Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 3, 1976

Standbild des hl. Ivo, im Voiksmund heiliger Schickanus genannt. Unterhaib der Wailfahrtskirche Maria-Trost in Berg bei Rohrbach. Foto: M. Eiersebner I T % ' f m Wi * der Ansicht gelangte, daß ,,sterbende Völker zuerst das Maß verlleren!" Das sicherlich oft unbewußte Halten der Mitte hat das Mühlviertel wahrscheinlich auch vor dem Verlust der Sitte bewahrt. Man fühlt sich ihr auch heute noch ver bunden und verpflichtet. Nur Unkundige und ,,maßlos" Progressive mögen darin Nachteiliges erblicken. Ich bin anderer Meinung, denn solches ,,Mittel-Maß" garantiert ja doch Immer noch Sicherheit und Verlaß Im Hinblick auf den Bestand des Heimatlandes, und zwar in allen seinen Wirkungsfeldern vom Wirtschaft lichen bis zum Kultischen. Allem voran hat Volkskunde den Blick auf den Menschen zu richten. Auch die in den Heimatsammlungen immer und über all anzutreffenden Krüge, Spinnräder, Trachten und Möbel erhalten lediglich aus dieser Sicht ihre Bedeutung und Be rechtigung. Sie sind Indizien, man schließt aus ihnen auf den Menschen, der seine Vorstellungen In Gegenständen eben mit Farben und Linien statt in Wor ten und Handlungen ausgesprochen hat. Insofern gewinnen Ortsmuseen den nöti gen Stellenwert für die Gegenwart: Anlaß zu sein, um auf den Menschen schließen zu können. So fällt mir immer wieder auf, daß gerade in den Mühlviertler Heimat häusern keine Raufwerkzeuge zu finden sind, wohl aber eine Fülle von Gerät schaften aus haus- und hofgebundenen Beschäftigungen, obenan Flachsberei tung, Weberei, Binder, Besenmacher, Schwingenzeiner. Aus ihnen und aus vie len anderen Beispielen spricht der stille, schlichte Mensch, der der Mühlviertler nun tatsächlich geblieben ist. Von diesem Punkt aus drängt es einen, auch den Blick auf die gegenständliche Umwelt dieses Menschenschlages zu tun. Eine Umwelt, die überall die Zeichen einer schlichten, naiven Kunst verrät und un verkennbar auch eine jedermann selbst verständliche, jeder Sensation abholde Frömmigkeit sichtbar macht. Sie kommt aus dem Volksglauben ebenso wie aus dem Kirchenglauben. Wer in die Netzrippengewölbe der vielen gotischen Kirchen hinaufschaut, entdeckt dort Im mer wieder die sogenannten Heiligen geist-Luken, die auf vergangene Volks frömmigkeit und damit verbundene Schau- und Lehrspiele im Kirchen raum schließen lassen. Die Lust des Mühlviertlers an solchen sinnenfreu digen Vorgängen wird einem heute noch begreiflich, wenn man an einem Palm sonntagmorgen das obere Mühlviertel besucht und die dichten Reihen stock werkhoher Palmbäume vor die Kirchen

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