Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 3, 1975

gesetztsein und ein HerumgetriebenWerden, das sie zuinnerst von der Welt ihrer bäuerlich-seßhaften Landsleute scheidet. Dabei sind beide große Meister des freien Vortrags, treten sie in Innviertler Wirtsstuben auf wie Barden aus einer fernen Zeit, irren sie im eigenen Gedicht herum wie ein Fremder in einem brennenden Haus. Ist Stelzhamer oft sentimental, so kann Billinger merkwür dig pathetisch werden: Männer, denen man es anmerkt, daß sie die deutsche Grammatik auf dem Umweg über die lateinische Sprache erlernt haben. Natür lich, Billinger schreibt ein baiwarisch durchschossenes Hochdeutsch, Stelz hamer Dialekt. Aber dieser Dialekt kann auch in Hexametern kommen, Welle um Welle, stürmisch wie der Inn: „Mir haan alle vo heint und vo morign ist neamt wia da Herrgott.. Und über ein halbes Jahrtausend hinweg antwortet einem Stelzhamer und einem Billinger der dritte große Dichter des Innviertels: Wernher der Gartenaere. Er war wohl Laienbruder im Augustinerchor herrenstift Hanshofen bei Braunau. Nach einem durchstürmten Leben schrieb er ums Jahr 1250 in der stillen Zelle das Versepos vom ,,Meier Helmbrecht" hin — die erste deutsche Dorfgeschichte über haupt. Der junge Helmbrecht, der sich über die Bauernart und Bauernarbeit überhebt, unter die Strauchritter geht, ein schreckliches Ende nimmt. Josef Hofmiller hat uns die Geschichte großartig nacherzählt. Und noch dämmert die ganze Szenerie von einst mit dem Weilhart-Wald bei Burghausen,den Helm brechtshöfen, dem „Goldenen Brünndl" von Wanghausen bei Ach. Dann gibt es immer noch das alte Kloster Hanshofen, auch wenn es schon unterm Minister Montgelas säkularisiert worden ist. Und haben die grünen Bäume des Lachforstes längst den Fabrikschloten weichen müssen — wenn man die Klinke der Kirchentür herunterdrückt, ist auf einmal der Innviertier Barock von anno 1699 wie selbstverständlich da. Ein Barock, so recht dazu angetan, alle Stil puristen und Zugereisten abzuschrecken. Quellender weißer Stuck, Altäre, gold strotzend und mit wucherndem Akanthuswerk; die Bilder alle von Johann Kaspar Sing aus Braunau und von Johann Philipp Huckerpaur aus Sarlelnsbach. Vom Fen ster seines Marmorgrabmals schaut der Schöpfer der ganzen Pracht in seine Kir che herein: der Propst Ivo Kurzbauer, der damals mit größtem Pomp das achthunderjährige Jubiläum des Stiftes ge-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2