Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 2, 1975

Erst eine derartige, in eine vergleichbare Kulturpolitik richtig integrierte Aussteiiungspraxis ermöglicht relevante Ver gleiche. Sie nützt im Endeffekt vor allem jenen Künstlern im lokalen Umraum, die tatsächlich etwas zu sagen haben, Kon kurrenz nicht zu scheuen brauchen (sie auch nicht mißverstehen) und eine ent sprechende, nach außen hin tendierende Förderung verdienen. Daß ein international ausgerichteter Aussteiiungsbetrieb heute mit Recht vom Publikum erwartet wird, steht außer Dis kussion. Die Internationaiität der Programmersteliung wird ja auch überall sonst — im Musik- und Theaterprogramm gewahrt. Sie darf nicht auf Kosten der Entwicklungsmögiichkeiten heimischer Künstler praktiziert werden, sondern als Begünstigung für diese in einem engen Konnex, damit ein möglichst hohes künstlerisches Niveau mit entsprechen den Wertansprüchen erreicht wird. Verstärkt als Hoffnung mit einzukalku lieren ist Im Hinblick auf kommende Impulse auch die aus der vormaligen Kunstschule der Stadt Linz hervorge gangene Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung. Sie wird Ihre Effektivität für den freien, als auch für den angewandten Sektor der bildenden Künste in Zukunft noch mehr als bisher zu beweisen haben. Inwieweit sie sich als Anziehungspunkt für oberösterreichi sche Kunststudenten im Verhältnis zu den Wiener Hochschulen auswirken kann, wird sich in wenigen Jahren schon andeuten. Stile, Tendenzen, Techniken Untersucht man die Tendenzen inner halb der von jüngeren Oberösterreichern gemachten Kunst, so läßt sich weder ein bestimmter dominierender Stil noch eine deutlich im Vordergrund stehende Technik ausmachen. Die noch für die Hochblüte des abstrakten Expressionis mus und Informel zwischen 1950 und 1960 charakteristische Dominanz der Öl malerei existiert allerdings schon lange nicht mehr. Das Tafelbild ist heute nur eine von mehreren Möglichkeiten, hat allerdings nach wie vor Berechtigung und Überiebenschancen. Während die reine Maierei einen deutlichen Rückgang auf zuweisen hat, läßt sich interessanter weise bei der Zeichnung das genaue Gegenteil beweisen. Sie tritt uns ebenso in Beispielen des reinen Schwarzweiß wie in diversen Verbindungen mit farbi gen Anreicherungen entgegen. Wie stark der Anteil der Zeichnung innerhalb der jungen Kunst Oberösterreichs ist, geht schon daraus hervor, daß von den ins gesamt 125 Exponaten der AvantgardeAusstellung annähernd die Hälfte Zeich nungen waren. Strukturell gesehen reicht das Angebot freilich viel weiter. Es deckt sich im wesentlichen mit den Beobach tungen auf internationalem Gebiet und umfaßt neben den erwähnten Möglich keiten des Bildes und der Graphik (ein schließlich Druckgraphik) Plastiken, zu sammenhängende, konzeptiv ersteilte Objektfolgen, Photosequenzen, Environ ments (der Wohnraum von Jascha) und gelegentliche Arbeiten auf dem Gebiet des Aktionismus (Export und Jascha). Widersprüche innerhalb der diversen künstlerischen Absichten sind dabei ebenso an der Tagesordnung wie Gemeinsamkeiten in den Anliegen und der gewählten Stoßrichtung einer be stimmten Aussage. So relativ auch der Begriff der Aktualität in der Kunst sein mag, so sehr scheint diese Aktualität innerhalb der Bestrebungen der maß gebenden jungen Künstler gewahrt. Sie dürfte sich auch in zunehmendem Maße als Vorteil einer größeren Mitgehund Diskussionsbereitschaft beim brei teren Publikum erweisen. Das Potential der jungen oberösterreichischen Kunst ist jedenfalls beachtenswerter als man im allgemeinen annimmt. Es darf nicht isoliert auf das spezifische Aussteliungsprojekt gesehen werden, sondern in weiterreichenden und ergänzenden, vor allem jedoch historisch auf die wichtig sten Künstlerpersönlichkeiten und ihren Einfluß zurückgreifenden Zusammen hängen. Unter diesen Gesichtspunkten reicht die oberösterreichische Genealogie von Kubin, Franz Sediacek und Margret Biiger über den universeilen Herbert Bayer, Karl Rössing und Rudolf Hofiehner bis zur Generation der heute vierzig- bis sechzigjährigen, die durch ihr Wirken als Lehrer einen nicht unbe trächtlichen Einfluß ausüben. Die stärk sten und überzeugendsten Künstler unter den jüngeren sind dieser Reihe hinzu zufügen, obwohl man bei ihnen noch nicht abschließend urteilen und ver gleichen kann. Die Künstler Wenn es auch nicht immer leicht ist, genau nach stilistischen Anliegen, Ten denzen und künstlerischen Absichten zu unterscheiden, ergeben sich dennoch gewisse Schwerpunkte. Einer dieser Schwerpunkte liegt ganz eindeutig im Bereich einer geselischaftskritisch orien tierten Stellungnahme. Sie bedient sich teilweise expressiver Stilmittel, nützt aber auch die Möglichkeiten der Collage(Timo Huber), die scharfe Abbildhaftigkeit des Hyperrealismus beziehungsweise die Übersteigerungen und Zitate der PopArt. Stilistische Gemeinsamkeiten und Einzeigängertum sind in gleicher Weise anzutreffen. Ais profilierter Außenseiter internationalen Renommees gilt Chri stian Ludwig Attersee. Wie er selber sagt, ist er hauptsächlich als „Bilder macher" tätig, er trat jedoch auch wieder holt als Aktionist, Erfinder, Sänger und Komponist, Objektgestalter, Texter, Bühnenbildner (Hamburg) und Fiimmacher in Erscheinung. Attersees Werk ist zweifellos in Relation zur Pop-Art zu sehen, es ist ihr jedoch nicht hinzuzu rechnen. Seine Stärke liegt — sieht man von einem überragenden zeichnerischen Talent als wichtiger Grundlage seiner ,,Manier" ab — in einer zeitbezogenen, konsum- und sexorientierten Ironie, demonstriert am Banalen und Trivialen. Was auf's erste als süßliche Idylle an mutet, entpuppt sich bei näherem Hin schauen als kritisch-sarkastische Persi flage. Ein Plus an zeichnerischer Rasanz und Autonomie weist sein jüngster Werks abschnitt auf. Aus ihm wird auch die Auswahl für Attersees Beteiligung an der Biennale der Jungen in Paris im Herbst dieses Jahres getroffen. Die künstlich kitschige Welt in den Bildern Attersees ist das genaue Gegenteil zum vergleichs weise härteren Wirklichkeitsbezug in den Collagen des Architekten Timo Huber. Der 1944 geborene Freistädter arbeitet mit den uns bekannten Fakten des Krie ges, der Unmenschlichkeiten, der Not und Angst. Er bringt sie in Beziehung mit Macht, ihren Ansprüchen und Miß bräuchen, demonstriert aber auch durch die bildhafte Gegenüberstellung von Hunger und Überfluß die Ohnmacht einer Welt, die alles andere als heil ist. Sein Material sind zumeist Ausschnitte aus Farbiiiustrierten, die neuerdings durch gezeichnete Partien angereichert und er gänzt werden. So wie Timo Huber ist auch der aus Lambach stammende Walter M.Pühringer Architekt. Seine vergleichsweise sen siblere Bildwelt setzt sich mit dem Kom plex Sex und Maschine auseinander und bringt diese modernen Fetische mit der seelischen Situation des Menschen in modeiihafte Zusammenhänge: in einer ,,Transformer" betitelten Plastik effektvoll

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