Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 4, 1975

rung der Renaissance und des Barocks Steyr eine gotische Stadt geblieben und kann sich sicherlich mit Nürnberg, Rothenburg, Dinkeisbühl, Nördlingen oder Hildesheim messen, in der Zeit der Glaubensspaltung erfuhr Steyr eine kurzfristige Konjunktur. Dies mag der Grund sein, daß die Re naissance nur geringe Spuren im Bild der Stadt hinterlassen hat. Als kulturhistorische Besonderheit ist der 1572 in Zwischenbrücken entstandene Wasserturm zu werten. Er bestimmte bis 1909 wesentlich die Ansicht der Stadt, bis seine Höhe um ca. ein Drittel verringert wurde. Sogar Kaiser Rudolf II. bekundete 1586 reges Interesse an diesem, für die damalige Wasserversorgung neuartigen Bauwerk. Das wuchtige, in der neuesten Zeit durch Verkehrsbauten geringfügig veränderte Neutor nimmt den Blick des über die neue Brücke Kommenden sofort gefan gen. Die Anlage wurde nach der Hoch wasserkatastrophe vom 8. Juli 1572 als Wasserschutzbau errichtet. Ein stilreines Renaissancegebäude ist das Haus Pfarrgasse Nr. 1, das ehema lige Amtsgebäude der Bezirkshauptmann schaft Steyr-Land. Darüber hinaus hat sich die Bautätigkeit der Renaissance auf die hofseitige Erweiterung der bestehen den Häuser beschränkt und daher im Stadtbild fast keinen Ausdruck erfahren, in den vielen Höfen dagegen hat die Re naissance mit reizvollen Arkaden und Galerien Eindrucksvoiles hinterlas sen. Der Friedhof um die Pfarrkirche war zu klein geworden, sodaß sich die Stadtvä ter entschlossen, 1572 einen neuen Got tesacker anzulegen. Der alte Taborfriedhof stellt mit dem Sebastianifriedhof in Salzburg wohl den einzigen Gottesacker in der Form der italienischen ,,Campi santi" nördlich der Alpen dar. in dieser Zeit entstanden in Steyr auch Schlösser und Ansitze von Adeligen, doch haben diese das Stadtbild kaum beeinflußt. Zugleich wurden gotische Bauten, vor allem sakrale, baulich vollen det, neugestaltet oder in ihrer Innenein richtung verändert. Bekanntlich wurden die gotischen Häu ser meist durch Höfe erweitert. Der Auf riß selbst blieb durchwegs unverändert. Eckhäuser wurden mit runden Türmchen ergänzt. Um die glatte Fassade doch et was zu differenzieren, versah man diese mit den aus Italien stammenden Kratz putzverzierungen. Die reizvolle, durch die Gotik geprägte Stadtansicht veranlaßte bedeutende Künstler, die Stadt in Bildern festzuhal ten. 1554 schuf der Radierer und Medailleur Hans Lautensack anläßlich eines Aufent haltes während einer Reise von Nürnberg nach Wien eine künstlerisch wertvolle Darstellung. Der Steyrer Goldschmied Woifgang Hauser fertigte in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts eine Ansicht in Kupfer an. Die politischen Ereignisse im 17. Jahr hundert belasteten die Wirtschaft Steyrs schwer. Als sich die Stadt zu erholen begann, machte dieser Entwick lung der größte Stadtbrand am 29. August 1727 ein furchtbares Ende. Insgesamt 143 Objekte fielen damals den gefräßigen Flammen zum Opfer. Der Barockstil war schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts in die Stadt einge zogen. So hatten 1635 die Jesuiten den Grundstein für die Michaeierkirche ge legt. In den Jahren 1642 bis 1647 erhielt die Dominikanerkirche ihr frühbarockes Antlitz. In den fünfziger Jahren waren die Zöiestinerinnen mit ihrer Niederlassung ,,am Berg" gefolgt. Zwar nicht im Weich bild der Stadt, hatte man 1677 mit der Errichtung der Wallfahrtskirche in Christkindl begonnen. Die in dieser Zeit ent standenen Ansichten zeigen die Stadt im baulichen Umbruch. Der Kupferstich von Matthäus Merlan aus dem Jahre 1642 weist Steyr aus der Vogelperspektive. Dieses Bild diente der Steyrer Ansicht aus der Topographie von Georg Matthäus Vischer anno 1674 als Vorlage. 1693 entstand ein Kupferstich nach einer Zeichnung des Malers Karl von Reselfeld. Der schadhafte gotische Turm der Pfarr kirche wurde in der Barockzeit einer gründlichen Erneuerung unterzogen und erhielt nach einer Erhöhung eine barocke Kuppel aufgesetzt. Im Bereich der Pfarr kirche wurde mit der Vollendung des schon länger im Bau befindlichen Pfarr hofes 1687 ein baulicher Akzent gesetzt. Die Klosteraufhebungen Im Zeitalter des Josephinismus beeinflußten nicht sehr stark das Bild der Stadt. So wurde nach der 1786 erfolgten Aufhebung des Kapuzinerkiosters die in diesem etwas peripheren Stadtteil dominierende Kirche ab getragen. Der Großbrand von 1727 hatte auch die alte Styraburg schwer beschädigt. Die Grafen von Lemberg, die 1666 von Kaiser Leopold I. mit der Grundherrschaft Steyr auch das Schloß erworben hatten, be schlossen, die wehrhafte Burg, die ihre Funktion schon längst verloren hatte, durch ein barockes Repräsentativschloß zu ersetzen. Die meisten Fortifikationen fielen, das oberste Stockwerk wurde nicht wieder errichtet. Der dominante Bau am Stadtplatz ist das Steyrer Rathaus. Die Schadhaftigkeit des alten Mittelpunktes städtischen Lebens bedingte um die Mitte des 18. Jahrhun derts einen Neubau. Erst nach 1765 ent stand dieser nach den Plänen des Bür germeisters und Baumeisters Gotthard Hayberger. Die Bürger der Stadt wollten der Stadtverwaltung nicht nachstehen und veränderten die Fassaden ihrer F!äuser, doch blieb der gotische Grundcha rakter erhalten. Den Gebäuden wurden meist barocke Schauseiten vorgeblendet. So sind in Steyr mittelalterliche und ba rocke Bürgerhäuser zahlreich und in so seltener Geschlossenheit wie kaum an derswo in Österreich erhalten geblieben. Die auf das Barock folgenden Zeiten und Kunstepochen haben im äußeren Erschei nungsbild kaum Ausdruck gefunden. Ein neugotisches und im Ensemble des Stadtplatzes etwas aufdringliches Objekt ist das 1900 auf dem Areal zweier alter Bürgerhäuser errichtete Sparkassenge bäude, doch kann man dieses schon in den Kreis der historischen Gebäude der Altstadt einbeziehen. In vielen Städten hat die Industrialisie rung des 19. Jahrhunderts das Stadtbild oft stark verändert. Von dieser Entwick lung ist die Eisenstadt Steyr, die durch die jahrhundertelange Verarbeitung des schwarzen Metalies in ihren Mauern da für prädestiniert gewesen wäre, ver schont geblieben. Die Nachfolgebetriebe der im Wehrgraben gegründeten Verar beitungsstätten, vor allem das Hauptwerk der heutigen Steyr-Daimier-Puch AG, wurden an der Peripherie der Stadt er richtet und haben dem historisch gewor denen Bild der Altstadt keinen Abbruch getan. 1975 wird das ,,Jahr des Denkmaischut zes" begangen und zur Erhaltung von altüberkommenen Bauten und Kunstwer ken sind viele Initiativen gesetzt worden, die sich erst in den kommenden Jahren auswirken werden. Schon vor diesem Anlaß ist in der alten Eisenstadt viel für die historischen Bau ten getan worden. Seit dem Beginn der fünfziger Jahre werden alljährlich nach finanziellem Vermögen der Eigentümer und der Subventionsgeber eine Reihe

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