Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 2, 1975

Kunst der Gegenwart Die Lyrikerin und Briefsteiierin Margret Biiger Peter Kraft Die Veröffentlichung dieses Aufsatzes erfolgte über Anregung von Melchior Frommel und mit Genehmigung von Irmtraut Ring-Bilger aus dem Nachlaß von Margret Bilger Mitunter ist auf den Hoizschnitten und -rissen von Margret Biiger zu beob achten, wie die eigenwiiiig gerundete und geschwungene Handschrift der Künstierin nicht mehr nur zum Signieren dient oder den liiustrationstext aus der fremden Voriage unter den Biidrand setzt, son dern seibständig vordringt zur iiterarischen Autorschaft. Das geht hier am kiarsten zunächst aus dem Hoizschnittzykius ,,Passau" hervor, der einem gieichnamigen Gedicht Margret Biigers zugeordnet ist. Dieses Bemühen auch um den sprachiichen Ausdruck inmitten eines vieischichtigen Gesamtwerkes von Druckund Originaigraphik, Maierei, Kunst der farbigen Kirchenfenster und der Biidweberei ist den Freunden und Vertrauten der schöpferischen Frau wohi schon seit Jahrzehnten bekannt gewesen, aber es scheint nunmehr, nach dem Tod Margret Biigers, erst einer besonderen Sichtungs arbeit des Nachiaßverwaiters Melchior Frommei bedurft zu haben, um die neue Perspektive von der Sprachkünstierin, anhand von 43 geordneten und bisher ungedruckten Gedichten, ganz sichtbar zu machen. Man muß Lyrik dieser Art stets im ganzheitiichen Zusammenhang sehen; das heißt einerseits bezogen auf den bildne rischen Werkvorgang und andrerseits, und beinahe schon im selben Atemzug, verknüpft mit den lebenslang entschei denden literarischen Einflüssen, schließ lich aber mit der Prosa der Briefsteiierin, die oft an Unmitteibarkeit und Ursprüng lichkeit den Ausdruck der Gedichte noch übertrifft. Auch über den brieflichen Nach laß kann spätestens seit Erscheinen des Aussteiiungskataioges zum Anlaß der Gedächtnisausstellung im Stift Schiierbach 1975 dank der editorischen Vor arbeit von Melchior Frommei Auskunft gegeben werden. Hier sei ein kleiner Einschub erlaubt, der wohi unser Thema noch mehr verdeut lichen könnte: Wo immer bildende Künst ler auch den literarischen Weg beschritten haben, ist eine ganz bestimmte eigen tümliche Sonderform von Literatur zu standegekommen. Man denke im ober österreichischen Raum nur an den Illu strator und Autor Alfred Kubin, der mit Margret Biiger befreundet war, man erin nere sich im großen österreichischen Zusammenhang an Albert Paris Güters loh und Fritz von Herzmanovsky-Oriando, gleichfalls einen Vertrauten von Kubin. Und schließlich dürfen hier auch die Sonett-Dichtungen des Maiers und Gra phikers Egon Hofmann angeführt wer den, die überhaupt einen literarischen Liebiingsausdruck bildender Künstler seit alters her bezeichnen, in allen der artigen Fällen ist Literatur nicht ablösbar vom bildnerischen Tun, sie würde einer starken Wertminderung unterliegen, könnte man nicht, durch sie hindurch, auch ihre Ergänzung als bildnerische Eigenform erblicken. Margret Biigers Lebenslauf hat — so sehr in erster Linie Bilder, Bildwerke und Blätter seine Früchte sein mögen — von Anfang an und bis zuletzt sein Poeti sches gehabt. Das ging soweit, daß sich im Lauf der Jahrzehnte um die in länd licher Abgeschiedenheit Hausende sogar ein persönlicher Mythos von der Zaube rin und Eibin von Taufkirchen an der Pram, ähnlich wie bei Kubin, dem Magier von Zwickledt, gebildet hat. Rein soziologisch betrachtet, bedeutet die Existenz von Margret Biiger nichts anderes als den Ausbruch eines Kindes aus gutbürgeriicher Geborgenheit und Unselbständigkeit in das karitative Aben teuer der Kinder- und Krankenpflegerin, in die Protestehe mit einem Mann aus dem einfachen Volk, in den resignativ endenden Bildungsgang akademischer Kunstausbiidung und schließlich in den erst spät klar erkannten eigenen schöpfe rischen Bereich, in diesem Ziel war einbeschiossen: einfachstes und oft ent behrungsreichstes Leben auf dem Lande, aiimähiich erstarkende freiberufliche Selbständigkeit und das späte Glück eines gemeinsamen Weges mit dem deutschen Künstler Hans Erich Breustedt. Aller Umgang mit Sprache und Literatur verlief bei Margret Biiger sehr gerad linig und durchsichtig. Bezogen auf das druckgraphische Werk bedeutet das: ihre einzig bestimmenden Anreger waren die Bibei, die Grimmschen Märchen und die Märchenüberiieferung der Welt über haupt, und schließlich die Volkslieder sammlung ,,Aus des Knaben Wunder horn". Mag aus den ersten beiden Quel len manche Wort- und Bildwahl die Sprache der Lyrik mitgefärbt haben, so sind Komposition, Vers- und Reimbau vor allem dem historisch gewachsenen deutschen Volksiiedgut verpflichtet. Das darf allerdings nicht verallgemeinert wer den. Margret Biiger scheint auch eine genaue Kennerin der volkstümlichen oberösterreichischen Überlieferung ge wesen zu sein, sie wurde gerade in ihrer Gegend mit vielen sprachlichen Zeug nissen der zeitlos barocken katholischen Volksfrömmigkeit konfrontiert, genauso

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