt die wesentlichen Kennzeichen dieser mittelalterlichen Altstadt und was soll da her erhalten werden? Die Gesamtanlage einer mittelalterlichen und gegründeten Stadt ist selten so gut erkennbar wie in Freistadt. Die mittel alterlichen Städte sind ja nicht alle auf die gleiche Weise entstanden, sie unter scheiden sich daher in ihrem Aussehen und in ihrer Anlage sehr deutlich vonein ander. Die meisten Städte des Mittel alters sind ,,gewachsen". Die Häuser, Straßenzüge und Plätze sind mehr oder weniger willkürlichen, augenblicklichen Bedürfnissen entsprechend angelegt wor den. Rund um ein Kloster oder um eine Kirche, neben einem Handelsplatz oder bei einer Brücke wurden Häuser errich tet und bildeten schließlich einen festen Siedlungskern, der mit Befestigungsan lagen gesichert wurde. Freistadt dagegen ist eine gegründete Stadt, wahrscheinlich aus dem frühen 13. Jahrhundert, mit einem leicht erkenn baren polygonalen Grundriß, der sich der Natur anpaßt, mit einem planmäßig an gelegten rechteckigen Marktplatz und daran anschließender (Markt)kirche, mit Straßen, die zueinander fast parallel ver laufen, verhältnismäßig breit sind und die Ausbildung rechteckiger Häuserblöcke ermöglichten, die wieder für das mittel alterliche Kanalisationssystem, das sog. Reihensystem, wichtig waren, und mit einem Ring von Befestigungsanlagen rund um die Stadt, die ein Zusammen wachsen mit den anschließenden Vor orten verhinderten. So blieb der Kern der mittelalterlichen Stadt unversehrt er halten und ist heute ein ganz besonderes Merkmal von Freistadt. Die Befestigungsanlagen, die einst zum Schutz der Stadt und ihrer Bürger unter großen Opfern errichtet worden sind, blie ben fast vollständig, wenn auch in unter schiedlichem Zustand, erhalten. Von außen betrachtet, ergibt sich folgende Reihung: der Stadtgraben, der noch die ganze Stadt umschließt, an der Außenund Innenseite gemauert ist und so das Zuschütten und Bebauen verhindert hat. Die Außenseite dieses Stadtgrabens ist die sog. Manteimauer oder äußere Stadt grabenmauer, stellenweise 8 bis 10 m hoch, die innere Seite ist zugleich die äußere Stadtmauer, die ebenfails durch wegs erhalten geblieben ist. An diese äußere Stadtmauer schließt der Zwinger an, jener Raum, der zwischen äußerer und innerer Stadtmauer eingezwängt ist, früher völlig frei und unverdaut gehalten werden mußte, heute freilich nur noch an wenigen Stellen frei zugänglich und durch Zubauten, die teilweise sogar die Höhe eines Stockwerkes erreichen, nur noch schwer in seiner früheren Funktion er kennbar ist. Die innere Stadtmauer,eben fails 6 bis 8 m hoch,schließt den Zwinger an der Stadtseite ab. Sie ist nur noch an wenigen Stellen in ihrer ursprünglichen Höhe erkennbar (Scheiblingturm), in ihrer alten und massiven Substanz aber als Außenwand der an sie gebauten Häuser noch zum größten Teil erhalten. Diese Befestigungsanlagen erhalten ihre beson dere Note durch Befestigungstürme, die im Laufe der Jahrhunderte nach und nach gebaut worden sind und Freistadt als eine turmreiche Stadt charakterisie ren. Zu erwähnen sind die beiden präch tigen gotischen Stadttortürme, nämlich das wuchtige und düstere Böhmertor an der Nordseite und das durch sein hohes und steiles Giebeldach mit dem barocken Zwiebeltürmchen besonders eindrucks volle Linzertor an der Südseite, und die fünf anderen Festungstürme, der Weyrmühlturm und der Heimatbund (Bürgerkorps)turm aus dem 14. Jahrhundert, der Scheiblingturm und der Dechanthofturm aus dem 15. Jahrhundert und der Rat hausturm aus 1522. Verlorengegangen sind eigentlich nur zwei Türme: der ,,Turm im Winkel" an der Westseite und der Turm der alten Burg, die beide 1815 einer Brandkatastrophe zum Opfer fielen und nicht mehr aufgebaut wurden. Das alte Posttürl an der Südostseite der Stadt, einst der dritte Zugang zur Stadt, war eigentlich kein richtiger Turm, son dern nur ein Torbau. Einzelne Mauern im Stadtgraben, Pechnasen und Schieß scharten, Reste der Zugbrückeneinrich tung an den Stadttoren seien noch der Vollständigkeit halber erwähnt, weil sie ein besseres Verständnis der Verteidi gungsmöglichkeiten einer mittelalterli chen Stadt vermitteln. Ein besonderes Kennzeichen, für viele überhaupt das einzige Merkmal der mit telalterlichen Stadt und damit der sog. Alt stadt, sind die Gebäude, die innerhalb der Stadtmauern stehen und mit den Straßen und Plätzen eben die mittelalterliche Stadt darstellen. Es handelt sich dabei fast durchwegs um Häuser aus der spä ten Gotik, aus der Zeit nach den zwei großen Stadtbränden 1507 und 1516, von denen die meisten in der Renaissance und im Barock in ihrem äußeren Bild umgeformt wurden, neue Fenster- und Haustoreinfassungen erhielten oder sich mit den prächtigen, teilweise kunstvol len, immer aber phantasiereichen Ba rock- und Rokoko-Fassaden schmückten. Die Haussubstanz hinter der Fassade war dem Wandel des Zeitgeschmacks weniger unterworfen und blieb der Gotik verpflichtet. Wer in Freistadt Gotik sehen will, muß daher in das Innere der Häuser vordringen — bis zu den Innenhöfen mit ihren Säulen- und Bogengängen. Rund 150 Häuser dieser Art zählt die Stadt, jedes dieser Häuser ist für sich sehens wert, fügt sich aber auch in die Gesamt heit (,,Ensemble" ist dafür die neue Be zeichnung) harmonisch ein. Wenn von diesen Häusern einzelne her ausgegriffen werden sollen, dann a) die alte Burg, der spätere und noch heute so benannte Salzhof in der Salz gasse, ein wuchtiger Bau mit romani schen Elementen, von dem manche Hi storiker meinen, daß er wohl das älteste Gebäude der Stadt sei; b) das neue Schloß in der Nordostecke der Stadt aus dem 14. Jahrhundert, Sitz des landesfürstlichen Pflegers, schließ lich im 19. Jahrhundert, Kaserne, dann Wohnhaus, seit 1938 Sitz des Finanz amtes; es birgt in seinem prächtigen Schloßturm, dem wuchtigen Bergfrit, das Mühlviertier Heimathaus und in seiner gotischen Kapelie die größte Sammlung von Sandler Hinterglasbildern;

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