Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 3, 1976

Land der Hügel — mit Kirchen und Burgen Hertha Schober Immer wieder überkommt mich ein Ge fühl unsagbarer Sehnsucht, wenn ich von der Linzer Brücke auf die Hügelwelt des Urfahrer Beckens blicke, und ein großes Giücksgefühi erfaßt mich, bin ich im Mühiviertei unterwegs, auf seinen Stra ßen und Wegen, die durch waldrau schende Bachtäler führen — hinauf in iichttrunkene, oft auch windumwehte Höhen. Das Mühlviertel ist ein Land, dem man ais Ganzes immer wieder eine Lie beserklärung machen muß — aus tief innerster Überzeugung. Stets kann man Neues entdecken und es gibt Plätze, zu denen es uns oft und oft hinzieht, die nicht nur schön im Landschaftsbild, son dern auch bedeutend im geschichtlichen Abiauf sind. Fast immer sind es die Hügel, die die ausgeprägtesten Zeichen dieses Landesteiies tragen, die von fester Bodenverwachsenheit, tiefverwurzelter Frömmigkeit, stolz bewußter Grenzwacht und entschlossener Feindabwehr zeugen, die Bauernhöfe, die Kirchen und Burgen — Burgen sind sie letzten Endes alle, die Bauernhöfe, die Kirchen und die Befesti gungen, die heute allerdings oft nur mehr ais Ruinen erhalten sind. Sie alle erge ben die unverkennbare Silhouette des Mühlviertels. Sie allein schon spiegelt seine Geschichte wider, sie kündet von der Landnahme, von Rodung, Besiedlung und kirchlicher Betreuung, vom Kampf ums Bestehen und von der Freude am Gedeihen. Bayerische Adelige meist, zuweilen auch Klöster, erhielten Landstriche im großen Waldgebiet nördlich der Donau; sie schickten freie Dienstmannen mit Sied lern dorthin. Ein fester Sitz wurde errich tet, wenn er erst auch nur ganz klein und vielleicht bloß aus Holz gebaut war, wie z. B. die Feste auf dem Buchberg bei Lasberg, der eigentlich Burgberg heißen sollte; wir erkennen noch Reste des Burg weges, gesäumt von behauenen Steinen, man sieht noch Mauer- und Treppen reste, hat einige Scherben gefunden, die von Fachleuten der Kettiacher Keramik aus dem 10. bis 12. Jahrhundert zugeord net werden - diese Datierung paßt auch in die Besiedlungszeit jener Gegend, denn Lasberg wird urkundlich erstmals 1122 genannt. Mit fortschreitender Besiedlung wurde eine Burg fest aus Stein gebaut, wurde vergrößert, allenfalls an einen günstige ren Standort verlegt, wie wir es z. B. ebenfalls von Lasberg wissen, denn der heutige Pfarrhof war die zweite, etwas spätere Burg des hier ansässigen freien Geschlechtes; hier wurde die Wehran lage, was seltener der Fall war, in den Ort, bzw. an dessen Kopfende verlegt. Zuerst aber mußte in ihrem Schutz das umliegende Land gerodet werden, wurde aufgeteilt, damit überhaupt eine Ortschaft entstehen konnte. Diese Ortschaften wiederum und die schon sehr früh bestehenden Handeis wege, Saumpfade waren es, die durch das Mühiviertei nach Böhmen führten, um vor allem das begehrte Salz dort hin zu bringen, ergänzten sich, zo gen sich gegenseitig an. Wir wissen von etlichen alten Wegen, die an günstigen Landestellen der Donau ihren Ausgang nahmen und dann, keine Höhenunter schiede scheuend, wohl aber Flußüber gänge nach Tunlichkeit meidend, ziem lich direkt nach Norden führten, in ihrem Verlauf finden sich die ältesten Siedlun gen, früh genannt in den Urkunden, kenntlich auch durch typisch frühe Heilige ais Kirchenpatrone. Da gibt es z. B. den alten Scheffweg von der Donau bei Landshaag zur Mol dau nach Friedburg. Gleich am Beginn des Weges mußte in kurzer Zeit ein Höhen unterschied von fast 300 m überwunden werden, um nach St. Martin zu gelangen, das in einer Seehöhe von 549 m liegt. Die Ortschaft selbst ist aufsteigend am Hang gewachsen und auf dem höchsten Punkt steht die dem alten fränkischen Heiligen geweihte Kirche; reizvoll ist der überwölbte Stiegenaufgang. Frei ins Land schauend, steht das Gotteshaus da, um geben von den Gräbern all jener, die einst hier aus- und eingegangen sind. Haube und Laterne des nach einem Brand 1741 umgebauten Turmes erinnern an die Stiftskirche des Klosters St. Flo rian, dem die Pfarre inkorporiert ist. Von außen zeigt sich das Gotteshaus barockisiert, im Innenraum lebt jedoch die Gotik in Gewölben und Pfeilern, in den pracht vollen,frühen Glasfenstern weiter. Kurz nur neigt sich der Weg nun tal wärts, wo einst die Säumerkirche Sankt Nikola stand; bereits 1142 wird sie ur kundlich genannt, die Josephinische Kir chenaufhebung überstand sie nicht, sie wurde damals abgetragen. Nicht ganz so schlimm traf das Schicksal, 1785, St. Ulrich, die nächste Höhenkirche, die 630 m hoch liegt. Hier wurde nur das Langhaus abgetragen, der Chor raum blieb als Ortskapelle erhalten und genützt, von Besuchern kaum wahrge nommen,zu unscheinbar, auch lange Zeit zu reparaturbedürftig, im vergangenen Jahr wagte man sich endlich an eine gründliche Renovierung des Gebäudes, wie auch der Plastiken und nun ist die St. Uirichkapelle zu einem kulturhistori schen Kleinod geworden. Außer der Kir che stand hier einst auch auf der Höhe eine Burg der Blankenberger; sie dürfte, so wie die ursprüngliche Kirche, in den Hussitenkriegen zerstört worden sein. Uber Schöffau geht es weiter bergauf nach St. Peter - und wieder ist die Synthese von Gotik und Barock, hier auch im Innern, spürbar, wieder können wir auf den alten Kirchenpatron, die frühe urkundliche Nennung und die Zer störung durch die Hussiten hinweisen. Sie haben ja alle ziemlich dasselbe Schicksal erlebt, diese Orte an der Han deisstraße, sie ähneln sich in ihrem Bau, in ihrer exponierten Lage. Dazu gehört noch St. Stephan in seiner luftigen Höhe von 807 m, die Höhe doppelt spürbar, da man zwischendurch zum einzigen nen nenswerten Flußübergang ins Tal der Steinernen Mühl absteigen mußte. Auf dem Weg dorthin kommen wir am Genghof vorbei, einem prachtvollen, weithin sichtbaren Bauernhaus, ganz früh in den landesfürstlichen Urbaren genannt, viel leicht einmal ein kleiner Adelssitz, auf alle Fälle später für lange Zeit Zehenthof der öder. Im Keller dieses Hofes befand sich bis vor wenigen Jahren ein Brunnen, ebenfalls ein Merkmai hohen Alters; ein Erdstail soll hier seinen Anfang genom men haben. Hier heroben in St. Stephan ist es heute noch ziemlich einsam, die Orte, die Bauernhöfe liegen nicht mehr so nahe beisammen und man kann sich gut vor steilen, daß früher, ais eben erst wenig gerodet, besiedelt war im großen Wald, jede dieser Niederlassungen einen Orientierungspunkt auf dem weiten Weg bedeutete. Auch St. Stephan weist allein schon durch seinen Namen auf eine frühe Gründung - diese Kirche wird 1147 urkundlich ge nannt -, ihr Bau ist auch heute noch vorwiegend gotisch bestimmt. Ist es Zufall, daß alle diese Orte den Namen eines Heiligen führen? In der Mundart unseres Landes nicht mit St., sondern mit dem noch immer nicht voll geklärten ,,gad" versehen: gad Mertn, gad Stephan, wie auch gad Hans für St. Johann am Wimberg. Gewiß kein Zufall ist es, daß entlang dieses Saumpfades, nur wenig abgerückt von ihm, viele der alten, auf Hügeln in mitten ihrer Felder liegenden Bauern höfe zu finden sind, stolze Einzelhöfe, manchmal auch ihrer zwei, die sich hier zusammengetan haben. Sie führen den Namen -dorf oder haben echte -ing Namen.

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