Vertreter von Presse und Rundfunk sind. Im Jänner 1953 konnte die VÖEST ein großes Werksfest feiern. Es wurden zwei Großbetriebe In Anwesenheit von Bun despräsident Körner erstmals In Betrieb genommen, und zwar die Breitband straße und das Blasstahlwerk. Ein leuch tender Tannenbaum, eine festliche Kulisse aus Tannenreisig, Fahnenreihen, das Spaller der Werkslehrlinge begrüßte die Gäste. Bei diesen Werksfeiern liegt Immer eine große Spannung über dem Raum. Dies Ist zu verstehen, wenn man bedenkt, wieviel Arbelt, Sorgen und An spannung dem nun kommenden letzten Akt vorausgegangen sind und wie viele Elnzellelstungen erbracht werden mußten. Nun stehen die Arbeiter Im Mittelpunkt. Nach der eindrucksvollen Arbeltsprobe nehmen sie Ihre gewohnte Arbelt wieder auf, nachdem sie In den Festreden beglückwünscht und für Ihre brave Leistung bedankt worden sind. Solche Betriebsfeiern gibt es Immer wie der. Sie stehen am Ende einer bedeuten den Arbeltsphase. Bräuche, die sich dar aus entwickeln,sind anlaßgebunden. Etwa wurde einmal „nach altem Brauch" ein gefülltes Glas auf ,,gute Arbelt" vom Generaldirektor In die neuen Anlagen geleert, oder er zündete mit einer mit Bändern umwundenen Fackel bei einer Ofenkammer eine Gasflamme an, was symbolisch die Inbetriebnahme der An lage zeigte. Die Arbeiter erhielten, wie bei den meisten dieser Werksfeiern, Würstel und Bier als Festessen und Um trunk. Zum Festschmuck gehört es, daß der alte Flüttenwerkerspruch ,,Glück auf" mit Tannengrün umwunden wird und weithin sichtbar Ist. Der Gruß ,,Glück auf", begegnet uns Immer wieder; denn Im Werk gilt er als allgemeingültige Grußformel, In beson deren Situationen, wie etwa bei einem Festakt, Ist er als besonders herzlicher Wunsch gemeint. Der Gruß ist In der zweiten Flälfte des 16. Jahrhunderts Im Erzgebirge entstanden und etwa 100 Jahre später allgemein In Gebrauch ge kommen. Er wird In viele Sprachen über setzt. Die ursprüngliche Bedeutung des Grußes war rein materiell mehr der Wunsch, das Glück schließe sich dir auf, es möge „Dir Bergmann reicher Berg segen beschieden sein", das heißt, der Erzgang möge reich und mächtig sein. In der Oberstelermark war auch eine Ant wort gebräuchlich: ,,Gott GIb's". Die Schrifttafeln mit dem Spruch „Glück auf" haben die Arbeiter oft selbst hergestellt. Die Buchstaben sind gelegentlich aus Elsen und werden von den Arbeltern selbst geschmiedet. Das Wahrzeichen der Eisenindustrie sind die Hochöfen. Das Ausschmelzen des Eisens aus den Erzen geschieht über wiegend Im Hochofen. Seit etwa 2500 Jahren erfolgte In der Prozeßführung keine Änderung. Für jedes Stahlwerk In der Welt bedeutet das „Anblasen eines Hochofens" einen großen Tag. Die Vor bereitung eines Hochofens zum betrieb lichen Einsatz, In der Fachsprache ,,Zu stellung" genannt, Ist eine langwierige und kostspielige Arbelt. So waren z. B. bis zum 10. August 1956 etwa 560 Stun den Arbeitsleistung und ein Kostenauf wand von 30 Millionen für den Hoch ofen IV nötig. 1959 wurden die Kosten mit 40 Millionen Schilling beziffert. Zum großen Festtag des Anblasens legt das Werk reichen Fahnenschmuck an. Die Einfahrt zur Hochofenstraße wird zum Schauplatz des Festes, die „Hochofen bühne" wird mit Tannengrün festlich ge schmückt. Eine rot-weIß-rote Fahne wird um den Hochofenmantel gewunden, dar über prangt das Firmenzelchen. Die be deutendste Zier erfährt jedoch das ,,Stichloch". Es wird mit Tannenrelslggewlnde und dem alten Hüttenwerker spruch „Glück auf" geziert. Darüber aber, ebenfalls von Tannengrün umrahmt,steht der ,,Ofenspruch" bedeutungsvoll über dem Stichloch. Das Anblasen und den Abstich nimmt der Obermeister vor. Die übrigen Männer um den Hochofen sind mit Ihren Schutzanzügen aus Asbest, mit Schurz und Helm bekleidet. Der Ober meister Ist mit seiner traditionellen Klei dung: weißes Hemd, Schurz, breitkrem piger Hut und Seidenschärpe, die die Bergmannslnsignien trägt, bekleidet. Die Farben sind der Tradition gemäß Schwarz und Grün. Das Schlägel- und Elsenzelchen gilt heute nicht nur als das Symbol des Bergmannstandes, sondern auch der Hüttenleute. Es wird berichtet, daß der Obermeister bei der feierlichen Handlung des Anblasens einen ,,Spruch" vortrug. In diesen Sprüchen, wie auch In den fol gende Festreden, wird der Wunsch aus gesprochen, der Ofen möge eine gute ,,Reise" haben. Vom Anblasen des Hoch ofens I am 14. Juni 1947 Ist eine Photographle erhalten. Damals holte man ein Mädchen, die Tochter eines Arbeiters, gekleidet In ein Dirndlkleid, weißen Strümpfen und weißen Handschuhen. Mit einer Ofenstange entzündete sie das Hochofenfeuer. Dieser brauchtümlichen Handlung liegen sicher alte glaubens mäßige Vorstellungen vom Entzünden und Hüten der Flamme zugrunde. Han delt es sich doch beim Hochofenfeuer wie um das Zeichen eines Überganges, eines Endes und eines Anfanges. Bei den Hochofenfeiern stehen die Männer der Arbelt rings um den Ofen. Sie haben von der Anstrengung,der Hitze und Ihrem selbstlosen Einsatz gekennzeichnete Ge sichter. Doch bei den Festreden, die die Überzeugung zum Ausdruck bringen, daß nun mit dieser neuen Einrichtung ein Schritt mehr für die Produktion und damit für die Sicherung des Werkes, des Arbeltsplatzes und damit für die Arbeiter getan wurde, erhellen sich die Mienen voll Stolz. Auch die Gleichenfeier eines neu auf geführten Bauwerkes wird festlich be gangen. Das letzte Bindestück für den Hallenbau, beispielsweise, trägt ein ge schmücktes Bäumchen und Ist mit Krän zen aus Tannenreisig umwunden. Von kräftigen Armen hochgezogen, wird der Binder vor den Augen der ümstehenden mit der Konstruktion verbunden. Diese Bautradition wird auch von den Stahl bauleuten sehr gepflegt. Alle Gleichen feiern haben die gleichen charakteristi schen Formen, die gleichen Brauch elemente: Fahnenschmuck, Tannenreisig, Spruchtafel mit ,,Glück auf" und den grünen glück- und segenversprechenden Baum. Dieser Baum als Symbol Ist eine Bildgebärde, die jedermann versteht, well sie sowohl glaubensmäßig seit altersher geübt wurde und doch In unserer Zelt einen festen diesseitigen Sinn In sich trägt. Bei Errichtung von Brücken und anderen Stahlbaukonstruktionen, auch bei kleineren Anlagen, werden ähnliche Abschlußfeste mit geschmücktem Baum, Musik und ümtrunk gefeiert. Diese Bräuche werden nicht nur Im Werk, also Im eigenen Land, sondern auch auf Bau stellen Im Ausland gepflogen. Die hier erwähnten Feiern sind nach bestimmten Entwicklungs- und Ausbauetappen des Werkes veranstaltet worden. Jeder Werksangehörige hat mittel- oder un mittelbar daran teilgehabt. Viele Identifi zieren sich mit diesem Aus- und Aufbau. Nur so ist Ihre Werkstreue und Anhäng lichkeit zu verstehen. Volkskundlich Interessant sind besonders die Betriebsfeiern, die ohne Lenkung, Im Kreise der Arbeiter, entstehen. Gelegent lich werden auch Gäste, etwa die Werks leitung, dazu eingeladen. Diesen Ver anstaltungen zugrund liegen Arbeitslei stungen, die einst auch Im Handwerks bereich mit einer Pause des Rück-
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