Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 2, 1975

Links unten: Margret Bilger:(Pramlandschaft), der Titel vom Bearbeiter erfunden, Neue Galerie der Stadt Linz, Inv.-Nr. 3 Rechts: Margret Biiger: Dorf, Pasteil, um 1969, Privatbesitz Taufkirchen a. d. Pram Fotos: Burgi Eder und Max Eiersebner Mein Lied ist ait: aus Wassergemurm und Wurzeigrund aus Woikengesturm und Muscheimund — Wachoider ait mit Rosmarin fiicht iiiane Ros der Jungfrau Marien. Mein Lied ist ait: wie Weit im Schoss ist ,eingefait'. ich weiss nicht wie's geworden ich weiss nicht wie mir's ist, 's ist wie ein neuer Orden, und Demut ist's gewiss. Ich frag nicht nach der Stimme die es gerufen an, ob es die heiige Minne, ob's fromme Lieb getan - Es gilt mir aiies Eines — und was ich sag und sing: wird Goid — da es nicht Meines, wird Goid,da ich's empfing. r» . - » Kunst können, das spricht wörtlich auch die Lyrik aus, nur durch ihre Gegensätz lichkeit hindurch zur höheren Einheit ge bracht werden. Das von einer Frau ver faßte Gedicht folgt fraulicher Bestim mung durch die Jahrtausende. Es ist, um es mit Margret Bilger selbst zu sagen, „immer die gleiche Stimme,Vogelstimme, die ins Metaphysische ruft, gleichviel ob Liebende oder Nonne". Zum Beschluß noch ein paar notwendige Worte über die Briefstellerin Margret Bilger: sie ist von jeher mehr als nur bloße Schreiberin von Briefen gewesen, weil sie dabei einem tiefen lebensnot wendigen und das Leben erhaltenden Drange folgte. Briefe in Selbstzeugnis sen reichen bis in das Jahr 1922, also in die früheste Zeit kunstschulmäßiger Ausbildung zurück und seit damals scheint Margret Bilger auch um den be wußtseinsbildenden Wert des Künstler briefes gewußt zu haben. Als geliebtes Vorbild hat hier sicher der universale Briefschreiber Rilke gewirkt. Briefstellen mit Anspielungen aus den Jahren 1923, 1927 und 1929 beweisen es. Es kommt hier auch das vorgefundene Motiv von der künstlerischen, auf sich selbst ge stellten Frau hinzu. (Die Gattin Rilkes war Blldhauerin, Paula Becker-Moder sohn, gleichfalls dem Worpsweder Kreis um Rilke zugehörig, stand, laut Margret Bllgers eigener Aussage, ihr „am näch sten als eine Frau, die die Erde feierte".) Und wie hoch im übrigen Margret Bilger die Briefkunst als ein nur für wenige bep:- rt ■, , j,. ■ ■ stimmtes Verfahren einschätzte, das trotzdem literarischen Wert erlangen kann, bewies ihre traumwandlerische Sicherheit im Auffinden der,,Briefe eines Unbekannten" von Alexander von Villers noch im Jahre 1939 (Oktober, Brief an den Vater). Die eigentliche Entdeckung des 1975 erstmals Im Zusammenhang veröffent lichten Briefmaterlals dürfte jedoch gerade eine Reihe von Briefen sein, in denen eine ursprüngliche Expressivität sich bis in den heimlichsten Bereich hin ein ohne Fesseln von sprachlich Aner zogenem kundgibt. Es sind die Schreck nisse einer geschändeten Wirklichkeit im sozialen Elend der Armen, Kranken und Behinderten, bis hin etwa zum beob achteten Selbstmordversuch eines jungen Bauernburschen. Und es ist schließlich die nur hauchdünne Oberfläche eines leuchtenden Kunst-Erlebens, das die mei sten Briefzeugnisse schon ab der Mitte der zwanziger Jahre weit aus dem unauf fälligen Mittelmaß heraushebt. Der Alters stil ist damit verglichen ganz zurück genommen ins Sachliche, Alltägliche. Dennoch sind seine wertvollen, ein Le ben in Selbsterkenntnis und Selbstbe scheidung immer mehr zur Ernte ein bringenden Kernstellen leicht aufzufin den. Und bezeichnenderweise erreichen gerade die allerletzten Briefdokumente vor dem Tod wiederum die Bekenntnis wucht und Leidensfähigkeit des jugend lichen Aufbruches.

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