Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 1, 1976

Wirtschaft und Fremdenverkehr 75 Jahre Landes-Fremdenverkehrsverband für Oberösterreich Rudolf Trauner Allenthalben hört man heute vom Frem denverkehr, sei es in Presse, Rundfunk oder Fernsehen, von der außen- und bin nenwirtschaftlichen Bedeutung dieses Dienstleistungsbereiches und dennoch, so glaube ich, fällt es vielen schwer, die Stellung des Fremdenverkehrs richtig zu erfassen und sein Wesen zu definieren. Der eine versteht unter Fremdenverkehr die Zahl der Touristen, die innerhalb einer Saison unser Land besuchten, der zweite meint die Devisen, die durch diese Touristen in unser Land gebracht wer den, der dritte verweist auf die Aufträge, die unserem heimischen Gewerbe durch die Fremdenverkehrsbetriebe erteilt wer den, und wieder andere sehen im Frem denverkehr die Ursache für die Störung ihrer Nachtruhe oder die Belästigung durch die Abgase der vielen fremden Autos. Ich glaube, daß der Fremdenver kehr an sich in unseren Tagen mehr um faßt, als sich durch diese Erscheinungs formen oder durch Zahlen allein ausdrükken läßt. Fremdenverkehr gehört nicht in das Reich der harten Realitäten, wie Kohle und Stahl, Erdöl und Energie, er liegt im Subjektiven, in der Ebene der Sympa thien und Antipathien, in der Welt des Wünschens und Sehnens, des ,,GerneKommen" und des ,,Auf-Wiedersehen". Diese Gesinnung aliein ist es, so glaube ich, die echt und natürlich das Wesen des Fremdenverkehrs umschreibt, wobei ich sogleich hinzufügen möchte, daß die ses Wort Fremdenverkehr selbst seinem Begriffsinhalt nach falsch gewählt wurde. Früher vielleicht war der Reisende, der von weither kam, wirklich noch ein Fremdling. Heute besteht jedoch die Ge fahr, daß die durch die Motorisierung ermöglichte Industrialisierung des Wirt schaftszweiges Fremdenverkehr die Men schen in den internationalen Fremden verkehrszentren in alier Welt wirklich zum Fremden im negativen Sinne des Wortes macht. Um es daher gleich vor wegzusagen: ,,Der Begriff Fremdenver kehr" in diesem Sinne ist ganz bestimmt nicht in Oberösterreich geprägt worden. Wer zu uns kommt, hat nicht das Gefühl, als Fremder unter Fremden, sondern als lieber Gast unter Freunden zu weilen. Doch wenn wir in der Chronik des Frem denverkehrs zurückbiättern, und gerade das 75jährige Jubiläum des oö. Landes fremdenverkehrsverbandes bietet uns da zu besonderen Anlaß, so erfahren wir, daß diese „oö. Haltung" zum Fremden verkehr nicht immer und von jeher ihre Gültigkeit hatte. So klagte im Rahmen des ,,ersten Kongresses zur Hebung des Fremdenverkehrs in den österreichischen Alpeniändern" am 1. September 1894 in Graz der damalige Handelsminister der Monarchie, daß den Bestrebungen des Fremdenverkehrs noch mancherorts ego istische Bedenken entgegenstehen. ,,Viele, die abseits des Fremdenverkehrs die schöne Natur genießen wollen, wün schen es nicht, daß auch Fremde dorthin kommen. Vielen ist es nicht darum zu tun, daß in kleine Orte Fremde kommen, weil dadurch die Lebensmittel für die Einheimischen verteuert werden. Der Wirt, der das einzige Gasthaus im Orte hat, wünscht nicht, daß in seiner Nähe ein Konkurrenzhotei gebaut wird." Aus diesen Worten sprechen noch die Ablehnung und das Mißtrauen gegenüber dem Fremdling, der in vergangenen Jahr hunderten außerhalb seines Heimatortes nur wenig Rechte hatte. Blenden wir zu rück in die Zeit des Mittelalters, so er fahren wir, daß gerade in dieser Zeit des ,,Pilgerverkehrs", eines Vorläufers unse res heutigen Fremdenverkehrs, zwei schwerwiegende Hemmnisse für den Reiseverkehr bestanden. Das erste war in der „Grundruhr" zu sehen, das den Gemeinden und Grundeigentümern das Recht auf Beschlagnahme verlieh, sobald ein Fuhrwerk infolge der schlechten Stra ßenverhältnisse innerhalb ihrer Gebiete nicht mehr weiterfahren konnte und so mit den Grund berührte. Das zweite Hemmnis war das ,,Todfalisrecht", dem zufolge jedes Gut eines nicht Einheimi schen, der in der Fremde starb, dem Staat durch Konfiskation heimfiei. Eine bedeutende Wandlung erfuhr der Reiseverkehr vergangener Jahrhunderte durch das Aufkommen des Bäderwesens, das insbesondere in Oberösterreich von großer Bedeutung ist. Die auch heute noch bestimmende Stellung des Kur ortewesens in Oberösterreich ergibt sich in erster Linie aus ihrer historischen Ent wicklung. Die Vorkommen von Solen und heilenden Quellen in Bad Ischl, Geisern und Bad Hall, die Nutzung des Moo res von Neydharting, aber auch die be scheidenen Bauernbadl in Windischgarsten. Kirchschlag, Gutau, Mühllacken, Sandl und Schärding waren schon zwi schen dem 17. und 19. Jahrhundert Ziel der ersten erholungssuchenden Städter, die sommers in die bis dahin als unwirt lich geltenden abgeschiedenen Gegen den Oberösterreichs zogen. Damit wur den diese Orte die ältesten Zentren des oberösterreichischen Fremdenverkehrs. Doch bereits in diesen Jahren der ersten „Gehversuche" des Fremdenverkehrs waren sich die Verantwortlichen dar über einig, daß nur durch das gemein same Wirken alier Interessenten dieser Wirtschaftszweig jene Bedeutung erhal ten könne, die ihm aus gesamtwirtschaft licher Sicht ohne Zweifei zusteht. Daher wurde bereits im Jahre 1893 der ,,Ver band der Kurorte und Sommerfrischen des Saizkammergutes" geschaffen und 1901 wurde der Wirtschaftsbereich Frem denverkehr erstmals in Oberösterreich in einem offiziellen Statut geregelt: Die k. u. k. Statthaiterei in Linz genehmigte das Statut für den ,,Landesverband für Fremdenverkehr in OÖ.". Das Wirken des Verbandes war bereits in diesen Jahren beachtlich. Durch die Herausgabe von Verkehrsbüchern und Werbebroschüren, durch die Auflage einer genauen Reiseund Touristenkarte wurde seit Beginn un seres Jahrhunderts gezielt für Oberöster reich geworben. Sogar in Paris wurde eine Schaufensterwerbung für Oberöster reich durchgeführt und bei der seinerzei tigen Weitausstellung in St. Louis in den USA war Oberösterreich mit Landschafts bildern vertreten. Die Fertigstellung neuer Bahnlinien, wie etwa der Pyhrnbahn, die Eröffnung von Schiffslinien auf dem Traunsee, der Ausbau der Donauufer bahn Grein bis Krems und der Bau der ersten Seilbahn auf den Feuerkogel er weckten in einem verstärkten Ausmaß das Interesse in- und ausländischer Gäste an unseren Ferienorten und Fremden verkehrseinrichtungen. Die ersten konkreten Ziffern über ermit telte Übernachtungszahlen liegen aus dem Jahre 1913 mit 1,950.000 Nächtigun gen vor. Diese Zahl stieg in den nach folgenden Jahren bis 1939 um lediglich 100.000 auf 2,060.000. Im Jahre 1954 be trug die oberösterreichische Gesamtnächtigungsziffer bereits 3,180.000. Drei Jahre vorher, also im Jahre 1951, wurde das oö. Fremdenverkehrsgesetz in Kraft gesetzt. Damit begann der Aufbau einer gesetz lich untermauerten Organisation des Fremdenverkehrs und gleichzeitig die systematische Förderung der Fremden verkehrswirtschaft durch die öffentliche Hand. Die Grundvoraussetzung für die Aufwärtsentwicklung bildete die Schaf fung der lokalen Fremdenverkehrs- und Kurkommissionen. Von 1951 bis 1954 wurden in Oberösterreich 78 Gemeinden zu Fremdenverkehrsgemeinden erklärt und in 41 Fremdenverkehrsverbänden zu sammengefaßt. Darüber hinaus bestan-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2