lieh" geworden ist. Deshalb kennzeichnen sie den Stiel. Früher mußten sie es selber bezahlen. Deshalb wird das Arbeitsgerät oft eingesperrt, etwa in einer großen Werkzeugkiste. Die Scheib truhe hängen die Arbeiter an einer Kette an und schließen mit einem Vorhang schloß ab. Da auch die Schutzfäustlinge begehrt sind, werden sie sorgfältig ver wahrt. Die Overalls der Gießer, die Asbest-Schutzanzüge, der Hüttenhut und die ,,Unfailschuhe" werden vom Werk beigestellt. Für ihre Erhaltung ist der Arbeiter verantwortlich. Es ist aber auch wirklich kein Spaß, wenn der Hochofen arbeiter seine Handschuhe nicht findet und ohne sie dasteht. Feste im Jahresiauf, die man in einem Großbetrieb feiern kann, gibt es nicht viele. In der Vorweihnachtszeit gibt es einen Brauch, der die Familie oder die Frau des Arbeiters in den großen Kreis einbezieht. So veranstalten Arbeiter der Kokerei in der Vorweihnachtszeit einen Besuch ihrer nächsten Angehörigen im Werk. Dazu mieten und zahlen sie für einen Werksautobus, der ihre Frauen in das Werk bringt, daß auch sie den Arbeitsplatz des Mannes kennenlernen können. Durch eine Führung werden sie informiert, um nachher mit den Männern einen netten ,,Famiiienabend" im Seeisorge-Zentrum feiern zu können. Jeder Mann erlegt pro Person 50 Schilling Spesenbeitrag, der Küchenverwalter und das Personal stehen kostenlos und ka meradschaftlich zur Verfügung. Sicher wird manches Vorurteil, manch falsche Vorstellung somit abgebaut und dient zum besseren Verständnis für die Pro bleme um Arbeiter und Werk. In der Weihnachtszeit stellt die Werks leitung einige hohe Christbäume auf, die beleuchtet werden. Es werden auch sehr viele Weihnachtsfeiern veranstaltet. Im Ablauf dieser Feiern steht die Besche rung im Mitteipunkt. Doch gibt es auch kleinere Christbäume, die vor der Kokerei, oder der Schmiede, vor den Hochöfen stehen. Diese vor der ,,Bude" stehenden Christbäume werden von den Arbeitern selbst aufgestellt. Die ser ,,ihr" Baum steht dann da, wie der Maibaum am 1.-Mai-Morgen im Crt. In der Hl. Nacht arbeiteten 1970 etwa 1420 Menschen im Werk. Irgendwann in der Weihnachtsnacht setzt sich die Arbeits partie zusammen — wie es eben die Produktion erlaubt. Dann feiern sie bei einem kleinen Bäumchen mit Kerzen lichtern ihren Weihnachtsabend. Als man von diesen Weihnachtsfeiern erfuhr. richtete die Generaldirektion ihre Besuche im Werk so ein, daß sie zu den Arbeiter-Weihnachtsfeiern zu recht kamen. Anfangs war das den Ar beitern nicht recht, aber dann gewöhnten sie sich daran. Das erstemal waren die Männer ein wenig verlegen, well es Platz schwierigkeiten gab und weil sie nur ein paar Gläser „für alle Fälle" ausgeborgt hatten. Doch dann sammelten sie sich, zündeten ruhig die Kerzen ihres Bäum chens an und stimmten das Weihnachts lied ,,C Tannenbaum" an. Bei der ersten Strophe sangen alle mit. Doch die Männer vom Werk konnten mehrere Strophen, die sie schließlich allein weitersangen. Dabei fiel auf, daß ihr Kreis aus alten Männern bestand. Überall im ganzen Werk teilen sich nämlich die Arbeiter im Einvernehmen mit dem Betriebsleiter den Weihnachtsdienst ein. Nach Tunlichkeit werden Familienväter abgelöst, und ganz junge oder alte Männer kommen freiwillig zur Arbeit in der Weihnachts nacht. Nachdem alle Platz gefunden hatten, griffen alie Anwesenden ohne Unterschied zu den Bierflaschen, tranken daraus und verabschiedeten sich schließiich mit einem ehrlichen, herzlichen „Glück auf!" Weihnachten 1974 sangen danach eine Gruppe von jugoslawischen Gastarbei tern als ihren Beitrag mit ihrem Vor sänger ein choralartiges schönes Weihnachtsiied. Es ist sehr verwunderlich, wo überall ein Weihnachtsbäumchen aufge stellt wird, auf der Erzbahn, hoch oben, im L. D. Stahlwerk, am Roheisenmischer u. a. m. Der Gewährsmann, der vieie die ser Weihnachtsfeiern selbst erlebte,sagte davon: ,,Was Ethik der Arbeit, Glück in der Pflichterfüllung für Kameraden, Werk und werktätige Gemeinschaft ist, kann der ermessen, der die Männer am Hoch ofen in der Heiligen Nacht sah und hörte, wenn sie unter sich mit rauher Stimme ihr ,Stiile Nacht, heilige Nacht'singen." Das Fest der hl. Barbara, der Schutz patronin der Bergleute, wird alljährlich in allen Bergbauorten Österreichs von der gesamten Beiegschaft als Standes fest feierlich durch Kirchgang, Festver sammlung und Festessen mit Freibier begangen. Davon unterscheidet sich die Barbarafeier der VÖEST wesentlich, denn sie findet nur in der Kirche statt. Der Hauptteil ist dem Totengedenken gewid met. 1955 wurde sie das erstemal abge halten. Der Arbeitergesangsverein wurde zur Mitwirkung aufgefordert, was dieser als Ehre auffaßte. Auch die Werksmusik wurde zur musikaiischen Gestaltung ein geladen. Die idee der Veranstalter war es ferner, möglichst viele Vertreter der einzelnen Werks-Betriebe tätig in der Feier einzusetzen. Anfangs postierte man nur die Schmelzer und Hüttenarbeiter mit Helm und Asbestanzügen um den Altar. Dann kamen Hochofenarbeiter mit ihren Abstichstangen und schließlich wurden noch andere Vertreter der Werks betriebe und auch Frauen in die Gruppe aufgenommen. Sie nehmen um den Altar feierlich Aufstellung, nachdem sie unter den Kiängen der Musik in die Kirche ein gezogen sind. Den Kranz legen sie zu Füßen des Altares bis zur feierlichen Niederlegung beim Totenmal. Nach ihrer Aufstellung zelebriert der Werkskaplan mit einer großen Anzahl Ministranten die heilige Messe mit einem Bläserchoral und Texten aus der hl. Schrift. Die Predigt ist auf die Seelsorge der Werksgemein schaft ausgerichtet. Der Arbeitergesangs verein leitet mit dem Chorgesang:,,Fahre wohl du goldne Sonne" das Totengeden ken ein. Darauf folgt die Verlesung der Namen derer, die im Laufe des letzten Jahres bei der Arbeit verunglückt sind. Für sie wird ein stilles ,,Vaterunser" gebetet und schließlich die Bitten der Gemeinschaft vorgetragen. ,,Herr er barme Dich, Christus erbarme Dich, Herr erbarme Dich" wird für die Toten, für die Angehörigen und für das Werk jeweils von den Bläsern, vom Chor und dann mit dem Volk zusammen gespielt und gesungen. Die Biäser schließen mit der Melodie vom guten Kameraden ab. Die Vertreter der Werksbetriebe, die um den Altar stehen, setzen sich mit dem Gene raldirektor und dem Werkskaplan lang sam in Bewegung und begeben sich durch die Kirche zum Ehrenmal vor die Kirche, um den Kranz niederzulegen. Die Kirchenbesucher bleiben still stehen und erwarten so die Abordnung zurück. Die Eucharistiefeier wird danach fortgesetzt. Mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Großer Gott wir loben dich" wird das Bekenntnis zu Gott, Werk und Werks gemeinschaft abgelegt. Die Barbarafeier der VÖEST knüpft mit ihrem Totengedenken an die Funktion der Heiligen als Schutzpatronin vor einem plötzlichen Tod an, dem die Berg- und Hüttenleute In ihrem gefahrvollen Beruf immer ausgesetzt sind. Überliefertes und angepaßtes Brauchtum bilden gerade In der Industriellen Ar beitswelt einen wertvollen Ausgleich und eine echte Hilfe bei der oft schwierigen Anpassung an die großen Erfordernisse der Gegenwart.
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