Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 3, 1976

Hermann Heinz Ortner — Eine Dichterpersöniichkeit aus dem Mühiviertei 1895-1956 Alois Großschopf Die moderne Literaturwissenschaft ak zeptiert wohl den Lebensgang eines Dichters als Hilfe und Aufklärung für das Wortkunstwerk, im großen und ganzen aber wird das Werk mit Recht als das entscheidende Kriterium angesehen und behandelt. Es gab eine Zeit, wohl als Gegenreaktion auf die Milieutheorie des Naturalismus, In der gewisse Germa nisten vom Leben eines Dichters nichts wissen wollten und nur das Werk, Im Sinne einer art pour 1' art, gelten ließen. Ich erinnere mich noch genau einer Se minarübung, in der ein Kommilitone sein Referat wie folgt begann; „Wenn wir das Werk unseres Dichters verstehen wollen, müssen wir uns zunächst mit seinem Le ben auseinandersetzen." Daraufhin be kam der Seminarleiter einen Tobsuchts anfall, unterbrach den Referenten und verwies ihn mit einem „Nicht genügend" auf seinen Platz. Ich habe in der Folge diesen Mann nicht mehr gesehen, wahr scheinlich hat er die Universität gewech selt. So unduldsam war man damals In der Literaturtheorie. Wenn wir nun das Leben und Werk Hermann Heinz Ortners betrachten, werden wir bald gewahr, daß das eine vom anderen nicht zu trennen ist. Es wäre auch widersinnig, hier theo retische Trennungen zu vollziehen, ist doch das Werk eines Dichters aus sei nem Körper geflossen und sein Hirn ge hört eben zum ganzen Menschen, der sich keine Sekunde von seiner Gesamtfunk tion herauslösen kann. Der Kurort Bad Kreuzen im Mühlviertel ist der Geburtsort Hermann Heinz Ort ners, wo er am 14. November 1895 zur Welt kam. Eine gewisse Wohlhabenheit mag schon den ersten Lebensjahren eine Geborgenheit gegeben haben, denn sein Vater war Kaufmann und die aus Mün chen stammende Mutter fügte sich als tüchtige Frau in den Stand der Familie. Während der Volksschuljahre in Bad Kreuzen (1901 bis 1906) hatten die Eltern noch die schützenden Hände über dem überlebhaften Sohn, aber nach der Volks schule begann für sie eine schwere Zeit. Nachdem Hermann Heinz Ortner bei der Aufnahmeprüfung als Sängerknabe des Stiftes Kremsmünster durchgefallen war, trat er in das bischöfliche Gymnasium in Linz ein (1907). Dort litt es ihn nur ein Semester lang. Die nächste Station war die Volks- und Hauptschule in der Spittelwiese in Linz. Auch diese Schule mußte er nach der zweiten Klasse verlassen. Es wird lediglich vermeldet, daß es ,,Bu benstreiche" gewesen seien, die ihm eine Aufnahmesperre für jede andere Schule in Linz einbrachten. Die schützenden Hände der Eltern in Bad Kreuzen, wo er wiederum die Volksschule besuchte, schienen nicht mehr ausgereicht zu ha ben, den unbändigen Buben zu zähmen. So blieb denn nichts anderes mehr übrig, als die Einweisung in die Besserungs anstalt Volders in Tirol. Zwei Monate hielt H. H. Ortner durch, dann floh er aus der Anstalt. Im Jahre 1909 brachten ihn die Eltern in den Marienkonvikt nach Freistadt und dort vollzog sich unter dem Eindruck des Marienkultes eine tiefgreifende Wand lung. Hermann Heinz wurde Vorzugs schüler und brachte nach Jahren zum ersten Male wieder Freude in die Familie. Es kamen jedoch wieder Zwiespalte. Der Vater war für die Militärlaufbahn, während Hermann Heinz Maler werden wollte. Am Ende setzte aber die praktisch denkende Mutter ihren Willen durch:Ortner kam wie der nach Linz und besuchte einen auf sechs Monate anberaumten Handelskurs. Er wurde ein eifriger Besucher des Lin zer Landestheaters und kam immer mehr in den Bann der großen dramatischen Dichtkunst. Er nahm bei dem Regisseur Anton Freytag Schauspielunterricht, trat dem Linzer Männergesangsverein bei und kam somit auch in den Opernchor. Nachdem er am Linzer Landestheater als Choreleve gewirkt hatte, sehen wir Ort ner 1914/15 bereits als zweiten jugend lichen Helden und Liebhaber am Stadt theater zu — Iglau. Die Klein- und Kleinsttheater befanden sich immer In der Nähe des Pleitegeiers, aber das rührige Völkchen begeisterter Schauspieler holte sich dort die ersten Sporen für die große Welt des Theaters. Wer in Iglau, Steyr, Braunau am Inn, Marlenbad in Böhmen, Teschen, Pilsen (an all diese Stationen hatte es Ortner verschlagen) engagiert war, lernte alles, was im Theater gebraucht wurde. Geleitet wurde eine solche Bühne in der Regel von einem genialen Schmieristen, der trotz aller Nöte seinem Beruf mit Leib und Seele verfallen war. Hier lernte Her mann Heinz Ortner das Theater innen und außen kennen. Im Sommer 1919 finden wir ihn bereits eine Stufe höher, In der Tuchmacherstadt Reichenberg in Nordböhmen. Er kehrte nach Iglau zurück, erkrankte und fand Zuflucht In Bad Kreuzen. Es begann ein Hungerdasein für den ambltionierten Künstler, da er kein Engagement finden konnte. In Reichenberg gab es ein Kaba rett ,,Die Eiche"; dort trug er eigene Ge dichte vor. Man hatte ihn in Reichenberg bereits ins Herz geschlossen: Die Grün dung der Reichenberger Festspiele be wirkte gleichzeitig die Übertragung des Direktorpostens an H. H. Ortner. Reichenberg war eine, wie der Name sagt, reiche Stadt. Man spielte dort kulti viertes Theater und mancher Wiener Schauspieler benützte diese Bühne als Sprungbrett, so auch unter vielen ande ren der berühmte Tenor Julius Patzak. Man kann Ortner bescheinigen, daß er kein fauler Mensch war,er versuchte alles, um sich über Wasser zu halten. Nach der Erfüllung seiner Aufgaben in Reichen berg versuchte er In Linz Festspiele zu veranstalten. Die Inflation machte seinen Plänen ein jähes Ende. Eine Krankheit warf ihn abermals nieder. Ischl war der Ort seiner Erholung. Im Herbst 1921 In skribierte Ortner als außerordentlicher Hörer In Wien. Immerhin hielt er es dort fünf Semester aus. Seinen Lebensunter halt bestritt er als Beamter der ,,Phönix"- Versicherung. 1922 heiratete er eine acht einhalb Jahre ältere Frau namens Scher mann. Wie konnte es auch anders sein; nach kurzer Zeit war er geschieden. Das als Versicherungsbeamter ersparte Geld Investierte Ortner in einen Betrieb für Seidenmalerei und Antiquitäten. Ort ner war kein Geschäftsmann, er mußte scheitern. Langsam kamen dichterische Erfolge und damit auch Honorare ins Haus. Er heiratete 1930 die Burgschauspielerin Eli sabeth Kallina und lebte von nun an als freier Schriftsteller in Baden bei Wien. Nach der Scheidung von E. Kallina heira tete er 1939 seine ehemalige Sekretärin Dr. Gertraud Stenner und Heß sich nach dem zweiten Weltkrieg mit seiner Fa milie in Salzburg nieder. Seine Bemühun gen um eine Musikolympiade schlugen fehl, weil die damalige Asphaltpresse Wiens Ortner wegen seiner Aufführungen während der Hitlerzeit nicht grün war. Mit Ausnahme der Erzählungen ,,Matthias Grünewald" (1935), schrieb Ortner nur Dramen, Schauspiele und Komödien mit einer beachtlichen Bühnenwirksamkeit. Ortner war durch alle Abgründe und Auf brüche des Theaters gegangen und wußte genau um den Bühneneffekt. Seine Gestaltung ist anschaulich; vielfach arbei tet er mit surrealistischen Mitteln. Er hat es verstanden, mittelalterliche und ba rocke Theaterformen mit neuem Leben zu erfüllen. Ortner war dem Effekt um des Effektes willen nie abgeneigt und wußte ihn genau dort anzubringen, wo er hinpaßte. Das hat ihm auch eine sehr starke Gemeinde eingebracht. In dem Erzählband ,,Meister Matthias Grünewald" geht es durch die Enttäu-

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