Kulturzeitschrift reich
Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Landschaft St. Wolfgang, gotische Flügelaltäre, Wallfahrtswesen Dr. Peter Pfarl St. Wolfgang — ein Juwel in Landschaft und Kunst Dr. Wilfried Lipp Oberösterreich und die Geschichte des gotischen Flügelaltares Dr. Hertha Schober Wallfahrten In Oberösterreich Denkmalpflege Bildende Kunst Landeskunde 12 23 Dr. Wilfried Westreicher Der oberösterreichische Steingarten in Vorchdorf 49 Wirtschaft und Fremdenverkehr Landesrat Rudolf Trauner 75 Jahre Landes-Fremdenverkehrsverband für Oberösterreich 56 Johann Weidinger Denkmalpflege in der Pfarre Hailstatt 31 Kulturinformationen Bücherecke Dr. Erich Widder Neue Werke von Rudolf Kolbitsch 37 Dr. Franz Wilflingseder Georg Grüll — ein Leben für die Landeskunde 44 61 63 Kuiturzeitschrift Oberösterreich 26. Jahrgang, Heft 1/1976 Vierteijahreszeitschrift: Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag; Redakteur: Dr. Otto Wutzel; verantwortlich für den inhalt im Sinne des Pressegesetzes: Dr. Elfriede Wutzei; Druck: Oö. Landesveriag Linz; sämtliche 4020 Linz, Landstraße 41, Ruf(07222)78 1 21. Jahresabonnement(4 Hefte):S 178.—; Einzelverkaufspreis:S 55.—. (Alle Preise inkl.8 °/o MWSt.) ümschlagmotiv: Hl. Wolfgang aus dem Gesprenge des spätgotischen Flügel altares in der kathoiischen Pfarrkirche Hallstatt, Exponat der Ausstellung ,,Der hl. Wolfgang in Geschichte, Kunst und Kuit". Umschlaggestaltung: Herbert Friedi Foto: Elfrlede Mejchar.
□ □ Die Redaktion der Zeitschrift „Oberöster reich" entspricht einem oft geäußerten Leserwunsch, den redaktionellen Aufbau jedes Heftes zu erläutern. Das Redak tionsprogramm für Heft 1/1976 ist im Schwerpunktthema auf die Ausstellung des Landes Oberösterreich ,,Der hl. Wolf gang in Geschichte, Kunst und Kult" aus gerichtet, die in der Zeit vom 28. Mai bis 3. Oktober 1976 im ehemaligen Kloster zu St. Wolfgang durchgeführt und einmal mehr die Aufmerksamkeit eines inter nationalen Publikums auf diesen welt berühmten Wallfahrtsort mit seinem goti schen Flügelaltar von Michael Rächer len ken wird. Auch das Salzkammergut wird in dieser Zeit stark in das Blickfeld des Internationalen Reiseverkehrs rücken. Dem Ausstellungsthema entsprechen ge danklich die drei Hauptaufsätze des Hef tes. Dr. Peter Pfarl, der sich seit langem mit St. Wolfgang als Hobby-Publizist be schäftigt, schildert eingehend die Schön heiten des Wolfgangsees und des alten Marktes St. Wolfgang. Als neuer Mitarbei ter tritt Dr. Wilfried Lipp, Sachbearbeiter im Bundesdenkmaiamt, in Erscheinung. Seine Untersuchung ,,Oberösterreich und die Geschichte des gotischen Fiügelaltares" umreißt den gesamten kunstge schichtlichen Problemkreis des gotischen Altarbaues, wobei er mit der überlokalen Ausweitung des Themas neue Gesichts punkte in die heimische Kunstliteratur bringt. Dr. Hertha Schober schließlich weist auf die Bedeutung Oberösterreichs im Wallfahrtswesen hin. Auch sie geht von der Überlegung aus, daß St. Wolf gang einen kultischen Mittelpunkt dar stellte, der In der Gegenwart Berück sichtigung verdient. Bei den Fachsparten, die dem Schwer punktthema folgen, Ist grundsätzlich zu bedenken, daß diese nicht voll und ganz darauf abgestimmt werden können. Sonst ginge die inhaltliche Vielfalt verloren, die von einer Kulturzeitschrift verlangt wer den muß. Geographisch dem Hauptthema zugeord net erscheint am ehesten noch der Auf satz in der Sparte „Denkmalpflege", in dem sich der Pfarrer von Hallstatt mit den Sorgen und Problemen auseinandersetzt, die einem Pfarrherren aus dem Denkmal schutz erwachsen. Gerade im Nachklang zum Europäischen Jahr des Denkmal schutzes dürfte eine derart persönliche Aussage sehr interessant sein. In der Sparte ,,Bildende Kunst" beschäf tigt sich Diözesankonservator Dr. Erich Widder mit neuen Arbeiten von Rudolf Kolbitsch. Der Aufsatz besitzt bei den hohen künstlerischen Leistungen dieser Künstlerpersönlichkeit höchste Aktualität. Der Leser soll darauf aufmerksam ge macht werden, daß in Oberösterreich nicht nur ein Kulturerbe zu verwalten ist, sondern ständig neue Kunstwerte ent stehen. Der Nachruf von Dr. Franz Wilflingseder, Direktor der Studienbibliothek Linz, für den Landeshistoriker Georg Grüll soll an eine Persönlichkeit unseres heimischen Wissenschaftslebens erinnern, die ein bedeutendes Lebenswerk vollbracht hat. Professor Grüll setzte die vorzügliche Tradition fort, die das 00. Landesarchiv zu einem der wichtigsten Forschungs institute gemacht hat. Am Eingangstor zum Saizkammergut ladet der Steingarten in Vorchdorf zum Besuch dieser Einrichtung ein, die in Österreich keine Parallele besitzt. Gleich zeitig soll dieser Aufsatz zeigen, wie stark in unserem Lande Immer noch die Privatinitiativen sind. Dr. Westreicher ist Gemeindearzt von Vorchdorf, aber auch unermüdlicher Motor für alle heimatkund lichen Bemühungen dieses Ortes. Abschließend weist der Aufsatz von Lan desrat Rudolf Trauner auf das bedeu tungsvolle Jubiläum hin, das der LandesFremdenverkehrsverband für Oberöster reich im heurigen Frühjahr begehen konnte.
St. Wolfgang ein Juwel in Landschaft und Kunst Peter Pfarl Wer nach St. Wolfgang fährt, kann die verschiedensten Motive dafür haben. Es kann sein, daß er den Ort als eine der lebendigsten Sommerfrischen Öster reichs aufsucht, daß er hier Spitzenwerke der europäischen Kunst besuchen will; es wäre aber auch möglich, daß es sich um einen Naturfreund handelt, der beschau liche Wanderungen in prachtvoller Berg welt liebt, oder aber Sport betreiben will an einem Platz, der dazu Möglichkeiten wie kaum ein anderer bietet. Das Ein malige an St. Wolfgang ist eben, daß die ser Ort wirklich allen alles geben kann, Ruhe und Fröhlichkeit, Kunstgenuß und Unterhaltung, dazu noch vieles mehr, was auf den ersten Blick gar nicht auffällt, eine reiche Geschichte und eine ihrer Heimat verbundene Bevölkerung, die sich auch heute noch durch liebenswerte Be sonderheiten auszeichnet. Lauter Aktivposten, lauter Superlative! Kann man über diesen Ort überhaupt schreiben, ohne in den seichten Stil der Fremdenverkehrswerbung zu verfallen? Oder geht die Schönheit dieses Raumes tiefer, in Bereiche, die nicht bloß mit Ferienstimmung zusammenhängen, son dern das Kreative im Menschen anregen? Jakob Wassermann hat geschrieben: ,,Wenn man von Ischl kommend,an Sankt Gilgen vorüberfährt, wo Mozarts Mutter geboren wurde, berührt einen die Land schaft des smaragdgrünen Wolfgangsees wie ein Präludium zu einem Hauptstück; hier ist die Quelle all der Süße und Erhabenheit, sagt man sich, mütterliche Augen haben die Schönheit getrunken, die der Seele des Sohnes wieder ent strömte. Hier ist das schlagende Herz Europas; hier teilt sich sein Rhythmus mit, seine Geschichte und eine Ahnung dessen, was groß an ihm war." Diese gepriesene Bergwelt, die den See umgibt, ist weder heroisch noch gestalt los, ihr sanfter Formenreichtum hat nir gends eine Lücke. Kaum sonst wo schließt sich der Ring, der eine Land schaft umgibt, so vollkommen. Nicht ein mal der Schafberg, den man das Wahr zeichen der Gegend nennt, spielt sich vor den anderen Bergen auf. Außerhalb die ses Raumes aber, da ragt er wie eine riesenhafte Reklametafel des Wolfgang sees auf und erregt die Sehnsucht der Menschen, die in den Ebenen wohnen, von Rosenheim in Bayern bis hinab ins Niederösterreichische. Dennoch steht der Schafberg über allen anderen Erhebungen rund um den See, seines Ruhmes und seines Ansehens wegen, und seine Lage genau in der Von Salzburg kommend,erreicht der Gast die Landschaft des Wolfgangsees, In alten Zelten Abersee genannt, im salzburgischen St. Gilgen. Der See erstreckt sich in allgemeiner Richtung Nordwest-Südost, umrahmt von einer reizvollen Mittelgebirgs landschaft, Länge 12 Kilometer. Foto: Löbl Mitte zwischen drei großen Seen macht ihn zu einer einzigartigen Aussichtswarte. Schon früh bestiegen ihn die Romantiker und überboten sich im Lobpreis seiner Schönheit. Heimine von Chezy etwa, die ihn 1833 erklomm, beschreibt die Abend stimmung dort oben mit folgenden enthusiastischen Worten, die jeden mo dernen Fremdenverkehrsprospekt trokken und dürr erscheinen lassen: „O, welch ein Bild lohnte unseren Muth! — Schweigend lag die Welt unter uns, schon in nächtliches Dunkel verhüllt, nur zwei breite Lichtstreifen im Kreise herum bezeichneten die stillen Flächen des Atter-, Mond- und Wolfgangsees. Aber im Westen schwammen noch glühend im Abendroth die fernen Fluren Bayerns; halb schon im Feuermeer versunken sandte uns die holde Sonne noch ein trautes Lebewohl zu. Und hinter uns, und neben uns standen noch einzelne Oasen im dunklen Meere der Nacht, glühend und licht, einem Seraph ähnlich der em porstrebende Dachstein mit seinen ewig erstorbenen Eisflächen." Die Aussicht vom Schafberg ist tatsäch lich dieser Bewunderung wert. Vierzehn Seen, so heißt es, vermag das Auge zu erblicken, freilich muß man da auch die seichte Lacke des Hinterschafbergsees dazurechnen, der am Fuße der tief ab stürzenden Wand in einer kahlen Hoch fläche liegt, und den fernen Chiemsee, den man nur bei gutem Wetter und auch da meist nur blinkend im abendlichen Gegenlicht ausnehmen kann. Schultes, der um 1800 unsere Gegend bereiste, ver merkt, man erkenne von hier aus den ,,Schneeberg bey Wien" und Frau von Chezy ließ sich gar von den Einheimi schen erzählen, man könne bei beson ders gutem Wetter die Türme der Münchner Frauenkirche sehen. Ais dieses Wunder der Natur immer be kannter wurde und auch die touristische Ära des Sesseltragens abgelaufen war — eine Schinderei: die Fremden ließen sich von heimischen Trägern in Sesseln auf die Berge schleppen —, legte man 1892 die Zahnradbahn an, um die interessier ten Menschen bequemer auf den Berg zu bringen. Kaiser Franz Josef, Katharina Schratt, den Herzog von Windsor und viele andere bekannte und noch viel hun derttausendmal mehr unbekannte Leute hat diese Bahn seither auf den Berg ge bracht, bis heute ohne einen einzigen Un fall. Die Überiaufenheit nährt allerdings die Skepsis manchen Besuchers: ,,Große Steine, kleine Steine, müde Beine, Aus sicht keine", schrieb einer frustriert ins Gästebuch des Hotels Schafbergspitze. Wessen Sinn aber unverbildet geblieben ist, der wird die grandiose Schönheit des Schafberges immer noch als einzigartig erleben, schon gar, wenn er es auf sich nimmt, den Bergraum zu Fuß zu durch streifen. Er wird die Schafberghöhlen fin den, die drei einsamen Seen, die düstere Nordwand des Berges und immer neue Ausblicke auf Seen, Ebenen und Gebirge. Alle Berge rund um St. Wolfgang zeich nen sich durch solche Ausblicke aus, alle besitzen darüber hinaus ihre Besonder heiten. In den Leonsberg etwa hat ein Bach eine wilde Schlucht gerissen, an de ren Ende sich im Halbdunkel eine Höhle befindet. Hier gibt es Feismalereien, höchst geheimnisvolle Zeichen, deren Al ter man nicht kennt. Mag sein, daß sie aus der Vorzeit stammen, oder daß sie erst in jüngster Zeit in den weichen Stein eingegraben wurden — ihre Form jeden falls deckt sich mit vielen prähistorischen Steinritzungen in weit entfernten Gegen den Europas. Hinter diesem Berg dehnt sich ein weiter Forst, arm an großartigen Aussichtsplät zen, aber durchsetzt mit prächtigen Al men, kleinen Kuppen, einem einsamen Moor und mehreren Gewässern, deren schönstes der Schwarzensee ist. Heute tummeln sich hier im Sommer die Bade lustigen und im Winter die Schlittschuh-
St. Wolfgang (549 m), ein historischer Markt am Nordufer des Wolfgangsees, einst berühmter Wallfahrtsort, heute ebenso berühmtes Fremdenverkehrsgebiet — ein Sonntagskind des Salzkammergutes. International bekannt seine Kirche mit dem gotischen Flügelaltar von Michael Fächer. Weltwelt wird das ,,Weiße Rößl" besungen. Luftaufnahme: H. Wöhrl Ii P la i •" V:--'
■ i 1 läufer, denn er friert verläßlich alle Jahre zu — Im vorigen Jahrhundert empfand man seine Einsamkeit noch als beunruhi gend. Nikolaus Lenau drückt dies so aus: „Sehr ernst Ist hier die Welt und stumm In sich versunken, als war Ihr letzter Laut Im finstern See ertrunken. Das Schilf am Ufer bebt und flüstert mit so bange, Im Winde bebt der Wald am stellen Ufer hange." Anderswo wieder, auf der Postalm auf der anderen Seite des Wolfgangsees, hätte sich wohl auch Lenau nicht bedrückt gefühlt. Frei schweift hier der Blick über endlose Almböden und Höhen. Hier be findet sich die zweitgrößte Alm des ge samten Alpenbogens und noch dazu ein Skigeblet von erfrischender Welte und Vielfalt. Die meisten dieser Berge gehören weder zu St. Wolfgang noch zu Oberösterreich, sondern zum Land Salzburg. Mitten durch diesen Raum zieht eine Grenze, die heute nur mehr unwesentliche, mit dem freien Auge des Unkundigen nicht mehr wahr nehmbare Unterschiede In Volkscharakter Die Schafbergspitze (1783 m). Der Schafberg liegt genau in der Mitte zwischen Woifgang-, Mond- und Attersee. Die Aussicht erfaßt 14 Seen und umfaßt einen Bück von den Zentraialpen bis weit in das bayerische und österreichische Alpenvorland hinaus. Foto: Löbi Die sogenannte Himmelsptorte, Abstieg in die Nordwand des Schatbergs. Die Umwanderung des Schatbergs über den Hintersee, Mittersee und den dunkelgrünen Münichsee gehört zu den schönsten Natureriebnissen im Woitgangiand. Foto: Bernatzik oder Mundart aufweist, früher aber eine tiefe Kluft zwischen die ärmlichen Flecken ,,Am Schober" (Strobl) und St. Egydi (St. Gilgen) einerseits und dem wohl habenden, weltberühmten Wallfahrtsort St. Wolfgang an der Sonnenseite des Sees andererseits riß. Dieser war Besitz des Klosters Mondsee und ab 1505 öster reichisch, jene unterstanden dem Erzblschof von Salzburg; wem der See ge hörte, der dazwischen lag, wußte niemand recht. Dieser unsichere Grenzverlauf geht auf König Ludwig den Deutschen zurück, der 829 dem Kloster Mondsee den Aberseeforst schenkte, das spätere Wolfgang land. Zuvor aber hatte Salzburg schon den gesamten See als Eigentum er worben. Das Erzstlft Salzburg anerkannte daher niemals diese Grenze, sondern suchte die Jurisdiktion über das gesamte Gebiet zu erwerben, was Im Verlauf der Jahr hunderte zu heftigen Streitigkelten führte. Diese erreichten oft skurrile Höhepunkte, wenn es etwa galt, über Vergehen zu richten, die auf der Eisfläche des zugefro-
Die 1892 erbaute Schafbergbahn, eine der reizvoiisten Zahnradbahnen in Europa. Sie führt von St. Woifgang über die Schafbergalpe zum Gipfel. Foto: Melichar h-. *• i' '"..k * •;% ..J ,1» renen Sees begangen wurden, oder gar, wenn jemand ertrunken war, denn er mußte In jener Pfarre bestattet werden, in welcher er den Tod gefunden hatte. Eines solchen Falles wegen wurden Im 17. Jahrhundert einmal sogar fremde Söldner zu Hilfe gegen die Nachbarn ge rufen und es schien zum offenen Kampf zu kommen, während ein anderes Mal sich der Erzblschof höchstpersönlich ein schaltete, nachdem die St. Wolfganger den Salzburgern eine Wasserleiche ge stohlen und unter Tedeum und Glocken geläute geradezu Im Triumph zu ihrem Friedhof gebracht hatten. 1697 kam es dann zum Kompromiß, dem ,,Seidenfaden". Man legte die Grenzen In einer geraden Linie quer durch den See fest und symbolisierte sie durch einen gedachten Seidenfaden, der von der Mün dung des DIttelbaches zum Ausfluß der Seeache gespannt war. Niemand fragt mehr nach dem Seiden faden; die heutigen Probleme können nur durch gemeinsame Anstrengungen aller drei Gemeinden gelöst werden, es geht um die Reinhaltung des Gewässers, die Rettung seiner biologischen Substanz und die Bewahrung eines harmonischen Lebens- und Freizeltraumes. Sind das Modewörter unserer Zelt? Drücken wir es anders aus: alles soll so bleiben, wie es etwa Schultes um 1800 schildert: „Reine, sanfte und doch erhabene Schönheit Ist über den Wolfgangsee ausgegossen und Anmut und hehre Würde sind an seinen Ufern vermählt. Ich habe noch keinen See gesehen unter den vielen Seen, die Ich sah, der so viel Zartes und so viel Großes In sich vereinte." Aber um noch einmal zu der umstrittenen Grenze durch den Wolfgangsee zu kom men: Einer der bedeutendsten österrei chischen Historiker, Ignaz ZIbermayr, hat sich mit Ihr eingehend befaßt und sie zur Erklärung der Sage des Wolfgangsees herangezogen, der Legende vom Bell wurf des heiligen Bischofs Wolfgang von Regensburg. Dieser habe als Einsiedler am Falkenstein hoch über dem See ge lebt, so heißt es, und von dieser Anhöhe, auf der Ihn ständig der Teufel bedrängte, sein Bell hinabgeschleudert mit dem Ge löbnis, dort, wo er es wiederfände, eine Kirche zu erbauen. ZIbermayr erklärt diese Geschichte so, daß damit die erste Beilegung des Grenzstreltes Im hohen Mittelalter gemeint war. Der Bellwurf bedeutet ,,eln Denkmal des ältesten deut schen Rechts und dient zum Ermitteln des Verlaufs einer Grenze, die noch nicht bis In alle Einzelhelten vermessen war. Die Axt wurde, so wie der Hammer, ein geheiligtes Gerät, durch dessen Wurf welte das jeweilige Erstrecken des Rech tes auf Grund und Boden bestimmt wurde; das Bell wurde mithin das Sinn bild der Besitzergreifung und der Ro dung." Der Bellwurf des heiligen Wolf gang sei demnach das Symbol des fried lichen Ausgleichs zwischen Salzburg und Mondsee. Können wir dem Altmeister der oberösterrelchlschen Geschichtsforschung hier folgen? Ist es wirklich denkbar, daß eine der lebenskräftigsten mittelalter lichen Legenden, die eine beispiellose Kultdynamik im ganzen süddeutschen
Abgang vom Kirchenplatz in St. Woifgang zum Hotel „Weißes Rößl", das Ralph Benatzky mit seiner gleichnamigen Operette in die Traum\weit der internationalen Operette eingeführt hat. Foto: Pfarl Raum zur Folge hatte, auf die bloße Versinnbildlichung einer abstrakten Rechtssituation zurückgeht? Heute ist die Forschung anderer Mei nung. Man glaubt, daß der Falkenstein, diese dunkle Waldschlucht mit Ihren geheimnisvollen Höhlen, Wasserstellen und jähen Ausblicken auf See und Berge schon in früher Vorzelt eine Kultstätte von Rang war. Da klaffen drei Löcher im Felsen, man kriecht bei dem einen hinein, bei dem anderen wieder heraus. Solche Durchkriechsteine haben seit eh und je die Phantasie der wundergläubigen Men schen angeregt. Man meinte, beim Durch kriechen könne man die Krankheiten und Übel an dem Stein abstreifen. Daneben quilit ein Brünnlein aus dem Boden, auch dieses empfand man als heilkräftig, und oben auf der Höhe des Bergsattels sind in dem Felsen Eindrücke zu sehen, als ob sich einer mit ailer Kraft dagegen ge stemmt hätte. Vielleicht verehrte man hier den starken Donnergott Thor, den Hammerschwinger, und aus seinem Ham mer wurde das Beil des helligen Wolf gang. Man darf sich dies freilich nicht so vorsteilen, als sei der Heilige einfach an die Stelle des alten Heidengottes getre ten. Er hat ihn vielmehr vertrieben und Christus hier eingesetzt. Tatsächlich spricht sehr viel dafür, daß der heilige Wolfgang, der von 924 bis 994 lebte, längere Zeit Im Kloster Mondsee weilte und sich hier um die Erschlie ßung und Christianisierung des ihm unterstehenden Aberseeforstes bemühte. So wurde er mit Recht zum Rodungsheillgen, dem man die Axt als Attribut in die Hand gab und der dadurch mit gewis sen Zügen der altvertrauten Gotthelten ausgestattet wurde. Dadurch, daß man ihm die Gründung der Kirche von Sankt Wolfgang zuschrieb, wurde er auch zum großen Kirchenerbauer, der den Teufel überwand und Ihn zwang, bei dieser Ar belt mitzuhelfen. Das Volk wurde von die sen Szenen ergriffen, auf ungezählten Bildern stellte man sie dar; bis hinaus nach Rothenburg ob der Tauber und nach Böhmen drang diese Legende und auf vieien Flügelaltären erkennt man das Be streben der mittelalterlichen Künstler, den Gläubigen die heiligen Gestade die ses Sees und den Anblick der berühmten Wailfahrtsstätte nahezubringen. Wer aber konnte, zog selbst dorthin. St. Wolfgang wurde nach Aachen und Einsiedeln die bedeutendste Wailfahrt Deutschlands, in ganz Bayern und Öster reich gab es keine größere. Reiche Opfer flössen dem Gotteshaus zu, die Pilger verhalfen dem Ort zu Wohlstand. Man kann fast von dem ältesten Fremdenver kehrszentrum Oberösterreichs sprechen, wenn auch das Motiv, das die Leute an zog, andersgeartet war als heute. Der Kampf ums Geschäft blühte jedoch schon damals. Die Schiffleute von St. Wolfgang und St. Gilgen lieferten sich Prügeleien, wenn es darum ging, eine Kirchfahrer schar über den See zu transportieren. Selbst den Souvenirhandel gab es schon: man verkaufte Woifgangihackeln aus Zinn oder aus Silber, Krötenpulver und Gedenkmünzen. Diese Wirtschaftsblüte — sprechen wir ruhig so, denn das eigentiiche Wailfahrtsziei war zu Beginn der Neuzeit durch Mißbräuche schon stark verdun kelt - wurde durch die Reformation plötzlich stark beeinträchtigt. Ein Bischof, der in die Einsamkeit zog, gait den An hängern der neuen Lehre nicht mehr als besonders vorbildlich, eher als pflicht vergessen. Über die Legenden vom Teu fel und vom Beilwurf machte man sich höchstens lustig. Kein Wunder, daß Pil gerfahrten zum Abersee unmodern wur den, und wenn abgelegene Dörfer dem alten Brauch treu blieben, dann konnte es ihnen ergehen wie jener frommen Schar aus der Kremsmünsterer Gegend, die auf dem Weg nach St. Wolfgang beim Zug durch Gmunden angestänkert und belästigt wurde. Eine Pllgerin warf man gar In den Traunsee und beim Rückzug gab es noch einmal einen Aufruhr. Daß die Bewohner von St. Wolfgang in ständig darum flehten, der Heilige Vater Wolfgang möge ,,dle Ketzerei ausrotten", wie es in einem damals aufgekommenen Gebet heißt, darf nicht verwundern. Mit der Gegenreformation kamen dann tat sächlich bessere Zeiten. Die Barockäbte von Mondsee, würdige und achtenswerte Männer, bemühten sich um die Neubele bung der Wallfahrt und erreichten schöne Erfolge. Erst das Zeitalter der Aufklärung beendete die Epoche der Wallfahrt In der Geschichte von St. Wolfgang und nach einer kurzen Zeit der Not und Existenzlosigkeit setzte die Epoche des Touris mus ein. Immerhin kommen aber auch noch heute gar nicht wenige Wallfahrer scharen nach St. Wolfgang, viele aus weiter Entfernung, etwa aus der Gegend von Salzburg, aus Regensburg oder aus dem Bayrischen Wald. Man möchte gerne aus dieser großen und interessanten Zeit noch so manches erzählen, etwa die Mirakelbücher zitie ren, die eine ungiaubliche Füile von Wun dern wiedergeben: Totenerweckungen, In St. Wolfgang fanden viele berühmte Persönlichkelten eine bleibende Heimat, so auch der bedeutende deutsche Schau spieler Emil Jannings (1884—1950). Foto: Bernatzik
Gefangenenbefreiungen und natürlich Gesundung von allen möglichen Krank heiten, die aber auch von einem Bier brauer aus Niederbayern berichten, dem sein großes Bierfaß leck wurde und dem der heilige Wolfgang nach Gebet und Wallfahrtsgelübde ,,mit seinem Wunder vollen Gnaden-Häcklein einen Spund vor gemacht": oder von einem Geschäfts mann aus Salzburg, der ebenso über Gebet zum heiligen Wolfgang von einem windigen Schuldner wider alles Hoffen eine größere Schuld zurückgezahlt er hielt. Es gibt auch eine Reihe von Pilger liedern, mit denen die Wallfahrer auf ihrem Zug nach St. Wolfgang den Patron anriefen: „Endlich werden wir bald kommen dorthin, wo wir uns schon lang künftig haben vorgenommen, zu dem heiligen Wolfgang. Eine Wallfahrt zu verrichten, beichten und kommunizier'n, Gott auch um Verzeihung bitten und ein besser's Leben führ'n." Diese Wallfahrt hat uns ein Zeugnis hin terlassen, das diesen außerordentlichen Gnadenort heute vor allem als Kunst stätte bemerkenswert macht, die Kirche von St. Wolfgang. Aus dem See ragt ein kurzer, steiler Felsen, darauf erbaute man in Erinnerung an den heiligen Wolfgang, der hier Einsiedlerklause und Kirche er richtet haben soll, im hohen Mittelalter ein steinernes Gotteshaus. Im 15. Jahr hundert wurde es nach mehreren Brän den durch den heutigen Bau ersetzt. Merkwürdig ist der unregelmäßige Grundriß, den man aus der Baugeschichte und der pietätvollen Erhaltung der Ge denkstätten des heiligen Gründers er klärt. So muß das Auge im Inneren über eine Kirchendecke hingleiten, die sich ohne jedes erkennbare System wölbt und wieder zurücktritt, den undurchschau baren, natürlichen Formen einer Höhle vergleichbar, bis es hängenbleibt am vor deren Teil des Baues, wo sich plötzlich die Regelmäßigkeit eines strengen, licht erfüllten Achteckes ergibt, das die große Kostbarkeit dieses Gotteshauses birgt. den unvergleichlichen Flügelaltar, den Meister Michael Pacher aus Bruneck in Südtirol auf Grund eines 1471 mit dem Konvent zu Mondsee geschlossenen Ver trages angefertigt hat. Es ist hier nicht der Platz, dieses Werk genau zu schildern. Jedes Flügelbild, jede Statue zeigt eine Fülle von köstli chen Einzelheiten, die im Grunde genom men nur von der Fotografie erfaßt wer den können, da auf den Betrachter des Originals immer wieder der überwälti gende Eindruck des Ganzen wirkt. Denn ganz anders als die meisten zeitgenössi schen Künstler, vor allem anders als jene aus Südtirol, die immer wieder die große Linie durch ihren Einfallsreichtum im De tail unterbrachen, bändigte Michael Pacher die Fabulierlust. Er entwarf große, ergreifende Gruppen, er verband sie durch klare, weitschwingende komposito rische Bewegungsrhythmen. Trotzdem hat Schürer recht, wenn er den Schrein ,,eine bebende Masse" nennt. Das Bild werk erzittert von innen her, von dem gewaltigen Thema, das man dem Künst976 1976 ^t5Wolfgg!ig lOOOolahre §t.^Molfieane Kurdirektion 5360 St. Woifgang Telefon 061 38 / 239 Hauptveranstaltungen 23. 5. Bezirks-Biasmusikfest 26. 5. Ersttag der Sondermarke mit Sonderpostamt 27. 5. — 3. 10. Ausstellung des Landes Oberösterreich ,,Der hi. Woifgang in Geschichte und Kunst" 17. — 20. 6. Drei-Seen-Fest 19. 6. Endziei der Österreich-Radrund fahrt 1976 19. — 20. 6. 4. int. Wandertag 26. — 27.6. Saizkammergut-VerbandsTrachtenfest 4. 7. Oratorium des hi. Woifgang (Erstaufführung) Pfarrkirche St. Woifgang 31. 7. Seefest 1. — 22. 8. Kirchenkonzertwochen 12. 9. Großer historischer Festzug 10. 10. Internationaies Langstrecken kriterium 31. 10. Fest des hl. Wolfgang
Von oben nach unten: Gotischer Flügelaltar von Michael Fächer, Außenseite der äußeren Flügel: Tafelbild mit Darstellung des Kirchenbaus durch den hl. Wolfgang. Foto: Pfari Historische Ansicht des legendären Pilgerbrunnens nördlich des Chores der Kirche. Foto: Pfarl ler zum Vorwurf gegeben hatte. Nichts Geringeres als den Himmel selbst sollte Fächer darstellen, gemäß den Visionen der heiligen Birgitta von Schweden, welche Maria als Himmelskönigin vor ihrem göttlichen Sohn knien sah. ,,Die wunderbar schönen Haare flössen über Ihre Schultern. Sie trug ein goidenes Ge wand von unaussprechlichem Glänze. In ihrer Krone hat der Herr sieben Lilien und dazu sieben Edelsteine versetzt." Diese Lilien und Edelsteine bedeuten die Tugenden Mariens, und Rächer hat sie getreu wiedergegeben; diese Krone ist ein überaus kompliziertes Gebilde, gebil det aus verschlungenen Ranken und zar ten Spitzen. Linter diesem Kleinod erstrahit nicht minder glänzend das Antlitz der Jungfrau Maria, ein Gesicht, wie es nur die Gotik schaffen konnte, erfülit von dem hehren Frauenideal des hohen Mit telalters, ausgedrückt im Können einer reifen Zeit. Ihm entspricht als Gegenstück die Gestalt des segnenden Christus, vor dem Maria kniet, eine strahlende Erschei nung mit einem kraftvollen Männer gesicht. Ganz anders die Begleitfiguren links und rechts von der überirdisch schönen Hauptgruppe, die Heiligen Woifgang und Benedikt. Bei aller Erhabenheit sind das irdische Gestalten, Menschen, denen wir jederzeit begegnen könnten. Den Unterschied zwischen beiden hat der Pacherforscher Nicole Rasmo folgender maßen beschrieben: ,,Das Gesicht des heiligen Wolfgang ist von bitteren Falten durchfurcht, von Müdigkeit gezeichnet, und vereint ein Leben in ständiger Be rührung mit dem menschlichen Eiend, die Züge des Abtes Benedikt strahlen un gebrochene geistige Kraft und jenes mit leidige Verstehen aus, das aus dem un endlichen Abstand der freiwilligen Welt entsagung kommt." Rings um diese Mittelgruppe, welche Maria in ihrer Glorie und zugleich als Helferin der Menschheit zeigt, ist der Zyklus mit Darstellungen aus dem Leben Mariens angeordnet. Oben im Gesprenge des monstranzartigen Aitares erblickt man die Gottesmutter mitwirkend an den tiefsten Geheimnissen der Erlösung, bei der Verkündigung und unter dem Kreuz ihres Sohnes. Obwohl diese Figuren weit vom Auge des Betrachters entfernt sind, erkennt man Kunstwerke von höchster Feinheit. Es gibt kaum eine Kreuzigungsdarsteilung in der gotischen Kunst, in weicher der qualvolle Durst des sterben den Christus realistischer und ergreifen der dargestellt wird. Liebevoll und menschlich hingegen erscheinen die Fi guren der Predella, idyllische Bilder von lyrischer Innigkeit. Rasmo hat sie dem etwas weicher geratenen Sohn des Mei sters, Hans Rächer, zugeordnet. Groß artiger angelegt sind die vier Flügeibiider, etwa die Darstellung der Beschnei dung, die beherrscht wird von dem prunkvollen Gewand des mächtigen Hohenpriesters, oder die Weihnachts szene mit dem Blick durch das Stadttor Kapelle des hl. Wolfgang, Westwand: Die Bürger von Regensburg entsenden eine Delegation zum hl. Wolfgang, Ölbild von Jakob Zanussi, 1714. Foto: Dr. Widder
Rauchfaß schwingender Engel vom Doppelaltar Thomas Schwanthalers, 1676, in der Kirche St. Wolfgang, ein Meisterwerk barocker Altararchltektur und -plastlk. Foto: Elersebner im Hintergrund, durch das man hinein in die behagliche Heimatstadt Pachers, Bruneck, schaut. Auch auf den Tafeln des Christuslebens sieht man hinter dem biblischen Gesche hen Landschaften aus Südtirol, so über den Füßen des auferstehenden Lazarus den Felsen von Säben im Eisacktal, hin ter der Taufe Christi die Gegend von Sterzing und unter das Teufelshorn der Versuchung ist eine Vedute von Bruneck hineingemalt. Es ist bewundernswert, wie zwanglos Fächer diese Hintergrundland schaften mit der Handlung des Bildes ver web und wie selbstverständlich sich die Figuren in ihnen und in den Bauten bewegen. Kein anderer deutscher Maler dieser Zeit konnte das so überzeugend wiedergeben. Rächer nahm alle Anregun gen aus Werkstätten auf, in denen die künstlerische Technik schon weiter fort geschritten war. Niederländische und ita lienische Einflüsse sind in seinem Werk mit aller Deutlichkeit auszumachen, alles überstrahlt aber seine gemütvolle, im Grunde konservative Auffassung. Cha rakteristisch ist es beispielsweise, daß die heiligen Gestaiten, Apostel, Pilger und andere Fromme als biedere Tiroler Bauern und Bürger erscheinen, während es sich bei den feindlichen Juden um exzentrisch herausgeputzte Bösewichte im venezianischen Modekostüm handelt. Es ist eine alte, bis heute nicht befrie digend gelöste Streitfrage der Kunst gelehrten, wieweit die Bilder der Chri stusreihe von Michael Fächer selber oder von seiner Werkstätte geschaffen worden sind. Die meisterhaft klare Komposition spricht eindeutig für den Künstler selbst, viele Einzelheiten hingegen mögen von Gehilfen gemalt worden sein. Einiger maßen klar erscheint hingegen die Autor schaft Friedrich Pachers, eines Verwand ten Michaels, an den Tafeln der Wolf ganglegende an der Rückseite der Flügel. Sie wurden erst jüngst restauriert und zeigen ihre oft unterschätzte Schönheit. Im Zusammenhang mit der Geschichte von St. Woifgang mag es gestattet sein, auf das linke untere Bild dieses Zyklusses näher einzugehen, das den heiligen Wolfgang zeigt, wie er — im vollen Pontifikalornat übrigens, denn im Arbeits gewand konnte man sich damals einen Bischof nicht vorstellen — die Mauer sei nes Kirchleins aufführt. Ein Mönch hilft ihm dabei - die Legende von der Mit hilfe des Teufels war noch nicht aus gebildet. Im Hintergrund erblickt man die Landschaft des Wolfgangsees, das spitze Horn des Rettenkogels, das Käferwandl
t .. ".Ii! m St. Wolfgang, Pfarrkirche, Schmerzensmann '.T von Meinrad Guggenbichler, 1706, ein lili, Hauptwerk des Meisters, ii Foto: Elersebner im und den Bürgelstein. Die Häuser von Strobl sind zu erkennen und jener kurze, stelle Felsen, der an der Wirkungsstätte des heiligen Wolfgang zum See hin ab fällt, Ist angedeutet. Es handelt sich um die allererste Abbildung einer Salzkam mergutlandschaft, jener Gegend, die später so vielen Malern, von Wolf Huber über Waldmüller bis zu Gustav Kllmt, Anregungen gegeben hat. Bewundernswert Ist auch der einzigartige Erhaltungszustand des Altares. Er dient heute noch der Pfarrgemeinde von Sankt Wolfgang zum Gottesdienst und selbst In das theatrum llturgicum Ist er noch Immer einbezogen. Indem seine Flügel zu bestimmten Zelten des Kirchenjahres ge schlossen werden. Und doch verdanken wir vermutlich die Bewahrung dieses großartigen Werkes des Tiroler Meisters einem heimischen Künstler, wohl dem größten, der dem Gebiet des heutigen Oberösterreich ent sproß, Thomas Schwanthaler aus Ried Im Innkreis. Als der Abt von Mondsee, dem Modetrend der Barockzelt nachfolgend, den Pacheraltar durch einen zeltgemäßen Aufbau ersetzen wollte, überredete der Innviertler den Kirchenmann, das neue Werk welter hinten In der Kirche auf zurichten. Dort steht Schwanthalers Altar noch heute; auch er Ist eine Besonderheit der St. Wolfganger Kirche, denn wo In aller Welt gibt es einen Doppelaltar, frei stehend mitten In einer Kirche. Man er klärt diese eigenwillige Schöpfung auch damit, daß sie zwei alte, mit der Wolf ganglegende Im Zusammenhang ste hende Altäre ersetzen sollte. Der rechte Teil dient zur Aufbewahrung des Allerhelllgsten, während der linke eine alte, schon von den mittelalterlichen Pilgern verehrte Sitzfigur des heiligen Wolfgang birgt. Diese zierliche Statue aus der Mitte des 15. Jahrhunderts zeigt den Heiligen, der doch als abgehärteter Waldbruder galt, merkwürdigerweise In zarter Ge stalt; In sich zusammengekauert, macht er beinahe einen kränklichen Eindruck. Damit steht er In stärkstem Gegensatz zu den vitalen, schwungvollen Heiligen und Engeln Schwanthalers, die wie Im Sturm wind mit zerzausten Haaren und wehen den Gewändern vom Himmel niederfah ren, um sich den betenden Menschen In diesem Gotteshaus zu offenbaren. Neben der Kunst Schwanthalers wirkt die des etwas jüngeren Meinrad Guggen bichler, des Klosterbildhauers von Mond see, wiederum ganz anders, verhaltener. Inniger. Er hat In St. Wolfgang die Kanzel und mehrere Altäre geschnitzt und vor allem den eindrucksvollen Schmerzens-
mann an einem Pfeiler des kurzen Sei tenschiffes, eine zerschundene Jammer gestalt, die alles Leid der Menschen auf sich genommen hat. Hier besteht ein Kontrapunkt zum heiteren Leben von St. Woifgang, wie er stärker nicht denk bar ist, zu Ferienleben und Badebetrieb, ja selbst zu der gelösten Pracht des Pacheraitares. in der stillsten Ecke des Gebäudes steht diese kunstvolle Statue. Christus in seinem Leiden, wie er den Menschen mit verkrampften, biutverschwolienen Händen seine Fessein und verkrusteten Wunden vorweist. So stolz und überragend die Anzahl der Kunstwerke dieser Kirche auch ist, das eigentliche Interesse galt früher nicht ihnen, sondern den handgreiflichen An denken und Gedenkstätten des heiligen Wolfgang. In der Sakristei zeigte man den Pilgern seinen Kelch und Wander stab. Der Stab ist eingefaßt in kostbares Emaii, ein frühes Kunstwerk dieser Tech nik. Dann gab es auch noch den Stein, in den der Heilige seine Spuren eingedrückt hatte, und die Zeile, die ihm zur Wohnung diente. Beide Heiligtümer befanden sich früher neben der Kirche im Freien; ein Tafelbild in der Woifgangkirche zu Pipping bei München hält diesen Zustand fest. Da steht das schlichte, steinerne Hüttiein, behängt mit Votivgaben, davor der Spurenstein, links drängen sich die Mühseligen und Beiadenen heran, ein Blinder, ein Lahmer, ein Weib mit einem kranken Kind. Heute sind Stein und Zeile mit einer anmutigen Rokokokapeile über baut. Die Decke zieren farbenfreudige Gemälde des Saizburger Hofkünstlers Jakob Zanussi, die man erst kürzlich wie der freigelegt hat. Der Wolfgangbrunnen hingegen steht im mer noch neben der Kirche. Samt seinem Überbau ist er ein wichtiges Werk aus der Übergangszeit zwischen Gotik und Renaissance, ein Werk, dem schon ganz die Skepsis der kommenden Zeit anhaf tet, wenn etwa unter dem krönenden heiligen Wolfgang sich vier nackte Män ner herumtreiben, weiche die Folgen übermäßigen Weintrinkens demonstrie ren: Trunksucht, Durchfall und Biasenbeschwerden. Eine Inschrift vermeidet, der Abt habe diesen Brunnen gemacht, damit die armen Pilger, die sich keinen Wein leisten können, wenigstens ein gutes Wasser zu trinken hätten. Damit sind wir nicht nur wieder im Freien angelangt, sondern im eigentlich profa nen Bereich, auch wenn der heilige Woif gang über dem Ganzen thront. Denn er beherrscht ja doch den ganzen Ort; in den Gasthäusern findet sich überall sein Bild und in den Trachtenstuben, an den Fassaden des Gemeindehauses ebenso wie am Briefpapier der Kurverwaltung. Selbst im Hotel ,,Weißes Rößl" ist der Speisesaal mit einem Zyklus von Bildern aus seinem Einsiedlerleben geschmückt. Auch im Walinerhaus, einem in barocken Freskenschmuck prangenden Gebäude am Marktplatz, in dem der Überlieferung nach Michael Pacher gewohnt und die durch den Transport beschädigten Teile seines Aitares ausgebessert hat, gibt es natürlich eine Heiligenfigur. Sie steht an einem Ehrenplatz in der anheimeln den Konditorei, die seit jeher als Lebzeiterei den Pilgern Süßigkeiten und An denken bot. Mitten zwischen Vitrinen voll Kerzen, Spirituosen und Mozartkugein steht der Heilige, ein schönes Bild für die Selbstverständlichkeit, mit der man hier Geschichte und Geschäft ver bindet. Die Fremden, die das oft miß deuten, wissen nicht, wieviel Tradition im Volk hier weiterlebt. Sie haben noch nie die Burschen erlebt beim ,,Paschen", einem rhythmischen Klatschen, das ge radezu typisch ist für die Gegend. Sie werden auch nie bei einer Bauernhoch zeit gewesen sein, wo man streng und im Grund voller Stolz auf die Einhaltung der alten Bräuche achtet. So sind auch die Bauernhäuser zumeist in ihrer Behä bigkeit erhalten geblieben und werden in ihrer alten Form bewahrt. Der echte Woifganger liebt seine Heimat; Männer und Frauen betonen das oft ganz unvermit telt im Gespräch und unter den bisweilen recht derben Gstanzln erklingt es immer wieder: ,,Wolfgang, das liegt im Tal, das sag i allemal; san scheni Mentscher drein, da mecht i sein." In diesem Zusammenhang muß unbedingt noch auf etwas anderes verwiesen wer den. Wenn man nämlich von Musik in St. Wolfgang spricht, dann denkt man nicht an Gstanzln, dann erklingen Operet tenmelodien; der schöne Sigismund tritt auf und der gute alte Kaiser; der Leo pold schmachtet seine Wirtin an und alles jubiliert: ,,im Weißen Rößl am Wolfgang see." Das schöne Haus mit den an genehmen Terrassen und dem einzig artigen kleinen Badestrand unterhalb der Kirchenarkaden ist jedoch gar nicht der Urschaupiatz des Singspiels vom Gast haus ,,Zum Weißen Rößl", das zwei Wie ner Theaterlöwen namens Oskar Blumen thal und Gustav Kadelburg 1897/1898 schrieben, begeistert von der Schönheit der Rößiwirtin in Lauften bei Bad Ischl, die eine geborene Gandl aus St. Wolf gang war, und dem Charme des Ober kellners Leopold in der ,,Rudolfshöhe" zu Ischl. Bald übertrug sich der Schauplatz der Handlung von Lauften auf den viel attraktiveren Wolfgangsee. Das geschah 1929, als Ralph Benatzky,vom Schauspie ler Emil Jannings auf den dankbaren Stoff aufmerksam gemacht, das anspruchslose Singspiel zu einer Operette umformte. Seine zugkräftigen Melodien wurden noch durch Klänge von Rudolf Stolz an gereichert und so entstand einer der letzten durchschlagenden Erfolge der alt gewordenen Königin Operette. Hier lebt sie noch in aiter Frische und Unbefan genheit und preist die Lebensfreude und Schönheit der heiteren Welt am Wolf gangsee: ,,Die Leute tun, als ob die Schönheit ein Vergeh'n wär, sie soliten froh sein, daß es so was Schönes gibt!" So sind nun aiie Akkorde von St. Woif gang, die auf den ersten Blick gar nicht zusammenstimmen, aufgeklungen. Sollte man das alles zusammenzählen und gleichsam eine große Schiußrechnung an steilen, in der Art: Bergweit plus heiligem Woifgang plus See plus Kunst und Operette ergibt (derzeit) vierhunderttau send Nächtigungen pro Jahr? Es wäre eine große Fehlrechnung. Es gilt nicht, aiies, was uns die Jahrhunderte hinter lassen haben, zusammenzurechnen und schnell zu Geld zu machen, sondern der Rechnung weitere Posten hinzuzufügen und sie noch lange weiterzuschreiben. Entgegen mancher übeiwoliender Mei nung weiß dies die Bevöikerung von St. Wolfgang. Man ist sich der Probieme des Ortes bewußt und bemüht sich um ihre Lösung. Nicht vieie Gemeinden bau ten so früh eine Voilkanalisation, wenige schufen so baid einen Bebauungsplan. Gegenwärtig geht es darum, den Ver kehr zu entfiechten, das Landschaftsbild zu bewahren, und was dergleichen kom munale Aufgaben mehr sind. Man an erkennt aber auch die kuiturelien Ver pflichtungen. Es wurde ein hochwertiges Heimatbuch herausgegeben, alte Häuser wurden renoviert und für das 1000-JahrJubiiäum bereitet man eine Fülle von großangelegten Veranstaltungen vor. Möge dadurch das Bewußtsein, welche Verpflichtungen landschaftliche Schön heit und kuitureiler Reichtum mit sich bringen, für dauernd gestärkt werden, es wäre der schönste Sinn eines solchen Festes.
Oberösterreich und die Geschichte des gotischen Fiügeiaitares Wilfried Lipp Ein Thema, begrenzt und weit zugleich: Erster Gedanke — in diesem Jahr stärker und vorbereiteter einschießend als sonst — St. Wolfgang, Michael Pachers Werk. Daneben Kefermarkt, noch immer vom Zauber seines rätselhaften Ursprungs umhüllt. Aber wie oft ist es auch hier das Untypische, weiches das Maß bestimmt. Zwischen den beiden Waagschalen Sankt Wolfgang und Kefermarkt scheint ande res ungewichtig. Es hieße aber mit fal schen Gewichten messen, wollte man die Einzigartigkeit an der breiten Fülle eines Landes abwiegen. Und außerdem gilt es das Fragmenta rische, das Bruchstückhafte des überlie ferten Bestandes zu bedenkenh Welche Berge von Gotik, wieviel von den mittel alterlichen Sinnbezügen der Heilserwartung^ ging mit den Altären dahin! Ein Beispiel vor Augen: Oberösterreich be sitzt noch immer über 400 gotische bzw. im Kern gotische Sakralbauten^. Archi tektur widersteht den Fährnissen der Ge schichte mehr als Bild- und Malwerk und so kann die Zahl als kleinste Basis be trachtet werden. Man kann mit gutem Grund annehmen, daß fast in jeder dieser Kirchen ein oder mehrere gotische Altäre waren". Dazu kamen Altäre in den Kapei len der Burgen und Schlösser, den Land kapellen und Häusern vornehmer Bürger. Aus dieser Fülle blieb ein schmaler Rest bis auf heute tradiert. Die hohe Qualität des Besten und das zuweilen bäurisch Derbe der übers Land verbreiteten Altar werke lassen immerhin eine Ahnung der ursprünglichen Situation zu. Der überlieferte Bestand gotischer Altäre in Oberösterreich gehört fast ausnahms los dem Typus des Flügeiretabels an. Es soll daher Entstehung, Verbreitung und Bedeutung dieses in Oberösterreich in so bedeutenden Werken kristallisierenden Typs im Zentrum dieses Beitrags stehenT Unter Fiügeiaitar versteht man ein mit seitlichem(n) Flügel(n) versehenes, daher mindestens zwei-, in der Regel dreiteili ges Retabel. Die beweglichen Seiten flügel können geöffnet und geschlossen werden. Die Retabel können entweder nur gemalt oder nur geschnitzt sein, die häufigste Form ist jedoch eine Verbin dung von Malerei und Plastik, wobei der Mittelteil (Schrein) zur Aufnahme plasti scher Teile bevorzugt wird. Die Anzahl der Flügel kann durch Teilung bzw. Kop pelung verdoppelt werden, was zusam men mit der Gliederung in sich eine mannigfaltige Gestaltungsmögiichkeit er gibt. Predella-Untersatz und GesprengeSt. Wolfgang, Pfarrkirche, gotischer Flügelaltar von Michael Rächer, Kopf Marlens aus der Schreingruppe Krönung Maria. Sämtliche Fotos dieses Aufsatzes: Max Elersebner Aufsatz ergeben ein Feld künstlerischer und programmatischer Erweiterung. Die Verbreitung dieses Typus' hat seinen Schwerpunkt in Deutschland und Öster reich (einschließlich Südtiroi), der Schweiz, Belgien und Skandinavien. In den romanischen Ländern blieb der Fiü geiaitar meist nur importierte Ausnahme erscheinung. Herrscht in Italien der Typus des architektonisch aufgebauten Retabels bei weitem vor, so liegt in Spa nien der Schwerpunkt der Verbreitung beim Tafeiretabei. Immerhin aber ent standen in Spanien — angeregt durch eingeführte Fiügelaitäre — auch wenige bedeutende Retabel dieses Typs, etwa das Hochaltarretabel von Toledo oder jenes der Kathedrale von Tortosa, das aber eine Mischform, ein architektonisch aufgebautes, mit Flügeln ausgestattetes Altarwerk darstellt. Frankreich bietet hinsichtlich der Verbrei tung der Fiügelaitäre ein unterschiedli ches Bild: Ist der Typus im Zentrum und und im Süden des Landes nur wenig ver treten, also im Kernland der lle de France, im südlichen Burgund und der Provence, so sind Fiügelaitäre im Nor den, Nordosten und Westen verbreitet. Vielfach sind englische und flämische Künstler Urheber solcher Altäre. Von einem Flamen namens Jacob de Baerze stammen auch die beiden sehr bedeuten den und frühen geschnitzten Fiügeiretabel, die für Philipp den Kühnen 1391 für die Kartause Champmol ies Dijon geschaffen wurden (heute Museum Dijon). Die französischen Fiügelaitäre sind ohne Predella und Bekrönung, die Flügel in der Regel nur bemalt, im Ge gensatz zu den plastischen Bildwerken des Mittelteils. In zahlreichen Museen Frankreichs haben sich auch noch typische englische Aiabasterretabel mit Flügeln, meist schlichte, durch Leisten gegliederte Bildertafein, erhalten. Von der Peripherie langsam näher zur Mitte: In Österreich, Deutschland und der Schweiz, aber auch im Westen und Nor den Europas herrscht das Fiügeiretabei bei weitem vor und wird im späten Mit telalter der vorwiegende Typus, der die anderen Formen des Retabels nahezu ganz verdrängte. Aus diesem Kernbereich des gotischen Fiügeiaitares hat sich eine große Zahl von Retabeln bis heute erhalten. Nach einer Aufsteilung bei Braun' sind es allein in Deutschland über 1700 (I), in Österreich 350', in der Schweiz 70. Diese Zahlen berücksichtigen großteils nur weitgehend vollständig erhaltene Be stände. Flämische Retabei waren über weite Teile Europas verbreitet, beson ders aber in den angrenzenden Rheinianden und Westfalen. 160 Altäre dieser Provenienz sind statistisch erfaßt. Zur Eigenart der Fiügelaitäre in diesem mitteleuropäischen Kernbereich zählt die Ausbildung einer Predella, die ab dem 15. Jahrhundert mit zum üblichen Auf bau gehörte. Vielfach ragt — die österrei chischen Beispiele zeigen dies — dieser Untersatz seitlich über den Mittelteil hin aus, um bei geschlossenen Flügeln als Aufsatz von Standflügeln oder als Figu renpodest zu wirken. Der Körper des Retabels (das Mittelstück) wurde nur in seltenen Fällen als architektonisch auf-
st, Wolfgang, Pfarrkirche, gotischer Flügelaltar (1471—1481), reich bewegte Schreingruppe mit Darstellung der Krönung Maria, links und rechts (in dieser Abbildung verdeckt) hl. Wolfgang und hl. Benedikt .1 • A A * •• V-> >■ V i' 'V . ^Vf l 1 tlrff .1 IS
Kefermarkt, Pfarrkirche, gotischer Flügelaltar (1490-1497), Köpfe der drei Schreintiguren (von links nach rechts) hl. Petrus, hl. Woltgang, hl. Christopherus * *'■ Ä m '■ j' 1 gebautes Retabel (siehe oben Retabel in der Kathedrale von Tortosa), sondern na mentlich bei der deutsch-österreichisch niederländischen Gruppe als Tafelretabel oder als Schrein ausgebildet. Dieser Mit telteil ist nicht selten überhöht, dabei ab getreppt (Hochaltäre, Jakobskirche zu Rothenburg und Bönnigheim/Württemberg), oder kleeblattartig (Hochaltar im Breisacher Münster, Nebenaltar in der Hohenfurther Klosterkirche in Böhmen, oder, um ein österreichisches Beispiel zu nennen, das Retabel in der Doppel kapelle in Schwaz). Stichbogig ge schwungen ist der Mittelteil der Altäre in St. Johann in Bozen, in SchwäbischHall, aber auch in St. Michael In Rauhenödt und im Waldburger Seitenaltar. In einem Kielbogen schließt der Altar von St. Martha in der Steiermark, in einem seltenen Sternbogen der Altar von Gröbming. Besonders mannigfaltig sind die oberen Abschlüsse der niederländischen Flügelretabel. Der Rahmen ist schmal und einfach profiliert, bei den üppig aus gestatteten Altären mit gemalten, gepreß ten oder geschnitzten Friesen, die mit Ranken oder Figuren besetzt sind, be sonders reich etwa beim Rächer Altar zu St. Wolfgang. Eine Besonderheit der süddeutschen und österreichischen Flügelaltäre ist das Flankieren des Mittelteils durch Statuen, wegen ihrer Position „Schreinwächter" genannt. Dadurch erhält der Altar auch im geschlossenen Zustand eine gewisse Breite. Die Flügel sind in der Regel zu beiden Selten des Mittelstückes angebracht, Beispiele, wo ein einziger Flügel den Schrein schließt, sind sehr selten (Lübeck, Marienkirche). Das Flügelpaar wird bei den größeren Altären verdop pelt, ja verdreifacht. Je nach der Anzahl der Flügelpaare ist ein zwei- bis vier facher Wechsel der Ansicht möglich. Der obere Abschluß der Flügel richtet sich nach dem Abschluß des Mittelteils, wo durch bei geöffneten Flügeln oft bizarre, achsensymmetrische Umrisse entstehen. Die Darstellungen auf den Flügeln sind meist gemalt, geschnitzte Reliefs kom men nur bei Retabeln mit plastischen Bildwerken im Mittelstück vor. Die Bedeutung der Flügel entspricht den Re geln der Liturgie; Durch Öffnen und Schließen wird dem Altar ein einfacher oder festlicher Charakter gegeben, ge mäß den Anforderungen des Kirchenjah res. Die Szenen der verschiedenen Pha sen stehen dabei in einem narrativen Sinnzusammenhang. Neben den liturgi schen Erfordernissen erfüllen die Flügel aber auch eine praktische Schutzfunk tion, da die meist reich vergoldeten Schreindarstellungen so nicht ständig widrigen Einflüssen ausgesetzt sind. Die hochaufragenden Bekrönungen sind besonders im mittel- und süddeutschen sowie im alpenländischen Bereich üblich, während in Norddeutschland und Eng land lediglich Kamm- oder Zackenfriese den Abschluß bilden. Das gerade in unserem Bereich vollendet ausgebildete Gesprenge ist meist mit Statuen be setzt, ein phantastisches Gebilde aus Ranken und Schlingen, Fialen, Lauben und Baldachinen. Die Höhe des Gespren ges übertrifft nicht selten das Ausmaß des Schreins und gibt dem Flügelaltar das Aussehen einer überdimensionierten Monstranz. Die bedeutenden oberöster reichischen Altäre besitzen sowohl Kamm wie Gesprenge, in erster Linie wohl deshalb, um den sonst harten Über gang vom Gehäuse zum Gesprenge for mal zu mildern. Eine weitere Art des oberen Abschlusses ist das Anbringen von bekrönenden Statuetten allein, eine Form, die vor allem in den Niederlan den bevorzugt war. Hinsichtlich der Ent stehung, des zeitlichen und räumlichen Ursprungs, kann gesagt werden, daß die Herrschaft des Flügelaltares vom aus gehenden 13. bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts langsam zunimmt, um dann in der 2. Hälfte des 15. und im 1. Drittel des 16. Jahrhunderts den Höhe punkt zu erreichen. Vereinzelt hält sich der Typus bis ins 17. Jahrhundert. Das früheste Beispiel eines Flügel retabels in Österreich ist der von 1181 stammende Verduner Altar in Kloster neuburg. Dieses Emailwerk war ur sprünglich Amboverkleidung und wurde 1331 zu einem Flügelaltärchen® zusam mengestellt. Inwiefern ein Einfluß auf die Entwicklung des heimischen Flügel altares abzuleiten ist, muß eher zurück haltend beurteilt werden. Immerhin doku mentiert das Altärchen jenen frühen Typus eines Flügelaltares, dessen Ge brauch auch literarisch durch ein von Dekan Liciardus abgefaßtes ördinarium der Kathedrale zu Laon belegt Ist'. Frag mente eines großen Flügelaltares der Hochgotik sind zwei Flügel im Museum von Worms aus der Zeit um 1250. Die Frage nach der Herkunft ist ebenso wie die der frühesten Entstehung noch un entschieden, doch berechtigt der erhal tene Bestand an derartigen Denkmälern zur Annahme, daß der Typus In seiner
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