Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 2, 1975

mm Ii Links: Hl. Anna Selbdritt, Holz, alte Fassung, 1500, aus einem Kielnbauernhaus In St. Radegund (Bez. Braunau am Inn) Rechts: Johannes der Täufer, kniend, Holz, Fassung teilweise erhalten, 1490/1500 Rechte Seite: Joseph Mössmer,1780—1845, Bootsfahrt auf dem Traunsee, öl auf Karton oder die Galerie des Museums. So ver zaubern, wie das Atelier, konnten uns diese Besuche jedoch nicht. Durch den Vetter mußten wir oft erfahren, wie müh sam das Künstlerleben ist, wie sich die Maler um die besten Plätze in einer Ausstellung stritten und welch ein Ereig nis ein Auftrag war. Der Großteil der Klasse, die zur Hälfte mit Auszeichnung maturierte, ging auf die Hochschule. Walther hielt wie alle Jahre die Abschiedsrede, bei der er von Hölderlin ausging. Hatte man sich im Winter auf den Skiern getummelt, so zog man im Sommer in alle Winde. Walther war immer bei den Kletterern, die in ihrer jungen Kraft Großartiges in den nördlichen Kalkalpen leisteten. Sie wan derten auch zu Fuß nach Regensburg, über Rothenburg bis Nürnberg, über das Barockschloß Pommersfelden bis Bam berg. So weitete sich rasch und gründ lich Walthers Horizont und auch der seiner Fahrtenkameraden, von denen einer ein starkes Talent für Plastik hatte. Walther begann das erste Semester In Wien. Er belegte Kunstgeschichte, Psy chologie und Germanistik und hörte noch den Dozenten Weininger, der dann aus dem Leben schied: ein blutjunges Genie. Walther nahm uns In diese Vorlesungen öfter mit. So fuhren wir auch zu ,,Parsivai" oder zu „Tristan und Isolde". Wir standen uns die Füße in den Leib oder saßen auf teuren Sitzen. Leider konnte Walther nicht weiterstudieren und mußte bald sein Geld in einer Bank verdienen. Er kam in die Zweigniederlassung Bad Ischl. In Wien blieb er weiter inskribiert. Er arbeitete mit viel Energie in der Bank, wo er als Anfänger bei seinem gründ lichen Wesen rasch in die ihm neue Materie hineinwuchs. Auch St. Wolfgang mit seiner großartigen Wallfahrtskirche war nicht weit. Bald verband ihn mit dem Mesner dort eine warme Freund schaft, die ihm half. In das Riesenwerk Rächers einzudringen. Das kam auch uns zugute. Quartier gab es in den Heuhütten genug. Das Land war unvergleichlich schön. Nach eineinhalb Jahren kam es zur Gründung einer Zweigniederlassung der Bank In Wien und Walther wurde mit der selbständigen Leitung des Depot- und Effektengeschäftes bei äußerst schwierigen Verhältnissen be traut. Tüchtig und unverdrossen arbeite ten sie in Wien oft bis in die Morgen stunden. Nachdem sich in Wien diese Abteilung eingespielt hatte, wurde er von der Direktion der Bank zur persönlichen Dienstleistung des Direktors von Salz burg zugeteilt und war auf dem besten Wege zu einer Spitzenposition. Infolge der Wirtschaftskrise wurde er jedoch mit schwerem Bedauern als einer der Jüng sten ab 1. Jänner 1926 abgebaut. Mit Hilfe der Abfertigungssumme wandte er sich, wie es seine Art war, blitzschnell erneut dem Studium zu; diesmal nicht in Wien, sondern in Innsbruck, und zwar den Rechtswissenschaften. Da ihm seine fachfremden Vorstudien angerechnet wurden und ihn unser Vater vorsorglich schon im Wintersemester in Innsbruck hatte inskribieren lassen, legte er bereits im April 1926 die erste Staatsprüfung ab, so daß sein Jus-Studium insgesamt nur eindreiviertel Jahre dauerte. Trotz des Todes unseres Vaters bestand er Im Juni 1927 die zweite Staatsprüfung mit Auszeichnung in allen Fächern, im Okto ber die dritte und dazwischen lagen die Rigorosen. Am 5. November 1927 wurde

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