Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 3, 1975

Links außen: .. und es blieb die große Barockgebärde, die alles beherrschte." — Stift Reichersberg, Bayrischer Saal mit mythologischen Fresken von Johann Nepomuk Schöpf, 1771. Links innen: Thomas Schwanthaler, Hl. Katharina vom Hochaltar der Pfarrkirche in Arnsdorf. Unten: ,,...das weit im Hinterland gelegene Ried besitzt das Stadtrecht erst seit dem Jahr 1S57 (das neue Wappen behielt die bayrischen Wecken)."— Wappenrelief am Rieder Rathaus. ■-J&V4LWJ r" zelformen, die noch Manierismus sind, aber im Ganzen doch ein Explodieren hinein in den werdenden Barock. Dieses St. Georgen an der Mattig ist eine ganz unscheinbare Filialkirche, aus dem selben grau-grünen Tuffstein erbaut wie alle hier. Dazu ein Spitzturm, der fast untergeht in der Woge des Landes. Da bei hat aber gerade diese handwerks treue Spätgotik für das Innviertel mehr bedeutet als der ganze Barock zusam men. Man denkt an Stadtmünster voll breitbrüstiger Schwere wie herüben in Braunau oder drüben in Eggenfelden. Und spätgotische Dorfkirchen gibt es, die ganz unvergleichlich sind. Eggeisberg auf seiner weitschauenden Höhe; Handenberg mit dem tief heruntergezogenen Wetterdach und dem leuchtend aufge mauerten Barockturm; Neukirchen an der Enknach voll herrlicher Räumigkeit und mit einem allerliebsten Friedhofstöckel. Dabei sind die eigenwilligsten dieser Dorf kirchen im Grundriß aus dem Sechseck herausgeholt und in eine verschwebende Zweischiffigkeit hineingehoben. Den barocken Pfarrern, die den Einheitsraum wollten, mußte das freilich als Greuel erscheinen. Wir aber auf der Sommer reise stehen seitsam beglückt in dieser merkwürdigen Raumpolyphonie. Den Klöstern und Kirchen antworten in diesem bäuerlich-aristokratischen Land die Hofmarken und die Edelsitze. Hof marken, wo der Schloßherr über seine Hintersassen die volle Niedergerichtsbar keit ausübte; Sitze, wo ebendiese niedere Gerichtsbarkeit nur bis zur eigenen Dach traufe reichte. Die reichsten und mächtig sten Familien waren wohl die Grafen Tattenbach und die Grafen von der Wahl. Die von der Wahl haben 1691 nach den Plänen eines Zuccaili das Schloß Aurolzmünster gebaut, trotz seines melancholi schen Verfalls immer noch ein Nymphen burg im Kleinen; die Tattenbach aber haben 1760 Frangois Cuvillies den Jün geren geholt und ihr Zell an der Pram grundlegend umgebaut, mit einem Fest saal, dem Christian Winck die Heiterkeit des allerletzten Rokoko gegeben hat. Die meisten Schlösser und Edelsitze aber sind schlichte Ländlichkeit. Spätgotische Kästen mit mürrischen Walmdächern und kühlen, steinernen Flötzen. Schlichte Barockflügel mit prall gespannten Wän den und schmiedeeisernen Körben vor den Fenstern. Wenn's gut geht, kommen ein paar dickköpfige Ecktürme dazu oder auch nur ein einfacher Dachreiter. Den ken wir an Aifred Kubin und sein Zwickledt auf der grünen Höhe über Wernstein. An Richard Billinger und die Herren von Hub und Hackledt mit ihrer Grablege in St. Marienkirchen: Für die Herren auf Hub und Hackledt singt der Pfarrer die Totenmesse. An den Wänden unseres Kirchleins prangen ihre Grabdenkmäler, Ritterschilde, Hauben, Panzer, Ros und Nelk in Stein gehauen. Waren einst gar mächtige Herren, sprachen Recht und straften Unrecht, forderten die Robotstage und den Zehent von den Äckern. Längst gestorben! Längst vergessen! Nur an einem Tag des Jahres hält der Priester ein Gedenken, spielt die Orgel Totenweisen, beten die paar aiten Weiblein, Krückenmänner ihr Gebet. . . Uns noch schlägt die Lebensflamme aus dem Herzen, Augen schauen Himmelblitz und Regenschauer und der Äcker und der Wiesen reines Äntlitz . . . Die Edelleute, die Kiosterprälaten, die Bürger der Städte und gefreiten Märkte — das waren auch im Innviertel, wie überall im alten Bayern, die sogenannten „drei Stände", die den Ton angaben. Sie redeten dem Landesherrn unbeküm mert darein und in Burghausen hatten sie sogar ihr eigenes Ständehaus. Freilich, eigentliche Städte kannte das Innviertel nur zwei: Braunau und Schär ding, beides Innstädte, Handelsstädte, Gewerbestädte. Und in Braunau sieht man es von der Enknach aus heute noch, wie die einstige Landesfestung sich ab weisend verblockt. In Schärding aber lenkt die „Silberzeile" hinunter zum Unteren Stadtplatz, und das alte ,,Was sertor" weist auf keine Straße hinaus, sondern auf den Inn, der bis weit ins 19. Jahrhundert hinein die Schiffszüge herantrug. Das weit im Hinterland gelegene Ried dagegen besitzt das Stadtrecht erst seit dem Jahr 1857 und dem vollen Hinein wachsen in die österreichisch-ungarische Monarchie. Vorher ist Ried ein schlichter Marktflecken gewesen — wie ja über haupt der Bauernmarkt für das ganze Unterland viel bestimmender ist als die Stadt. Sollen wir Innviertier Marktveduten her zeichnen? Da wären etwa Mauerkirchen oder Ältheim. Äber sie sind längst aus einandergeflossen und gründlich verbaut. Obernberg am Inn dagegen, wo die schönsten Hausfassaden unseres länd-

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