Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 3, 1975

(A = Jahrgang 1974, B = Jahrgang 1975) A) 22 Mädchen notieren insgesamt 1058 Titel; die Durchschnittskenntnis an Lie dern beträgt 45,7. B) 26 Mädchen notieren insgesamt 1217 Titel; Durchschnitt 46,8. Die Auswertung dieser Angaben erfolgte nach vier Gruppen (Liedgattungen), näm lich: I. V = Volkslied, volkstümliches Lied, Brauchtumslieder, Rundgesänge, Solda ten-, Standeslieder. II. S = Schulgesang, Besinnliches,Fest liches, Ghorliedgut III. K = Meßlieder, Heiligenlieder, Hym nen, Lobgesang IV. Sehl = Schlager, Pop, Schnulze, Operetten-, Filmschlager, Gassenhauer Diese Gattungen werden nun von den Internatsschülerinnenfolgendermaßen be vorzugt: A B V 37,0% 40,83 Vo S 31,8% 23,33% K 19,4% 15,85 °/o Sehl 10,4% 19,96% Sicherlich wird man aus diesen Daten noch keinen allzu verbindlichen Schluß ziehen und verallgemeinern dürfen. Im merhin zeigt sich, daß in diesem Falle die Schlagernennungen zwischen 10 und 20 Prozent liegen, während sie bei den Pflichtschülern mehr als die Hälfte aus machen. Sicherlich ist zu berücksichtigen, daß die bloße Kenntnis von Liedtiteln noch nicht bedeuten muß, daß diese Lie der auch gesungen werden. Nun ist aber auch nach dem tatsächlich gesungenen Lied gefragt worden: dies mal allerdings in städtischen Kindergär ten. Die „Tanten" von sechs Kindergärten und drei Horten einer oberösterreichi schen Statutarstadt (Wels) haben sich dankenswerterweise die Mühe gemacht, ihre Schützlinge „auszuhorchen". Kinderlieder Volkstüml. Lieder Volkslied Schlager Kindergärten 11,9 % 22,4 % 14,9 % 50,7 % 8.5 "/o 12,7 % 9.6 % 69,9 % Der Anteil des Schlagers am Liedbestand ist unerwartet hoch. Er beträgt bei den Altersgruppen der 6-8jährigen 8-10jährigen 10-14jährigen 54 Va 54,5 % 88 % Der Anteil des Volksliedes und des volks tümlichen Liedes 34,5 % 25,7 % So amüsant es ist, auch zu wissen, was sich hinter dem Gruppentitel „Schlager" alles verbirgt, muß hier leider darauf verzichtet werden. Nur eines: neben der Cowboy-Susi, neben Bonanza, Trödler Abraham, Sugar oder How du you do, sind es doch eher die Schlagerlieder eines Heintje. Daß der in unsere Rubri ken schwer einzuordnende Hit „Ja, mir san mitm Radi do!" natürlich auch die kleinsten Sänger erfaßt hat, müßte gar nicht eigens erwähnt werden. Es geht mir darum, ein Bild zu erhalten, was ,,das Volk" an Liedern kennt, noch mehr darum, welche Weisen auch wirk lich gesungen werden. Es besteht ja ein Unterschied zwischen diesem Bestand und den Aufzeichunngen in Sammlungen, wie etwa dem des oö. Volksliedwerkes, und es besteht ein Unterschied zu den in Büchern abgedruckten Liedern. Samm lungen und Drucke sprechen niemals den tatsächlichen Umfang der Liedkenntnis einer bestimmten Generation aus. Oben drein galt das Interesse mancher For scher und Aufzeichner lange Zeit vor wiegend dem alten, ja sogar selten ge wordenen Liedgut, obgleich natürlich auch hier Ausnahmen anzuerkennen sind. Ehe ich meine kleine Studie abschließe, muß ich noch auf eine Neigung aufmerk sam machen, die im Lande schon seit mehreren Jahren zu beobachten ist. Selbst kleinere Orte, vor allem Täler, Be zirke oder ganze Landesviertel, haben heute ihr ,,Heimatlied", das nicht nur zur Stillung romantischer Sehnsüchte, wie man vielleicht glauben möchte, dient. Diese stark lokalbezogenen Weisen wer den mit einer hymnenartigen Funktion beladen. Sie sind Repräsentativlieder ge worden, die offiziell erklingen, doch auch gerne im geselligen Kreise gesungen wer den und sichtlich in die Nähe des ,,Hoamatlands" gerückt wurden. Man hat es dabei mit guten Mundartdichtungen eben so zu tun wie mit schriftsprachlichen Tex ten, manchmal leider auch mit Beispielen des rührseligen „Dort-wo-Stiles". Doch mir kommt es im Verlauf dieses volksmusikkundlichen Beitrages nicht auf for mal- oder inhaltskritische Wertungen an, wohl aber auf die Funktion von Lied und Musik im kulturellen, wie auch sozialen Leben der Leute. Der Begriff ,,Heimatlied" hat leider schon vor langem eine arge Verzerrung erfah ren und es wäre besser, für diese Lied gattung eine andere Bezeichnung zu suchen. Wie beliebt aber diese Lieder sind, mit denen sich Einzelpersonen und Gemeinschaften beinahe identifizieren, ist nicht zuletzt in den Aufträgen zu erkennen, die an das Wunschkonzert des Rundfunks gerichtet werden. Man sollte darin oder dahinter nicht nur gefühls selige Stimmung, falsche Romantik er blicken. Wenn solche Lieder vor dem Bild der heimatlichen Landschaft oder in stil ler Abendstunde im Freundeskreis er klingen, dann schwingt in ihnen meist ein starkes Bekenntnis mit. Diese Er scheinung kann nicht ignoriert, vielleicht gar als Kitsch und Schmalz abgetan werden. Genau betrachtet bilden solche Lieder ein Glied in einer immer allge meiner werdenden Bedeutungsreihe: sie beginnt beim Erkennungsruf, bzw. Pfiff und entfaltet sich in weitem Bogen über die Landes- zur Bundeshymne hin. Es sind klingende Mittel des Bekenntnisses zur Zusammengehörigkeit. Hans J. Mo ser, dem Musikhistoriker, ist der Ver gleich mit einer ,,klingenden Heraldik" zu verdanken. Unter diesen Begriff sind dann genauso die Bundeslieder von Par teien und Verbänden zu stellen, als auch Regiments- oder Vereinsmärsche. Wie zutreffend der Ausdruck Heraldik ist, wird gerade bei internationalen Sportveran staltungen in der Gleichzeitigkeit von Flagge und Hymne des Herkunftslandes der Sieger überzeugend demonstriert. Möglicherweise konnte es mir gelingen — ausgehend von dem eingangs ge schilderten Wirtsstubengesang —, die Aufmerksamkeit auf eine recht lebendige Seite der Volkskultur in unseren Tagen zu richten. Wenn in den vorangegange nen Zeiten die zahlreichen Vereine, Ge meinschaften, Sing- und Musizierkreise, Schul- und Vereinschöre — es dürften rund 1500 in Oberösterreich sein — kurz um sie alle, die sich um das heimische, volkstümliche Musikgut in dankenswerter Weise bemühen und sehr oft sogar unser Land glänzend repräsentieren, nicht na mentlich genannt wurden, dann sind sie weder ignoriert noch vergessen worden. Ihr Tun — ohne dem wir im Festkreis eines Jahres wahrscheinlich kaum aus kämen — muß einer anderen, anders an gelegten Betrachtung vorbehalten blei ben. Ihr Wirken strahlt jedoch unbemerkt auf das „Nur-so-Singen" der Leute aus und wir spüren es dann wieder eines Abends in den Liedern und Klängen, die hoffentlich noch recht lange ihre eigent liche Heimstatt in den Stuben haben wer den.

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