Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 4, 1975

Gedichte Elfriede Prilllnger Von einer Ahnung Man kann nicht: weinen und gleichzeitig einen Kirschbaum aufblühen sehen im Mai,wenn die Tage als reine blaue Gebärden über die Berge weisen. Selbst der tauige Nachtschein des Monds spricht ja mit wortlosen Lippen von einer Ahnung, die größer ist als die Fülle des Lichts: weil eine Fruchtzu wachsen beginnt. Dem Sommer sagen die Blätter Dem Sommer sagen die Blätter: geh jetzt — wir haben genug von dir. Wir sind müd. Und sie fallen ermattet auf eine Straße, und ein Rad,unter den Schritteines Menschen, der vielleicht genau so müd ist wie sie. Wer weiß schon,wann Herbstanfang ist. Manchmal nennt er sich kaum, wir aber gehen lang schon mitihm Hand in Hand. Man muß die Erde mit Händen greifen Man muß die Erde mit Händen greifen und daneben die Dunkelheit — man muß den Samen aus Ähren streifen, während am Waldrand ein Vogel schreit. Man muß sich mühen,den Bogenzu fassen, den unser Atem den„Traum"benennt (man kann sich nur von einem umschließen lassen, das man ein wenig mit Namen kennt). Man muß dem Tod in die Furchen schauen — er sät die schönste Blume,den Mohn. Man muß gehen und reden und Häuser bauen. Und wissen:der Abend wartet uns schon. Als man ein Kind war Es wird nicht vorbeigehn,dieses Gefühl, daß die Wolken,auch wenn sie von Gott weiß woher ziehen, irgendeinmal meine Berge treffen und ihnen sagen: ich bin in Gedanken bei euch. Es wird nicht vorbeigehn diese Gewißheit: das ist die Heimat,hier kenneich jeden Baum, die Steine sind meine Brüder und das Wasser bedeutet „hier bin ich zuhaus". Es wird nie vorbeigehn die Sehnsucht wieder einzutreten in den kühlen Waldstreif Erinnerung und alles zu finden wie es gewesen als man ein Kind war. Mittenim Finstern Wenn der besondere Abend kommt am Ufer des Stroms: die Bäume schlafen. Auch die Häuser schlafen. Alle träumen — die Nachtschützt sie gut. Und die Weltfängtzu wachsen an. Denn mitten im Finstern wird alles eins sein: wird der Mond und wird der Himmel an einem einzigen Faden hängen,den Gott allein zieht. Am Rande des Wassers Am Ufer stehn,wenn der Fluß leise singt. Die Träume zählen,die in den Weiden hängen und die im Ruderschlag sind. Wo der Abend beginnt — am Rande des Wassers — wirft manchmal der Mond sein Gesicht in die Wellen und Sternlicht wird ein zitternder Stab; Und über den Fluß hin als ein weinender Nebel: der vergebliche Griff des ewigen Wassers nach einem Stein,der nicht weicht.

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