Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 1, 1976

Landeskunde Georg Grüll — ein Leben für die Landesgesohichte Franz Wilflingseder Am Nachmittag des 18. September 1975 verschied nach einem überaus arbeits reichen Leben, kurz nach der Vollenidung seines 75. Geburtstages, der weithin be kannte und beliebte Historiker und Hei matforscher Professor Georg Grüll und wurde unfern seines Wohnsitzes, in dem er so viele seiner wertvollen Arbeiten schuf, am Urfahrer Friedhof bestattet. Zahlreich waren sie gekommen, die Historiker, Heimatforscher, Volkskundler und kulturell interessierten Persönlich keiten, um Abschied zu nehmen von ihrem langjährigen Freund, von jenem Menschen, dem manche viel verdankten und dem sie stets ihre echte und ehrliche Wertschätzung entgegenbrachten. Wer, wie der Verfasser, Georg Grüll seinen väterlichen Freund nennen durfte, der mußte mit einer gewissen Wehmut auch daran denken, wie sehr man diesem gut herzigen Menschen bereits allein gelas sen hatte. Wo waren alle diejenigen ge blieben, die mit ihm einst in jugendlicher Begeisterung und aus echtem Idealismus heraus sich iauf das nach dem Ersten Weltkrieg viel kleiner gewordene Vater land besannen, zur Feder griffen und — der eine mehr, der andere weniger — sich mit ihren Arbeiten und Beiträgen in den Dienst ihrer Heimat gestellt hatten? Fast alle sind Grüll schon vorausgegan gen, die einer Generation von Heimatfor schern angehörten, die sich vor aliem aus dem Lehrer- und Priesterstande rekrutierte. Sie kannten sich ja alle, obwohl ihre Zahl sehr groß war und, über das ganze Land verstreut, ihrer Liebe zur Heimatfor schung huldigten. Durch Georg Grüll konnte man viele dieser einfachen Men schen kennenlernen; es waren liebwerte Männer in ihrer Art, nicht selten richtige Originale, denen der Schalk aus den Augen leuchtete, die den Humor und die Geselligkeit pflegten und einen guten Tropfen keineswegs verschmähten. Und wenn Grüll auch der fruchtbarste unter diesen allen war und man ihn als „Pri mus inter pares" bezeichnen könnte, so trat dies eigentlich nie in Erscheinung. Was diese Menschen augenfällig zusam menhielt, war der Gemeinschafts gedanke, der sie beseelte, gehörten sie doch alle derselben Generation an. Wer erinnert sich nicht an den unvergessenen Anton Ziegler in Urfahr, an Lorenz Hirsch in Pregarten, an Karl Radler in Hagen berg, an Heinrich Wurm in St. Georgen bei Tollet, an Josef Ofner In Steyr, an Josef Amstler In Enns, an Josef Aschauer in Losenstein, an Rudolf Schwarzelmüller in Vorchdorf, an Herman Mathie in Rohr bach, an Franz Xaver Bohdanowicz In Linz, an Franz Aschauer in Linz, an Grülls einstigen Schulkameraden Dr. Franz Pfef fer oder aber an einen der ganz wenigen, die noch am Leben sind, an Anton Mitmannsgruber in Hilm-Kematen, um nur einige aus der großen Zahl herauszu greifen. Georg Grüll war einer von diesen biede ren und einfachen Persönlichkeiten, sicherlich der größte unter ihnen, die durch ihr Wirken der Heimat unschätz bare Werte hinterlassen haben und eine Vielfalt in ihren Leistungen aufwiesen, die kaum einer Generation vor ihnen in einer derartigen Breitenwirkung eigen war. Natürlich hatten sie auch ihre Vor bilder, allen voran Julius Strnadt und Adalbert Depiny, und Vorläufer, die schon vor ihnen zu arbeiten begonnen und eine reiche Erfahrung hatten, so etwa Dr. Franz Berger, Johann Sigl, Vik tor Baron Handel-Mazzetti und Dr. Ignaz Zibermayr. Gewöhnlich stammten sie selbst vom Lande, wie auch Grüll, waren mit dem bäuerlichen Gedankengut eng vertraut, und kehrten wieder auf das Land zurück, wenn sie nach der Absol vierung der städtischen Schulen ihr Be rufsleben aufnahmen. Sie wußten da durch die historischen Quellen viel eher zu deuten, weil sie mit der Mundart des jeweiligen Landstriches vertraut waren, kannten das altüberlieferte bäuerliche Brauchtum in all seinen Erscheinungs formen und waren so in der Lage, all das zu schaffen, was sicherlich von bleiben dem Wert sein wird. Auch Georg Grüll stammte vom Lande. Er gehörte einer kinderreichen Lehrer familie an, deren Vorfahren aus dem süd böhmischen Räume zugewandert waren, und in der der Beruf des Landlehrers seit langem verankert war. Was lag daher näher, als daß der am 21. Juli 1900 in Rechberg im unteren Mühlviertel gebo rene Lehrerssohn In die Fußstapfen sei nes ,,alten Herrn"{wie GrüH seinen Vater ehrfurchtsvoll bezeichnete) trat und eben falls den Beruf eines Volksschullehrers wählte, bei dem er schließlich, mit Unter brechungen während der Kriegszeit, bis 1945 verblieb. Er mußte als Junglehrer von 1920 bis 1924 das damals übliche Wanderleben auf sich nehmen; Rechberg, Katsdorf, Allerheiligen, St. Nikola und Münzbach, also im Umkreis seiner enge ren Heimat, waren die ersten Stationen, bis er 1924 als Schulleiter in die „Gschnoadt" (Lohnsitz) bei Gaflenz be rufen wurde, wo er bis 1937 13 Jahre zubrachte. Auf diesem Wanderleben hatte Grüli bereits deutliche Spuren seines fruchtbaren heimatkundlichen Schaffens hinterlassen. Zahlreiche kleinere Auf sätze und Zeitungsartikel sind in dieser seiner ersten Schaffensperiode, die be reits 1921 begann, erschienen, die zum Teil auf Vorarbeiten während der Mittel schulzeit zurückgingen. Die Bezirks zeitungen waren damals vielfach das Sprachrohr für die Heimatforscher auf dem Lande und vermittelten somit das heimatkundliche Gedankengut dem ein fachen Landvolk, eine kulturelle Tat, die heutzutage in dem damaligen Ausmaße leider nicht mehr gepflegt wird. Überall, wo den emsig schaffenden Georg Grüll das Berufsleben hinführte, spürte er den Quellen nach, die er in den Marktund Pfarrarchiven, häufig auch in den Matriken vorfand, aus denen er seine kleinen, aber wohlfundierten Beiträge formte und sie einer interessierten Leser schaft übermittelte. So rettete er bereits 1923 das ansehnliche Marktarchiv in Münzbach, konservierte und ordnete es und entnahm daraus manches Archiv stück für interessante Aufsätze. Über haupt gehörte der einstige Herrschafts bereich von Windhaag wie das untere Mühlviertel zu denjenigen Landschaften Qberösterreichs, dem Grüll zeit seines Lebens eine besondere Vorliebe ent gegenbrachte, auch wenn er im Gaflenztal, in dem er lange Jahre als Schulleiter wirkte, ebenfalls eine überaus fruchtbare heimatkundliche Tätigkeit entfaltete, sich dort um die Archive kümmerte, vor allem um das bedeutende Marktarchiv in Weyer, und auch mit zahlreichen Veröffentlichun gen hervortrat. Alle diese Arbeiten, die Grüll während seiner ersten Schaffensperiode als Land lehrer hervorgebracht hat, bezeugen seine tiefe Heimatverbundenheit, die ihm sein ganzes Leben hindurch eine treue Begleiterin war. Es gehörte viel Idealis mus dazu, in der Abgeschiedenheit als Heimatforscher tätig zu sein, denn der Brunnen, aus dem er viel reicher hätte schöpfen können, das Qberösterreichische Landesarchiv, war weit entfernt. Außerdem war seine Familie bereits auf sieben Köpfe angewachsen und das Ein kommen einies Lanidschulleiters in einer einklassigen Volksschule fiel nicht gerade reichlich aus. Daher bedeutete auch das Beschaffen der Literatur, die Grüll für seine Arbeiten wie ein Stück Brot benötigte, oftmals Einschränkung und Entbehrung, wollte er aus dem engen Rahmen etwas herauskommen, oder Ver-

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