Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 2, 1976

Was seine politischen Ansichten betraf, so war Erasmus ein treuer Anhänger der Habsburger, der die Ereignisse des Drei ßigjährigen Krieges mit Besorgnis ver folgte und die Friedensbemühungen Kai ser Ferdinands III. mit Genugtuung auf nahm. Er freute sich auch, wenn ein Glaubensgenosse etwas für die Monar chie leistete; so schrieb er über den tüchtigen General Peter Melander von Holzapfel, einen Calvinisten, es freue ihn, daß der Kaiser mit diesem Mann zufrie den sei, denn damit sei bewiesen, daß auch von „den Calvinisten redliche und ersprießliche Dienst geleistet werden können". Als er Gerüchte um den Tod des Generals erfuhr, äußerte er sich, daß der Kaiser „einen treuen, nuziichen diener (und ich einen großen freund) an disem Mann verlohrn" hätte^®. Starhemberg war auch — wie viele Ange hörige seines Geschlechts — ein eifriger Büchersammler. In seiner BibliotheM' hatte er Werke der verschiedensten kon fessioneilen Richtungen. So besaß er un ter anderem zahlreiche Werke des ge lehrten Kapuziners, P. Valerien Magni, eines Jesuitengegners, der für eine fried liche Haltung gegenüber dem Protestan tismus eintrat, da seiner Ansicht nach Überzeugung und nicht Gewalt die Ur sache für Bekehrungen sein sollte. Aus einer Mailänder Adelsfamilie stammend, war Magni in Prag zum Bewunderer Jo hannes Keplers geworden und war nach 1617 einige Jahre in Linz als Guardian der Kapuziner tätig. Damals wird er si cher auch mit verschiedenen Adeligen in Berührung gekommen sein^" und es ist nicht ausgeschlossen, daß ihn Erasmus persönlich gekannt hat. Ne ben Büchern religiösen Inhalts finden sich in der Bibliothek noch viele andere Sachgebiete, wie Medizin, Physik, Ge schichte, Politik, Mathematik, Philosophie insbesondere auch Dichtung und Wörter bücher. In seinem Testament bestimmte Eras mus, daß sein (katholischer) Neffe Bar tholomäus die Bücher erben solle. Er schreibt wörtlich, daß sein Erbe ,,durch etlicher Theologen einraten sich nicht verleiten und bewegen lasse, dieselbe (die Bibliothek) zustimbeln und theils büecher zu vertilgen oder hinweg zuthuen, sondern bis zu kühfftiger zusam menbringung und aufrichtung einer meh reren Starhembergischen Bibliothec sol che büecher zu unvermindert beisam men halte, dann in eine bibliothec ge hören ja allerhand pro et contra schrei bende Authores und kann der Wahrheit nit wol richtig urtheillen, welcher beyder straittende thaill schritten und führende argumenta und beweiß nit gelesen und erwägen thuef'^L Heinrich Wilhelm, der Bruder, der es als Katholik am Kaiserhof zu hohen Würden gebracht hatte, reagierte bezeichnend, als ihm Erasmus einmal seine Ansichten freimütig mitgeteilt hatte: ,,wie weit es in Religionssachen kombt, was jedweder nach seinem verstandt die bibel lesen und außlegen darff... ist wahrhaftig weit damit gefalt, auch wider den außtrucklichen befeich Christi des herrn,der durch den Apostel Paulum befiehlt, unsern Vor stehern zu gehorsamen, die für unnser seel auch rechenschaft geben und die kirchen Gottes konstituiren, weiche zu gehorsamen unß gleichwohl anbefohlen wirdt" Das Land ob der Enns hat Erasmus stets als sein ,,eigenes vatterland" bezeichnet, in das er immer gerne auf ein paar Tage zurückkehrte. Freilich hatte er bei solchen Gelegenheiten mit allen mögli chen Schikanen und Hindernissen zu rechnen, die ihm von kaiserlichen Beam ten in den Weg gelegt wurden. So lehnte er es ab, bei einem solchen Fall um einen Geleitbrief anzusuchen, denn des sen seien ,,sonst nur die täter bedürfftig". Es wurde ihm aber bei einer Vorsprache beim Fürsten von Eggenberg bestätigt, daß die kaiserlichen Patente wohl so zu verstehen seien, daß der Emigrant sein Kommen nur vorher anzuzeigen habe". Gegen das höfische Leben und dessen Sitten hingegen hatte er Beden ken. So wandte er sich dagegen, daß es Brauch geworden war, bei Heirats verträgen im Falle des Ablebens des Mannes die Witwen mit hohen Summen zu bedenken und er hoffe, daß diese „Hofheiratsbriefe"^" nur eine vorüber gehende Erscheinung seien. Seinem Bru der Kaspar schrieb er, er beneide ihn um sein angenehmes Landleben, daß er ,,außer den faestivien des hoffs und der denen Stätten anhängigen vielen beschwärlichen negotiis nunmehr auff dem lande in besserer rhue leben und in an genehmer gesellschafft sein zeit zuebringen khan, welches ich bey disen khimerlichen leuffen undt verwirten weitwesen für die höchste irdische glickseligkeit achte"". Er war auch der Ansicht, daß sich Ämter und Würden nicht gut auf die meisten Menschen auswirken. In die sem Sinne beklagte er sich über seinen Vetter Johann Reichard Starhemberg,der ihm nicht einmal zum Tode seines Soh nes kondoliert hatte, denn ,,neue ehren und ämbter machen der armen freind bald vergessen"". Der „Leidende" Seit 1617 gab es in Deutschland eine nach italienischem Vorbild errichtete Ver einigung, die „Fruchtbringende Gesell schaft"", die es sich zur Aufgabe ge macht hatte, die deutsche Sprache von Fremdwörtern zu befreien und in ihrer Ursprünglichkeit wieder herzustellen. Dies war aber nur eine der Intentionen des „Palmenordens", wie die Gesell schaft später auch nach ihrem Symbol genannt wurde. Denn die Mitglieder wa ren nicht zu literarischer Tätigkeit ver pflichtet, sondern Ritterlichkeit und tu gendhafter Lebenswandel waren für eine Aufnahme Voraussetzung, da auch der Grobianismus des Zeitalters bekämpft werden sollte. Neben diesen Tugenden wurde noch „Weisheit" gefordert, Bil dung, aber nicht im Sinne eines gelehr ten Fachwissens, sondern Gottesfurcht und praktisch gelebtes Christentum machten diese hauptsächlich aus. ,,Si Christum nescis nihil est si caetera discis" hatte Erasmus als Motto über sei nen Bibliothekskatalog geschrieben. Wichtig war, daß die Gesellschaft nicht nur für Adelige reserviert war, sondern auch Bürgerlichen offenstand, soferne diese den gesteckten Zielen in hervor ragender Weise entsprachen. Alle Mit glieder trugen Gesellschaftsnamen, wäh rend das Rang- und Titelwesen unter einander abgeschafft war und Brüder lichkeit herrschen sollte. Seit Beginn der vierziger Jahre waren auch einige Österreicher Mitglieder der Vereinigung geworden. Es ist nicht ver wunderlich, daß es vor allem protestan tische Adelige waren, die von den Zie len der Gesellschaft angesprochen wur den. Am Wiener Hof waren Musik und Festlichkeiten dominierend, die Literatur war italienisch. Die Verbindung mit der ,,Fruchtbringenden Gesellschaft" schien daher die Alternative zu bieten zu dieser den Protestanten letztlich doch verschlos senen Sphäre. Nunmehr aber konnte man Anschluß an die Kultur des protestanti schen Deutschland gewinnen. Die Ver bindung ging offenbar über die Fürsten von Anhalt, Fürst Ludwig den ,,Nähren den", das Oberhaupt der Gesellschaft, und Fürst Christian den „Unveränderli chen", der als Gefangener nach dem Böhmischen Aufstand eine Zeit lang in Österreich zugebracht hatte, bevor er die Verzeihung des Kaisers erlangen konnte.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2