Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 3, 1975

Oberösterreichs Voikskuitur zwischen Brauchtumspfiege und Foikiorismus Franz Carl Lipp Volkskultur — Brauchtumspflege — Fol klorismus: um sicher zu sein, richtig verstanden zu werden, seien einige Bil der, Begebenheiten und Erfahrungen der letzten Jahre dieser zeitgenössischen Be trachtung vorangestellt. Zum ersten: echte Volkskultur. Ich möchte sie an drei Beispielen auf zeigen. Zwei Partner, es müssen nicht unbedingt Bauern sein, sondern können aus allen anderen Schichten der Bevölkerung kom men, werden über einen Rechtsfall oder einen Kaufabschluß mündlich einig. Sie besiegeln ihre Vereinbarung mit einem Handschlag. Das ist ältestes Rechts brauchtum, niemand denkt sich etwas dabei, keine Satzung schreibt diese Geste vor, es ist einfach ,,so der Brauch". Würde man es nicht tun, empfände man es als Unhöfllchkeit oder Mangel ebenso wie einen nicht erwiderten Gruß, eine ver sagte Teilnahme am Begräbnis des Nach barn oder Freundes oder die unbegrün dete Ablehnung des „Beistandes" bei Hochzeit oder Taufe. Dieses Beispiel ist beinahe europäisch-allgemein, obwohl es auch da sehr wohl gegendweise Sonder ausprägungen geben kann. Ein anderer mehr oder weniger allge meiner Brauch, der noch fleißig ohne ,,Anleitung" geübt wird, ist das Auf stecken des Firstbäumchens bei voll endeter Dach- oder Firstgleiche. Indu striearbeiter der VÖEST-Alpine pflegen ihn ebenso wie Zimmerleute aus dem Hausruck- und Innviertel, die zusätzlich noch — ebenfalls als durchaus wild wachsendes Herkommen — den Brauch des Firstbaumstehlens, der Firstbaum versteigerung, des Ausbringens von ,,Richtsprüchen" und dgl. kennen und üben. Das waren Beispiele aus dem ein fachen Sozialverhalten und dem Arbeits leben. Das dritte Beispiel könnte ebenso aus dem Trachtenleben — eine Großmutter im Salzkammergut strickt ihrem Enkel kind grüne, gemodelte Strümpfe, ein jun ger Förster bestellt dort beim Lederhosenmacher eine ,,siebennahtlge" schwarze Lederhose —, wie aus dem weiten Feld des religiösen oder des profanen Brauchtums, der Volksmusik und des Volksliedes gebracht werden. Das ,,Einiblasen" des Brautpaares in die Kirche und das „Heimblasen nach dem Mahl", die Palmprozessionen in fast allen Orten des Landes mit von Pfarre zu Pfarre anders gebundenen Buschen, die mannigfachen Arten von Fronleichnams bräuchen, wobei das Einflechten des .. Auf den größten „Palm" ist man auch im Innviertel stolz! Das Brauchtum des Palmsonntags hat sich in Oberösterreich überall noch lebendig erhalten (Leihklischee aus: Rudolf Fochler: Von Neujahr bis Silvester, erschienen Im Oö. Landesverlag).

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