Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 3, 1975

.. Götter hielten einst hier Rast, türmten ab der Wolken Last"(Richard Biiiinger). — Motiv aus dem nördlichen Kobernaußerwaid. Fotos: Josef Mader liehen Rokoko stehen, Meister der Jo hann Baptist Modier von Kößiarn, Obern berg ist altes Hochstift Passau. Über Mattighofen, die Kirche, das Schloß, den Platz, die Menschen, hat der Wiener Kritiker Ludwig Speidei schon 1894 ein klassisches Feuiiieton geschrieben ... Nein, wir halten lieber auf das kleine Uttendorf zu: den breiten Platz mit den kugelig gestutzten Biedermeier-Bäumen und dem wohligen Behagen. Zwar sind die Bankfiliale und das Postamt böse ins alte Gefüge eingebrochen, aber die Wirts häuser recken uns immer noch ihre treu herzigen Visitenkarten entgegen: „Anton Vitztum, Brauerei und Gasthof". Oder: „P. G. Wörngartners Gasthof zum Gol denen Stern". Draußen auf einem Som merkeller aber, in der alten Kegelbahn, war noch vor fünfzig Jahren jenes Bild aufgemalt — Fuhrmann, Roß und Wagen —, das anspielte auf Josef Reischl aus Mauerkirchen und sein berühmtes ,,lnnviertler Motto". Was eben der Innviertier gern hat: frei redn und houh singa, schnell fahrn und schwaar dringa, treu liabn und fest wehrn ... Die Märkte sind alle bis zur Schwelle unserer Tage reine Ackerbürger-Märkte gewesen, und das Innviertel das voll saftigste Bauernland, das man sich den ken kann. Das kraftvolle Brauchtum, ein gefügt in den Rhythmus des Wachs und Kirchenjahres, immer halbwegs zwi schen Leben und Tod, schlägt ja noch bei Richard Billinger durch alle Dramen und Verse. Erst die Volkskundler von heute müssen von der sogenannten „Halbvergangen heit" sprechen. Wo gibt es auch noch die sagenhafte ,,Zech" der jungen Burschen, die alles regeln und in Händen halten: das Neujahrsanschießen, das Maibaum aufstellen, das Hochzeitrichten, das Landlertanzen und das Wirtshausraufen? Auch im Innviertel kämpft der Bauernstand ums Überleben, und die jungen Burschen laufen ihren Vätern davon ins Büro oder in die Fabrik. Die große Leidenschaft aber scheint das Mopedfahren zu sein: ausprobieren, ob's der Motor derzieht, den gachen Berg hinauf. Trotzdem, wenn die Stadt Passau in Ihrem Kessel versinkt, mit dem Wirt von Gattern der äußerste Gefechtsposten der bayerischen Vorhuten von einst passiert ist, umfaßt einen das Innviertel immer noch mit seinem ganz unvergleichlichen Atem. Äcker, Wiesen, kleine Waldstücke dazwischengestreut — ein einziger weiter Wanderweg über den Schafberg hinüber bis nach Zwickledt oder hinab nach Wernstein. Die Höfe hocken breit in der Sonne, mit windschiefen Blitzableitern, braunen Zimmermannsstadeln und herrlich ge fügtem Holzbundwerk. Der Holler drängt über den Gartizaun und drunten am Weiher zetern die Gänse. Und merk würdig, wie bei Billinger im Gedicht, stehen die vielen wetterfesten Eichen im Feld, werfen ihren Schatten über den Straßenrain: Götter hielten einst hier Rast, türmten ab der Wolken Last, scherzeten und hielten Schmaus, segneten des Bauern Haus. Gäns' und Enten wurden fett, Taube flog vom Kobelbrett, Rosse bäumten steil, zerrissen Kett' und Seil.

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