Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 3, 1975

Links: Die Krippenlandschaft in und um Ebensee — die Häuser und die Hütten, Menschen und Tiere sind heute noch die Modelle der Krippenschnitzer. Rechts: Die Verfasserin dieses Artikels holt Auskünfte bei der Familie Gratzer in Perneck, Bad Ischl, über ihre alte Krippe ein. Rechts außen: Baumschwämme zum Trocknen an einer Hüttenwand in Ebensee als Rohmaterial für den Krippenbau. haus samt den Enten auf dem Teich jene Spur des göttlichen Lichtes durch den Engel erhalten, die das Gewöhn liche aufhebt und es der Ewigkeit eben bürtig macht. Und damit das auch wirk lich geschehen kann, ist es notwendig, daß hinter dem Krippenberg der große Prospekt angebracht ist, in dem sich die Landschaft ins Unendliche fortsetzt, daß der Phantasie und den Träumen jede Schranke geöffnet sei. Die Landschaft prägt die Menschen, die in ihr leben — das Salzkammergut tut es im besonderen und entläßt keinen mehr aus seinem Bann. Darum ist die Salz kammergutkrippe so besonders — und so sehr Volkskrippe geworden. In der land schaftlichen Szenerie wird alles, was nur möglich ist, ausgespielt. Sogar die Ver flechtung von Alpenregion und Morgen land geht ohne Schwierigkeiten vor sich: gegebenenfalls bildet ein kleiner Bach die Grenze zwischen Jerusalem und Ebensee. Die Hirten dieser Krippen tra gen die landesübliche Tracht und bringen die ursprünglichen Gaben ihres eigenen täglichen Lebens. Denn sie sind einfache Leute aus der Gegend: der ,,Url (Urberl) mit der Leinwand", der ,,Naz mit der Butterhenn", der ,,Vater, laß ml a mitgehn" oder der ,,blinde Veit", der von einem Buben geleitet wird. Im Gebirge oben tummeln sich Hirsche und Rehe, daneben stellen der ,,Jager" und der ,,Wildschütz" einander nach. Die ,,Wun derlichen" können sich nicht genug an Vermutungen tun über die sonderbare Nacht, die auch die ,,Vogelfänger" her- £ i • auslockt, die darauf aus sind, die schön sten Gimpel und Schnäbeln (Kreuz schnabel) zu fangen. Das ist das natür liche Leben im Salzkammergut — so wird es daher auch rund um das wundervolle Geschehnis der Geburt im Stalle von Bethlehem dargestellt. Voller Verständ nis bringt der Hirt von der Alm sein schönstes Lamperl mit, und die Magd, die aus dem Bauernhaus herbeieilt, trägt, wenn sie ,,Miazl" heißt, eine Henne unterm Arm, wenn sie aber die „Kathl" ist (ein Name, der in der unnachahm lichen Ebenseer Mundart weich und sin gend zerfließt), dann bringt sie eine Gans zur Krippe. Eine bemerkenswerte Figu rengruppe sind auch die „Nachbarn" — ein Begriff sozialer Selbstverständlich keit im Salzkammergut. Vielfach findet man auch die zwei Mägde, die dabei sind, den Spaitelzelten (Kletzenbrot) an zuschneiden —, sie wollen also der hei ligen Familie das geweihte Brot aus der vorchristlichen Heilsvorstellung bringen. Während die ,,Trlflwelber" (Tratschwei ber) beim Brunnen Wasser holen, stehen die „Trifimanner" vor dem Gasthaus, bis der Wirt sie nach alter Überlieferung (handschriftliche Aufzeichnung von Maria Gratzer, Perneck bei Bad Ischl) ins Haus ruft: „Steffi, Rüepl, Lenz - Suppen essen kemmt's!" Auch die Geschichte läßt man In diesem Theatrum mitspielen. In jeder Krippe findet sich der „Katzenwoferl" in seiner Klause, ein Eremit, der in Ebensee gelebt haben soll — er ist nun unvergessen, da ihn die Volksseele nach Bethlehem verpflanzt hat. Es gibt aber auch noch einen bemerkenswerten , .,1. • F.! Hund. Nach der Überlieferung hat wäh rend der Napoleonischen Kriege ein fran zösischer Offizier namens Meiaque den Unwillen der einheimischen Bevölkerung so sehr auf sich gezogen, daß ihm das erboste Ebenseer Gemüt in übertrage nem Sinn in der Krippe den Hund nach jagte - den ,,Huß Melackerl". Es ist daher in den verschiedenen Orten und Häusern des Salzkammergutes um die Weihnachtszeit immer das gleiche Bild: eine große Krippe, die wie eine szenische Biblla pauperum alle Stationen des heiligen Geschehens enthält. In der Vielfalt der Aufstellung spielt sogar ein gewisser Zeitablauf mit. Zuerst ist es die ,,Herbergsuche", dann kommt der ,,Hir tenschlaf", dann der „Stall von Bethle hem" - mit dem Kindl, das womöglich erst in der Mettennacht in seine Krippe gelegt wird. Ab Neujahr kommen die ,,Könige" über die Berge und Wiesen dahergezogen, am 6. Jänner erscheinen sie vor dem Stall, um dem Kind Ihre Gaben zu bringen - dann ziehen sie ,,auf einem anderen Weg" wieder davon. Auch die Heilige Familie zieht nun fort — denn sie ist auf der ,,Flucht", Herodes hat ja den grausamen ,,Klndlmord" angeordnet. In einem Tempel etwas abseits sieht man die feierliche ,,Beschneidung". Statt dem Stall steht dann in der Krippe das ,,Haus Nazareth", dahin wird ja die Heilige Familie zurückkehren, wenn sie den ,,Zwölfjährigen Jesus im Tempel" wieder gefunden hat. Die letzte, oft sehr reiche und prächtige Szene ist dann noch die ,,Hochzeit zu Kana".

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