ihr reges Volksmuslkleben vor uns. Wie reichhaltig ihr schlichtes Instrumenta rium gewesen sein muß, läßt sich an Krippenfiguren oder manchen Kirchen einrichtungen, beispielsweise am Orgel kasten der Pfarrkirche St. Wolfgang er kennen. Unter Umständen kann auch die Tatsache herangezogen werden, daß es damals wesentlich mehr Erzeuger volkstümlicher Instrumente gab als heute. Eine längst zu schreibende Voiksmusikgeschichte für Oberösterreich müßte sich auch mit ihnen eingehend befassen und neben Seiteipfeifendrechslern und Maul trommelschmieden auch auf Instrumen tenmacher hinweisen, wie sie ein Leopold Kranzer In St. Thomas am Blasensteln oder ein Carl Doke in Linz repräsen tieren, beide um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert tätig. Das Ergebnis solcher Nachforschungen ließe am Ende aber nicht einen Vergleich der Lieder- oder Musikbestände zu, son dern doch wohl bloß die Häufigkeit von Anlässen zum Singen und Musizieren. Diese sind tatsächlich weniger geworden. Man kann sich die Gründe für diesen Rückgang gut vorstellen. Einmal liegen sie im extremen Umgang der Leute mit lärmenden Maschinen und Geräten, zum andern in dem wahrscheinlich noch be denklicheren Musiküberangebot. Mir ste hen leider nur ältere Erhebungen über den Musikkonsum zur Verfügung. Der einen Quelle zufolge gab es Im Jahre 1960 Im Stadtgebiet von Linz 190 Musik boxen. Um dieselbe Zelt flössen in alle in Österreich aufgestellten Geräte dieser Art pro Jahr 150 Millionen Schilling. Das deckte sich damals genau mit dem Be trag, den der Staat an Kinderbeihilfen auszahlte. Zulieferer für den Musikkonsumenten sind — wie man weiß — auch auf anderen Wegen fleißig am Werk. Die Platte, das Tonband, Koffer- und Autoradio hüllen Ihn mit ihren Kiängen nicht nur ständig ein, sondern besitzen obendrein die Fä higkeit, jede andere Lärmquelle am Ar beitsplatz, Im Verkehr, den Traktor bei der Feldarbeit „spielend" zu übertönen. Die menschliche Singstimme kann da auf die Dauer keineswegs mithalten. Man hört fortan nur zu. Es wurden also die Anlässe verringert und sicherlich schrumpfte auf diese Weise die Liedkenntnis der Leute zu sammen. Nach und nach geriet das ,,alte" Lied — worunter gemeiniglich das „echte" Volkslied verstanden wird — in Ver gessenheit. Seine Freunde traten des halb in redlichster Absicht zusammen und begannen das Lied zu pflegen. Nun ist es aber falsch zu behaupten, daß nur, was krank Ist, einer Pflege bedürfe. Kinderpflege, Schönhelts- oder Sprach pflege usw. lassen nicht auf einen Krankheltszustand schließen, wohi aber dar auf, eine Sache oder einen Zustand zu nutzen,zu bewahren und zu erhalten. Ich begebe mich in Gefahr, wenn ich die Volksliedpflege teilweise als Slng-Hindernis verdächtige, doch meine Überle gungen gehen von der Beobachtung aus, daß durch sie aus einem spontanen ein organisiertes Singen wird. So begrüßens wert und notwendig die von vielen Selten her unternommenen Bemühungen um die Pflege unseres Volksliedes sind, so frag lich scheint mir der damit erzielte Effekt zu sein, denn das Lied wurde dadurch Immer mehr Selbstzweck. Das lebendige Volkslied ist aber, wie alie übrigen Er scheinungsformen der Volkskultur, immer zweckgebunden. In dem gepflegten, oft mals ästhetisch hochgezüchteten Volks lied erblickt ,,das Volk" heute eher ein Vereinslied oder wie immer die das Liedgut pflegenden Singgemeinschaften heißen mögen. Auf diese Weise ist das Volkslied für viele Menschen „lebens fremd" geworden. Allerdings spielt da noch ein anderer Umstand eine ent scheidende Rolle: es ist die vom Text her gegebene ,,Un-Brauchbarkeit" des überlieferten Liedes, das für die Lebens wirklichkeit des Sängers kaum noch eine nennenswerte Bedeutung zu haben scheint. Es ist natürlich nicht die Absicht dieser Zeilen, einen Nachruf auf das volkstüm liche Singen und Musizieren zu halten. Im Gegentelll Eine Umschau läßt erken nen, daß trotz mancher Hindernisse doch noch viele Anlässe da sind, wo wir ein ,,zweckgebundenes" Lied- bzw. Musizier gut brauchen. Die vielen offenen Singen, Feiern, Hei matabende, Kathreintänze, Hoangarten werden absichtlich aus unserer Reihe herausgenommen, weil es sich dabei in den meisten Fällen um Veranstaltungen für Zuhörer handelt; es findet somit also ein Vor-SIngen statt. Alles Singen und Musizieren erhält aber sofort eine andere Bedeutung und Aufgabe, zeigt sich uns in einem gänzlich anderen Glanz, wenn wir an die Klänge und Gesänge denken, wie sie etwa bei bäuerlichen Hochzelten, Welberroasen, Schützenmahlen, Geburts tagsfeiern, bei längeren Gesellschafts reisen in Autobussen, ja sogar noch im Verlauf von Massenveranstaltungen des Sports erlebt werden können. Eine Grenze zwischen geplanten und spontanen Formen wird freilich nicht immer ganz leicht zu ziehen sein, denn weihnachtliche Turmmusiken, Weckrufe oder Heischegänge unserer Blasmusik kapellen zur Jahreswende und vielen anderen Anlässen, sodann der auffallend starke ,,Gebrauch" von Jagdhornbläsern, Bläserchoräle und Vokalchöre Im Toten brauch bedürfen nun einmal des Organi sierens ebenso wie der damit verbun denen zwangsläufigen Teilung In Spie lende und Zuhörende. Und doch haben wir es dabei mit ausgesprochen zweck gebundenen Beispielen zu tun. Wie liederfroh der Oberösterreicher ist, könnte schon einmal aus der erstaunlich hohen Anzahl (rund fünfhundert) von Sing- und Splelgruppen geschlossen werden, zu denen noch über achthundert Chöre zu zählen sind. Fast in allen Orten des Landes trifft man auf einen Vier-, Drei- oder Zweigesang, auf die Dirndln", die aus Freude am Singen und Spielen zusammenkommen und es bedeutet die Ausnahme, wenn sie in ,,Programme" eingebaut werden, um einen lokal gebundenen Anlaß mitge stalten zu helfen. Gleiches gilt für Hochzeits- und Arienbläser, für Stuben- oder Saltenmusi, Seitelpfeifer, Spieimänner und Landlageiger, die immer noch reihum ,,gebraucht" werden, keinesfalls aber als Profi einzustufen sind. Und nun ein paar Überlegungen und Beobachtungen über die Häufigkeit des Singens: Genaueres Ist aus einer Befra gung herauszulesen, die ich unter den Entlaßschülern des Schulbezirkes Rohr bach anstellen durfte. Es handelt sich um Buben und Mädel der vierten Hauptschul klassen bzw. der Polytechnischen Lehr gänge. Die dabei zustande gekommenen 500 Fragebogen konnten noch nicht voll kommen ausgewertet werden. Für den vorliegenden Zweck sind zunächst einmal 150 herangezogen worden. Unter den Antworten auf Fragen „Wann, wo, mit wem singst du?" fälit auf, daß mehr als ein Drittei angibt, häufig zu singen. Die „täglich" oder ,,nur zu Sonn- und Feier tagen" Singenden machen rund 40 Pro zent aus. „Selten" singen hingegen nur 19 Prozent. Die Angaben darüber, „wo" gesungen wird, sind nicht uninteressant. Über die Hälfte der Befragten (54,4 Prozent) gibt an, beim Wandern zu singen, und nur 14 Prozent geben zu, in den Unterrichts-
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