Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 3, 1975

An Punkt han i g'schoss'n, da Böller hat kracht Schützentradition im Saizkammergut Franz Grieshofer Als am Beginn des 19. Jahrhunderts die Städter, beflügelt von der romantischen Idee, auszogen, das Land und seine Leute zu entdecken, gehörte das Salz kammergut mit seiner ,,pittoresken" Landschaft und seiner altartigen Kultur zu den bevorzugtesten Reisezielen. In zahlreichen schriftlichen und bildlichen Dokumenten wurden die Erlebnisse und Eindrücke festgehalten, die heute zu den hervorragendsten Quellen der Volks kunde zählen. So findet man in dem Buch ,,Reisegefährte durch die öster reichische Schweiz" von Johann Steiner 1820 den Hinweis, daß neben den ver schiedenen Volksbräuchen, wie den vier Ständen, den Glöcklern und Sternsän gern, der Faschingshochzeit, den vier Jahreszeiten und dem Schwerttanz, das Schießen auf den privilegierten Schieß stätten oder einmal mit Bewilligung der Obrigkeit auf den Gäuwirtshäusern das vorherrschende Volksspiel sei. Ganz be sonders hebt Johann Steiner aber das „uralte adeliche Bolz- hier Pallesterschießen" hervor. Ohne Zweifel bildet das Schützenwesen und im speziellen das Armbrustschießen mit seinen bunten Bräuchen eine Beson derheit des Salzkammergutes. Trotzdem mutet die Euphorie Johann Steiners einigermaßen verwunderlich an, wenn man bedenkt, daß keine 20 Jahre vorher das Armbrustschießen noch verboten war. ,,Da die kreisämtliche Currenda dd. 12. April d. J. (1802) Nr. 1879 bei Abstel lung der öffentl. Spiele an Sonn- und Feyrtägen vor geendeten nachmittägigen Gottesdienst, daß ist von 4 Uhr Nach mittag in der Gattung der Spiele keinen Unterschied machet, so versteht sich von selbst, daß auch daß EIßschüssen, dann Stahlschüssen, und andere was immer Namen habende öffentliche Spiele unter der Gattung der verbothenen Spiele... begriffen, folglich nicht zu gestatten Seyen." Besonders anschaulich schildert uns der Bericht zweier Landgerichtsdiener beim Pflegamt Wildenstein die damalige Situation. Diese beiden hatten zur Zeit des nachmittägigen Gottesdienstes an Sonn- und Feiertagen die umliegenden Gasthäuser und verdächtigen Orte zu inspizieren. Dabei kamen sie auch zum Huthaus(Forsthaus)des Neef im Weißen bachtal bei Goisern, worüber sie folgen den Bericht erstatteten: ,,Als wir um V24 Uhr nachmittag, wo der Gottesdienst noch kaum beendet war, von den übrigen Orten, wobey sich aber nichts anstößiges zeigte, zu dem Huthaus kamen, da trafen wir mehrere Gäste im Zechen an, worun ter sich der Putz in Wildpfad, Sagschrei ber Pilz in Weißenbach, Pernkopf und der Bergzuseher Deubler befanden. Ge spült haben sie nicht, wohl aber befanden sich ober des Neef Haus in dem Wald, allwo gewöhnlich (!) Stach! geschossen wird, mehrere junge Purschen, welche sich zum Stachelschüssen applizierten und hiezu alles vorrichteten, worunter sogar der Bergmeistersohn Michael Kessler von Ischl war, der vermutlich aus der Ursache dahin gekommen seyn wird, weil sie daselbst ein größeres Best als wie sonst gewohnlich auszuschießen hatten beschlossen. Den 1.9.1802. Joh. Paul Meingassner,Joh. Georg Gruber." Sicher handelt es sich hiebei um einen der sogenannten ,,Winkelschießstände", die bis ins 19. Jahrhundert immer wieder durch strenge Verordnungen verboten wurden. So ergingen in den Jahren 1747 und 1754 an die Gemeinden Erlässe, ,,daß außer denen in gewissen Städten und Märkten erlaubten ordentlichen (= privilegierten) Schießstätten in keinem einschichtigen Haus, noch weni ger aber in denen Bauers-Häusern und Taffernen oder Schank-Häusern einiges Scheiben- oder anderes Schießen ..., weder auch das mindeste Feuer-Schießen in denen Rauchnächten oder bey Pro zessionen, Umgängen und Hochzeiten abgehalten werden dürften." Daß diese Bestimmungen der theresianisch-josefinischen Ära, die leider nichts an Aktualität einbüßten, auch im Salzkammergut zur Anwendung gelangten, geht nicht nur aus dem Verbot einer Winkelschießstätte in Obertraun hervor, sondern auch aus dem Bericht des Salzamtmannes A. V. Riethaler, der im Jahre 1783 das obere Salzkammergut besuchte und fest stellte: ,,Bei meinem letzten Aufenthalt hab ich unliebsam wahrnehmen müssen, daß die unberechtigten und aller Orten durch allerhöchste Generalien abgestell ten Winkelschießstätten zum Teil noch bestehen, auf solchen sogar an Werk tagen polizeiwidrige Zusammenkunft ge halten, geheime Schießen gegeben und hierauf halbe Nächte gezecht und ge lärmt werde..." Er verordnete, daß die bestehenden Winkelschießstätten abzu schaffen seien und jene Leute, die in Zukunft ein Schießen veranstalteten, 24 Reichsthaler zu zahlen hätten. Bis zur Wende zum 19. Jahrhundert wurde streng zwischen den ,,privilegier ten" und den ,,Winkel"-Schießstätten unterschieden. Dem entsprach auch eine strenge soziale Trennung. Denn es war kaum denkbar, daß ein Berg- oder Salinenarbelter Mitglied einer privilegier ten Schießstätte gewesen wäre. In diese Gesellschaften hatten nur Bürger (Salz fertiger) und die Beamten des Salz wesens Zutritt. Ihr Privileg bestand darin, daß sie vom Kaiser einen sogenannten ,,Vortl" zum Ausschießen erhielten. Im Mittelalter bestand dieser ,,Vortl" aus einem feinen Tuch, später aus Geld. Es gehört übrigens zu den Besonderheiten des Schützenbrauchtums im Salzkammer gut, daß die Preisfahnen in Form von bunten Seidentüchern bis in die Gegen wart erhalten blieben. Darüber hinaus ist der ,,Vortl" auch für die Erhellung der Geschichte des Schützenwesens von gro ßer Bedeutung. Die Ansuchen um das Privileg geben nämlich Aufschluß über die Existenz von Schützengesellschaften. So ersucht die Gmundner Schützengesell schaft 1567 Kaiser Maximiiian II, er möge ihnen wiederum den ,,Vortl" gewähren, denn ,,als man vor Jahren bey Eur. Röm. Kay. Mst. Salzwesen zu Gmundten an den Feirtägen mit dem Stachel geschossen, ist den Schützen aus dem Salzambt daselbst, jährlich ein Kaiserlicher be willigter VortI, von Euordern geben wor den." Da aber das Stachel-(= Armbrust-) Schießen abgenommen habe und anstatt dessen das Schießen mit der Büchse in Übung und Brauch gekommen sei, bittet die Gesellschaft, den ,,VortI" auf das Scheibenschießen zu übertragen. ,,Sintemal dann Eur. Röm. Kay. Mst. solche Ritterliche Kunst zubefuedern allergenedigst genaigt, auch bey anndern Stedten VortI geben." Etwa den ,,Püxenschüzen und Schiesfreinth bey fürstl. Gamergut und Salz Sieten zu Aussee", die 1585 an die Gesellschaft von Innerund Vordernberg ein Ladschreiben zu einem ,,freygesöllen Schiessen umb merrer Khurzweill, Nachberschaft und Freindschafft willen" richten. Sehr inter essant ist das Ansuchen der Mondseer Schützen aus dem Jahre 1602, in dem die Beweggründe zur Errichtung einer Gesellschaft angegeben werden. Nicht die defensio, wie man allgemein an nimmt, sondern die ,,ritterliche Kurzweil", die sportliche Unterhaltung, steht dabei im Vordergrund. Außerdem stellen sich die Schützen die Aufgabe, am Festtag des heiiigen Sebastian, den sie zu ihrem Patron wählten, eine Messe zu stiften und an der Fronleichnamsprozession im ,,Schützenröckhl" teilzunehmen. Nach dem Ende der bayrischen Pfandherrschaft im Jahre 1628 erhielten die Gesellschaf ten von Gmunden, Ebensee, Ischl und

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