Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 2, 1975

Inhaltsverzeichnis Oskar Matulla Franz von Zülow, sein frühes Werk Dr. Harry Slapnicka Oberösterreicher in der Karikatur — Karikatur aus Oberösterreich Dr. Hertha Schober Das künstlerische Erscheinungsbild der zwanziger und dreißiger Jahre In Oberösterreich Kunst der Gegenwart 4 Dr. Peter Kraft Die Lyrikerin und Brlefstellerln Margret Bllger 47 13 Landschaft, Naturschutz, Raumordnung Prof. Alois Dorn Baukunst - ohne Kunst? 53 19 Peter Baum Oberösterreichs Avantgarde — Malerei, Graphik, Plastik, Objektkunst und Aktionen der Generation bis vierzig Wirtschaft Prof. Erich Buchegger Die Kunst Im Dienste der Werbung 57 29 Denkmaipflege Elfriede Prillinger Die Blldhauer-Werkstätte Rauch In Altmünster 39 Landeskunde Prof. Otfried Kastner Universitätsprofessor Dr. Walther Kastner und seine Sammlung 63

Kulturzeitschrift Umschlagbild von Herbert Friedl „Blick auf Linz" 1974, Collage, Tempera 65 X 65 cm 2. Preis beim gesamtösterreichischen Künstlerwettbewerb zum Thema „Image Linz" Linzer Stadtmuseum Nordico Gedanken (zur Arbeit,,Blick auf Linz") Leben — ein Spannungszustand. In einer Polarität leben - zwischen der lauten, ungesunden, mir aber viel bedeutenden Stadt und dem scheinbar ruhigen, erholsamen Land — das mir nur halb so viel bedeutet. Nebel - vom Donaustrom mitbestimmter Atem der Zivilisation — die Stadt charakterisierend. Grau — Farbe der Stadt, der Masse, der Anonymität. Ein Fenster — Verbindung,Trennung oder Weg von einem Grau zum anderen — in eine andere Wirklichkeit? Das Grau überwindend — eine Kirche. Gebaute Weltanschauung, Kulturdenkmal, Relikt aus der Vergangenheit oder Hoffnungssymbol? Hoffnung auf eine bessere Welt für die Menschen im Grau? Kulturzeitschrift Oberösterreich 25. Jahrgang, Heft 2/1975 Vierteljahreszeitschrift: Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, Oktober, Dezember. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag; Redakteur: Dr. Otto Wutzel; verantwortlich für den Inhalt im Sinne des Pressegesetzes: Dr. Elfriede Wutzel; Grafische Gestaltung: Herbert Friedl; Druck: Oö. Landesverlag Linz; sämtliche 4020 Linz, Landstraße 41, Ruf(07222)781 21. Jahresabonnement(4 Hefte):S 148.—; Einzelverkaufspreis: S 45.—. (Alle Preise inkl.8% MWSt.)

Zeitgenössische Kunst in barocken Räumen Margret Bilger(1904—1971) Otto Wutzel In der Reihe der großen oberösterrei chischen Landesausstellungen folgt nach der „Kunst der Donauschule" In Sankt Florian und der „Blldhauerfamllle Schwanthaler" In Reichersberg nunmehr die Ausstellung „Margret Bilger 1904 bis 1971" Im Zisterzienserstift Schilerbach. Sie dauert vom 24. Mal bis 31. August 1975. Ihr kennzeichnender Untertitel lau tet „Zeitgenössische Kunst in barocken Räumen". Unzweifelhaft kann diese Aus stellung als das zentrale kulturelle Ereig nis In Oberösterreich für das heurige Jahr angesprochen werden. Margret Bilger zählt zu den bedeutend sten und liebenswertesten Persönlich kelten der österreichischen Moderne. Ihr Werk Ist gekennzeichnet von einer tiefen Mystik, einer gläubigen Menschlichkeit und einer märchenhaften Versponnenhelt. Nicht umsonst wird Immer darauf hingewiesen, daß Ihre bildnerische Welt In erster Linie aus dem Empfinden einer Frau verstanden werden muß, die Ihr ganzes Leben In leidenschaftlicher Hin gabe der Kunst gewidmet hat. Geboren am 12. August 1904 In Graz, fand sie In der Ortschaft Leoprechting In dem Innvlertler Dorf Taufkirchen an der Pram eine Helmstatt fürs Leben. Künstlerische Heimat wurde das Zisterzienserkloster Schlierbach Im oberösterreichischen Kremstal mit seiner Glaswerkstätte, die Ihren Internationalen Aufstieg In erster Linie Margret Bllgers künstlerischem Genius verdankt. Die Lebensbahn der Künstlerin endete am 24. Juli 1971 In Schärding am Inn. International bekannt wurde Margret Bil ger zunächst mit Ihrer Druckgraphik, für die sie In regem Gedankenaustausch mit Alfred Kubin persönlich die technische Bezeichnung des ,,Holzrisses" erfand. Alfred Kubin schrieb 1942: „Holzrisse sind wie eine glückliche Eingebung. Sie geben mit Rissen einen Wink auf die Im Grunde malerische, zeichnerische Tech nik und mit Holz als für das Materlall" Margret Bllgers Holzriß-Werk bildet heute eine Kostbarkelt In der abendländischen Graphik. Von dieser graphischen Welt fand sie den Weg zu der modernen Glasmalerei, die In unserer Gegenwart Im Kirchenbau eine entscheidende Rolle spielt. Margret Bil ger hat dem sakralen Glasfenster einen völlig neuen Impuls gegeben. Sie schuf für alte und neue Gotteshäuser eine Fülle von großartigen Farbsymphonien, die ausschließlich In der Glaswerkstätte Schilerbach geschaffen worden sind. In allen Glasfenstern spricht die Künstlerin als Mystikerin zu uns, erfüllt von einem Geist, der nur mit Franz von Assisi ver glichen werden kann. Das Land Oberösterreich hat stets das Schaffen dieser Künstlerin mit wachem Interesse gefördert. Mit rund 350 Expo naten wird In Schilerbach erstmalig eine Gesamtschau geboten, die nicht nur die Holzrisse und Glasmalerelen umfaßt, sondern auf die ganze Breite aufmerksam macht, die Margret Bilger erfüllt hat: erstmals werden In großem Umfang auch Ihre Ölbilder, Hinterglasbilder, Weberelen, Aquarelle, Pastelle und Zeichnungen ge zeigt, die sie Im allgemeinen bis zu Ihrem Tode zurückhielt. Eingerichtet wurde die Ausstellung Im Zisterzienserkloster Schlierbach, wo Mar gret Bilger glückliche Jahre verbringen durfte. Für die Aufstellung der Schau ste hen prunkvolle Barockräume zur Ver fügung, die einen Imposanten äußeren Rahmen ergeben. Mittelpunkte des Ausstellungsbereiches sind der Bernhardl-Saal und die Stlftsblbllothek, die zu den künstlerisch wert vollsten barocken Innenräumen In Ober österreich gezählt werden dürfen. Für die Ausstellung wurden diese histo rischen Räume gewissenhaft restauriert, so daß sich — nach bewährtem Beispiel — eine wirkungsvolle Ergänzung von Denkmalpflege und Kunstpflege ergibt. Den Besucher erwartet eine stimmungs volle Einheit von historischer Kunst mit modernem Kunsterlebnis. Schlierbach, Zisterzienserstift, Bibliothek, erbaut 1712, als Baumeister wird der Linzer Barockarchitekt Johann Michael Prunner (?) angenommen. Die Kiosterbibiiothek von Schiierbach kann zu den schönsten barocken innenräumen in Oberösterreich gezählt werden, ihre Restaurierung zählt zu den wichtigsten Aktionen anläßlich des Europäischen Jahres des Denkmaischutzes.

Schlierbach, Zisterzienserstift, Berntiardisaal im Osttrakt des Kiosters. Barocker Festsaal mit einheitlictier Ausstattung aus der Zeit um 1700. Fotos: E. Mejctiar m %

Franz von Zülow, sein frühes Werk Oskar Matulla Wien, letztes Jahrzehnt vor Ausbruch des ersten Weltkrieges. Noch einmal fan den sich geistige Größe und künstlerische Kraft In der Hauptstadt des Reiches zu sammen, noch rief die Metropole die besten Geister der Kunst und Wissen schaft In Ihre Mauern, um eine späte — und letzte — Blüte der Kultur des Vielvölkerstaates heranreifen zu lassen. Vielfältig waren die Kräfte, die jene Kul turhöhe entwickelten, die das Bild der Epoche bestimmten. Es war das letzte Zusammenfinden, eine sichtbare Darle gung dessen, wozu die Nationen des Reiches fähig waren. Knapp vor Anbruch des 20. Jahrhunderts hatten sich In der Kunst Europas Art nouveau. Modern Art, Jugendkunst und Sezessionismus etabliert. Im Rückgriff auf eine Kunst, die um 1850 lebendig war, und In Vorschau auf das kommende Jahrhundert sollten diese für zwei Jahr zehnte hin das kulturelle Bild einer Zelt prägen, über die bildende Kunst hlnausgrelfend, die Architektur, die Mode, die Literatur erreichen, einen ,,Stir bilden, ehe sie In den Umbrüchen von 1918 untergingen. Freilich darf nicht über sehen werden, daß vor der Zerstörung des alten Gefüges, das In die Zukunft Welsende und diese auf Jahre Bestim mende, der Expressionismus, schon seine Fahne entrollt hatte. Beiden Bewe gungen, dem Sezessionismus, wie dem Expressionismus, waren auf dem Boden Österreichs ein langhinlaufender Nach sommer beschieden. Noch 1930 wurde In Schrelblingkirchen In Niederösterreich das Gewölbe der romanischen Rund kirche mit sezesslonlstlscher florealer Ornamentik bemalt, der Expressionismus sollte noch 1950 bis 1960 In den Werken abstrakter Maler anwesend sein. Das Ist die künstlerische Welt, die der am 15. März 1883 In Wien geborene Franz von Zülow betritt. Sie formt sein Leben und sein Werk. Nach einer In Haugsdorf Im niederösterreichischen Weinviertel verbrachten Jugend kam er 1901 nach Wien, um die ,,Graphische Lehr- und Versuchsanstalt" zu besuchen. War auch damals die ,,Graphische" vor wiegend für die Ausbildung der Im Tages bedarf notwendigen Drucker und Ge brauchsgraphiker eingerichtet, so wur den ebensogut junge Menschen durch den Unterricht In der Handhabung der verschiedensten graphischen und druck graphischen Techniken für die freie Gra phik gewonnen. Zülow geriet mit der Übersiedlung nach Wien In eine Welt künstlerischer Auseinandersetzungen und kultureller Spannungen. Es war auch eine Welt der Zukunftsgläubigkeit, was die Moderne betrifft. In Wien wirkten zu jener Zelt drei künst lerische Institutionen, die für Zülow be deutsam werden sollten: der Hagenbund, die Sezession und die Wiener Werk stätte. Die Gründung der Sezession lag damals vier Jahre zurück, schon war das von J. M.Olbrich erbaute Haus mit m LlIL Links: Franz von Zülow in seinem Atelier in seinem Häuschen In der Ortschaft Auerbach, Gemeinde Hirschbach bei Freistadt. Rechts: Gang zur Maiandacht in Haugsdorf, Tuschfeder aquarelliert, 1908

einem regen Ausstellungsleben erfüllt. Untersucht man das Programm der Se zession, wenn man von einem solchen sprechen kann, und dessen Niederschlag in den Bildern, merkt man, daß weniger ein gemeinsames Kunstwollen die Mit glieder einte, als vielmehr eine Abwehr end Angriffsfront gegen das Herkömm liche und Überlieferte. Der Wiener Sezesionismus hatte sich erst nach der ersten Ausstellung des Jahres 1898 entwickelt. An der Niederlegung der Ideen des Sezessionismus war das in St. Pölten lebende Gründungsmitglied Ernst Stöhr (1860—1917) wesentlich beteiligt. Gustav Klimt sah noch in Theodor von Hörmann (1840—1895) einen unmittelbaren Vor läufer der Sezession, was er mit einer Kranzniederlegung am Grabe Hörmanns am Tage der Eröffnung der ersten Aus stellung der neuen Bewegung dokumen tierte. Doch war Hörmanns Kunst eine impressionistische Stimmungsmalerei ge wesen — und nicht wenige der Mitglieder setzten diese auch in der neuen Ver einigung fort. Das heißt, vom stilistischen Standpunkt aus bot die Sezession ein heterogenes Bild. Der Hagenbund begann zur gleichen Zeit seine nur über elf Jahre reichende Ausstellungstätigkeit. Stilistisch einfacher gegliedert, nannte 1930 rückschauend ein Mitglied jener Jahre, Ludwig Ferdinand Graf, ,,das vor der Natur gewonnene Bild" als das Ziel des Hagenbundes. Das Verdienst des Hagenbundes lag In seinen Verbindungen zur internationalen Kunst. Er brachte Constantin Meunler nach Wien, er zeigte schwedische, säch sische Kunst. Auf seinem Boden kam die Kunst der nichtdeutschen Kronländer vor die Öffentlichkeit, die Kunstvereinigungen ,,Manes" aus Prag, ,,Sztuka" aus Krakau und ,,Keve" aus Budapest. Damit trat zugleich eine nationalgefärbte Kunst her vor, in der zudem viele folklorlstlsche Elemente verarbeitet waren. Mit der Gründung der Wiener Werkstätte 1903 wurde die Tätigkeit der oben ge nannten Körperschaften in Richtung Kunsthandwerk erweitert. Neben den Ausstellungen dieser Richtung bestand eine Mitarbeit einzelner Künstler als Ent werfer, als Zeichner und im Bereich des Druckgraphischen. Klimt sprach 1908 (Eröffnung der ,,Kunstschau") Worte, die das Programm der Wiener Werkstätte sein konnten und es tatsächlich waren; verbunden einzig in der Überzeu gung, daß kein Gebiet des menschlichen Lebens zu unbedeutend und zu gering ist, um künstlerischen Bestrebungen Raum zu bieten, daß, um mit den Worten William Morris zu sprechen, auch das unscheinbarste Ding, wenn es vollkom men ausgeführt wird, die Schönheit die ser Erde vermehren hilft, und daß einzig in der immer fortschreitenden Durch dringung des Lebens mit künstlerischen Absichten der Fortschritt der Kultur be gründet ist." i i i 1 t cm

Nach dem Besuch der „Graphischen" be gann Zülow seine Studien an der k. u. k. Kunstgewerbeschule in Wien. Dieser wa ren mit der Gründung der Sezession und mit neuen Lehrkräften, die dort wieder Mitglieder waren, neue Impulse zuge flossen. Zülows Lehrer waren Felician Freiherr von Myrbach-Rheinsfeld und Carl Otto Czeschka. Beide verwendeten einen stilisierten Realismus für ihre eigene Tätigkeit. Myrbach trat als Illustra tor französischer Literatur über die Kriege des 19. Jahrhunderts hervor, wir kennen von ihm Zeichnungen auf ,,Stein papier", das ist Umdruckpapier für Litho graphien, er machte Algraphien, Fett kreidezeichnungen auf Aluminiumplatten. Czeschka war gleichfalls Illustrator, sei nen künstlerischen Flöhepunkt erreichte er mit den Bildern zum Nibelungenlied (in Prosa nacherzählt von Franz Keim) in Gerlachs Jugendbücherei (a. J. Nr. 29). Es ist heute schwer abzugrenzen, was Zülow durch den Besuch der ,,Graphi schen" an druckgraphischen Fähigkeiten erworben hatte und was ihm das Stu dium an der Kunstgewerbeschule anbot. Aus Veröffentlichungen im „Ver sacrum", der Zeitschrift der Sezession, muß man schließen, daß in der Kunstgewerbe schule mit den verschiedensten Techni ken experimentiert wurde. Im Jahrgang 1902, Heft 17, sind eine Reihe von Scha blonendrucken abgebildet, die aus den Händen von Schülern jener Schule stam men. Weiters gibt es in diesem Jahrgang und in dem von 1903 Holzschnitte, ebenMannsberg bei Znaim, Tuschfeder aquarelliert, 1908 falls von Schülern der Kunstgewerbe schule. Mit Ende des 19. Jahrhunderts war im Holzschnitt eine Verwandlung eingetre ten. Noch 1895 rügte ein Kritiker aus Anlaß der ,,Internationalen Ausstellung originaler Druckgraphik" in Wien das Fehlen des originalen Holzschnittes in Österreich. Damals war der Holzschnitt üblicherweise auf drei Personen aufgeteil; den Künstler und Entwerfer, den Schneider und endlich den Drucker. Zu dem war damals der Holzstich, die Xylo graphie, in Übung, die sehr viel hand werkliche Erfahrung voraussetzte. Um 1900 ging der frühere Holzschnitt in die eine Hand des Künstlers über, der auf den Langholzschnitt zurückgriff. Ein sol ches Zusammentreffen von mangelnder Routine mit sprödem Material — ,,ein Kistenbrett und ein Taschenmesser ge nügen", sagte Reinhold Hoberg —, wie die handwerkliche ünbeholfenheit trie ben den Holzschnitt geradezu in die Hände des Expressionisten. Von nun an nimmt der Holzschnitt einen festen Platz in den Ausstellungen und Buchillustra tionen jener Zeit ein. 1904 gab Gustav Meyrink (1868—1932) die Zeitschrift ,,Der liebe Augustin" her aus, die ,,Jugend", der „Simplizissimus" und das ,,Ver sacrum" waren die Vor bilder gewesen. Ungeachtet der Tat sache, daß in dieser die besten Kräfte der Literatur und Kunst mitarbeiteten, kam die Zeitschrift über den ersten Jahr gang mit 24 Heften nicht hinaus. Im

Mannsberg bei Znalm, Tuschfeder aquarelliert, 1908 Kt. '4 am«

Heft 11 (Seite 170) wurde zu einem Gedicht von Arno Holz ein Zweifarben druck von Franz Zülow gebracht, den Titel „Auf grüner Flur" bestimmte Meyrink, wenn auch dann der Druck in rost rot und schwarz erfolgte. Dieser Druck zeigte bereits alle Elemente, die Zülows Stil auf die Dauer kennzeichnen sollten: expressive Züge, die Neigung zur Um gestaltung des Naturvorbildes auf seinen „Stil" hin, wie das Wissen um die Aus druckskraft der Elemente in den Bildern der Volkskunst. Man muß sich hier erin nern, daß die Kenntnis der Volkskunde In diesen Jahren von der Stellung einer beschreibenden Tätigkeit zur Wissen schaft aufrückte, daß 1905 bis 1906 im österreichischen Museum für Kunst und Industrie in Wien eine umfassende Aus stellung österreichischer Hausindustrie und Volkskunst stattfand. 1907 stellte Zülow im Hagenbund, in der 23. Jahresausstellung, zwei seiner Scha blonendrucke aus. Die Verbindung, die hier einsetzte, wurde nicht weiter ausge baut. Nach Abschluß seiner Studien in Wien kehrte er nach Haugsdorf zurück, es sollte ein siebenjähriger Aufenthalt werden. War nach 1954 der Aufenthalt in Hirschbach im Mühlviertel für Leben und Werk, seiner Verbundenheit mit dem Lande Oberösterreich bestimmend, so waren es nicht minder die Haugsdorfer Jahre für die Einbindung seines Werkes in den Kulturkreis von Niederösterreich. In Haugsdorf entstanden nun Reihen von Illustrationen von Seite 8—11 Papierschnitte aus den Jahren 1912—1915, Zülow-Archiv

Schablonenschnitten (Papierschnitte). Diese können In zweifacher Hinsicht ver wendet werden. Als Schablone, bei der die weggeschnittenen Teile durch Über streichen von Farbe durchschablonlert werden, oder als Druckmatrize, wo die ,,Stege" mit Druckfarbe eingefärbt und abgedruckt werden. Bei Zülow finden wir ausschließlich die letztere Art vor. 1970 erinnerte sich Haugsdorf seines großen Sohnes mit der Enthüllung einer Gedenk tafel und einer Ausstellung. Bei dieser Gelegenheit meinte die Schwester des Künstlers, Maria von Zülow, zum Schrei ber dieser Abhandlung: „Wie Franz da mals bei uns lebte, saßen wir, meine Mutter, Franz und Ich, an den Winter abenden beisammen In der Stube und schnippelten mit der Schere diese Scha blonenschnitte herunter." 1908 war Zülow mit Arbelten In der ersten Ausstellung der ,,Kunstschau" vertreten. Da er später Mitglied, ja Ehren mitglied der Sezession war, die ,,Kunst schau" aber als Antipode der Sezession anzusehen Ist, muß über die Verhältnisse der beiden zueinander gesprochen wer den. Die Sezession, von 19 Künstlern 1897 gegründet, zählte ein Jahr später 50 ordentliche, um 1900 67 Mitglieder. Sie war mit derart eigenwilligen und widersprüchlichsten Ideen befrachtet, daß auf lange Sicht ein gedeihliches Wirken nicht zu erwarten war. Die Impressioni stenausstellung von 1903 („Entwicklung des Impressionismus In Malerei und Piawmm (i

Uli «>:< liilllll stik") hatte eine neue Moderne den Sezessionlsten vorgeführt, die ungleich jün gere Wurzeln hatte, als die Sezession selbst. Verbunden mit menschlicher Un zulänglichkeit trieb es auf eine Spaltung hin. Im März 1905 trennten sich die „Stilisten" von den ,,Nichtstilisten" nach der Terminologie jener Jahre. Von Gu stav Klimt geführt, verließen die Stilisten die Sezession, um drei Jahre später in der ,,Kunstschau" eine erste Ausstellung zu zeigen. Anton Falstauer sagte in „Neue Malerei in Österreich", 1923 ge druckt, Mauskript von 1921, daß Klimt als Maler allein stand, die anderen seien Kunsthandwerker gewesen (Moser, Rol ler). Es sollten mehr als eineinhalb Jahrzehnte vergehen, ehe die Leute wie der zur Sezession zurückkehrten, Zülow 1918. Für die Ausstellung von 1908 hatte Josef Hoffmann den Bau mit 50 Räumen ent worfen, hier wurde eine breit angelegte kunsthandwerkliche Ausstellung freier Kunst eingebaut. Es gab einen Raum für ,,Kunst und Kind", es waren Holz schnitte und Lithographien zu sehen, ein Saal war der „Wiener Mosaikwerkstätte" des Leopold Forstner (geb. 1878 In Leonfelden, Oberösterreich — gest. 1936 in Stockerau) gewidmet, dort fanden sich auch Arbeiten der Hafnerei Sommerhuber aus Steyr. Kritisch gesehen war die Tätigkeit der ,,Kunstschau" mit dem gei stigen Bestrebungen der Wiener Werk stätte eng verbunden. Für Zülow läuft nun eine Verbindung an, die ihn mit seinem Werk bei beiden auftreten läßt. 1909 erschien im Verlag Anton Schroll und Co. die Zeitschrift ,,Die Fläche" mit Entwürfen für dekorative Malerei, Plakat, Buch und Druck. Als Herausgeber zeich neten Felician von Myrbach, Josef Hoff mann, Kolo Moser und Alfred Roller. Der erste Jahrgang brachte zwölf Hefte, der zweite blieb ein Fragment. Zülow war In dieser Zeitschrift mit dem Bilder bruch ,,lm Sommer" im Jahrgang 1909, Heft 12, vertreten. Zülow beherrschte jetzt eine Vielzahl künstlerischer Techniken. Außer der ver ständlichen Beherrschung des Zeichnens mit allen Medien: Graphit, Kreide, Kohle, Tusche, dem Aquarell, kamen druckgra phische Techniken hinzu: Holz- und Linol schnitt, Schablonenschnitt, Lithographie, Kleistermalerei. Im Druckgraphischen war er sein eigener Drucker, vielfach kolorierte er seine Drucke mit Wasser farben. Die Kleisterfarben-Malerei bringt Zülow schon einer volkskünstlerischen Technik nahe, wo bäuerlicher Hausrat mit diesen Farben bemalt wurde, der dann, mit einer Wachsfirnisschicht über zogen, die Malerei gegen Abnutzung sicherte. Diese Malerei vermittelt Gra phisches und Malerisches zugleich. Mit dem PInselstlel oder einer schmalen Spachtel lassen sich Linien, Zeichnungen anbringen, durch Ballungen der Farben, Flächen opaker Art, mit dem Schlieren des Pinselzuges kommt malerischer Effekt zustande. Zülow hatte sich dieser Technik bis in sein Alter hinein bedient. Die druckgraphischen wie seine spezi fischen Maltechniken brachten es mit sich, daß der Künstler überwiegend kleinere und mittlere Formate verwen dete. Aber auch seine Bilder verraten stets den Graphiker durch die Art, wie sehr lineare Elemente die Bildflächen gliedern, wie er aber auch damit die formale Klarheit in seine Kompositionen bringt. Seine Farbskala Ist eine lebhafte und helle, sie erreicht bald eine für ihn charakteristische Form: ein lebhaftes Grün, ein helles Blau, ein die grüne Heftigkeit dämpfendes Lila, eine Viel zahl gelber bis brauner Töne, ein alles umschließendes Grau. Damit erreichte der Maler sehr früh bereits eine Heiter keit und Gelöstheit, eine Freude beim Betrachter, dem Ablauf der Formen und Geschehnisse zu folgen. Die Holzschnitte und Schablonenschnitte bestimmen schon vom Technischen her das Format. Besonders die Schablonen schnitte lassen größere Dimensionen nur schwer zu, müssen doch alle Bildele mente ein zusammenhängendes Ganzes bilden. Das heißt, es sind Papierzungen notwendig, die den notwendigen Zusam menhalt sichern, die aber mitunter sehr schmal, beim Schnitt wie beim Druck sehr leicht reißen. Aufgrund solcher Not wendigkeit geht der Künstler von den Groß- über Mittelformen zu Klelnformen über, die dann jenen Reiz entwickeln, mit denen uns Zülows Drucke jener Jahre so ansprechen. Die Ostasiaten, die den Schablonendruck für den Druck ihrer Ta-

peten verwenden (Bambus-PäonienLotosmuster) und in Indigo druckten, legten diese gebrechlichen Gebilde unter Netze aus Frauenhaar, deren Fettgehalt den Mitabdruck hinderte. Es entspricht dem Wesen eines Graphi kers, daß er zyklisch arbeitet, entweder als Illustrator oder auch als Erfinder von eigenen Themenkreisen, die dann seinen Mitteln gemäß realisiert werden, als Druck oder als Zeichnung. Einmalig im Rahmen der druckgraphischen Erschei nungen sind die Nummern, der von 1910 bis 1915 herausgegebenen Bildzeitschrift. Als Faltblatt gedruckt, in den Maßen 230x1280 mm,gefaltet also 230x160 mm, bestand es aus einem Titel und sieben Bildern. Als Druckmatrize wurde der Schablonendruck, seltener der Holz schnitt verwendet, einzelne wurden nur gezeichnet. Zumeist waren die Nummern koloriert. Erst ein Jahrzehnt später nimmt dann Zülow einzelne Werke der Literatur als Illustrationsanlaß vor: 1921 R. Kiplings Dschungelbuch (Tusche, aquarelliert mit Farbkreide), 1922 „Der heilige Franziskus von Assisi" (10 kolorierte Lithographien) und 1923 E. Th. A. Hoffmann ,,Die Eloxiere des Teufels" (8 handkolorierte Lithogra phien). Ehe noch über das alte Österreich das diesen Staat zerstörende Chaos herein brach, war es für Zülow möglich, seine Arbeiten in internationalem Rahmen zu zeigen. 1914 fand in Leipzig die ,,Inter nationale Ausstellung für Buchgewerbe und Druck" statt. Josef Hoffmann hatte einen 1913 errichteten Bau zum ,,Öster reicherhaus" umgewandelt und im Rah men der Ausstellung eine Abteilung ,,Freie Graphik" geschaffen. In dieser war Zülow mit sieben schwarzweiß Scha blonendrucken, mit drei kolorierten und mit einem Holzschnitt vertreten. Mit ihm stellten dort u. a. aus: sein Lehrer Carl Ötto Czeschka, L. H. Jungnickel, Walter Klemm, Carl Thiemann, der Tscheche Karel Vik, Emil Criik und Leon Wyczolkowski aus Krakau. Es war noch ein letztes Zusammentreten von Künstlern der Völker eines Staates, ehe dieser in die Nachfolgestaaten zerfiel. Das Werk von Franz Zülow hatte in diesen wenigen Jahren, seit er vor die Öffentlichkeit getreten war, einen festen Platz In der Kunst gefunden. Einer regen Phantasie voll, die handwerkliche Fähig keit, seine bildhaften Vorstellungen in den verschiedensten Medien zu verwirk lichen, als festen Besitz, ist seine Welt von der ländlichen Umgebung bestimmt. Damals waren es noch die Keller und Kellergassen des niederösterreichischen Weinlandes, seine Bauern, die Bäuerin nen, die Bäche mit ihren kleinen Brücken, die sich stetig wandelnden Horizonte über den Hügeln, die Gärten und der alte Hausrat, die sein Künstlerauge wahr nahm und dann in die Welt seiner Bilder hob. In vielen Zügen kommt er der star ken und ursprünglichen Kraft der anony men Maler nahe, deren Werke er noch In jenen Jahren in dieser Landschaft finden konnte. Daneben reißt die Ver bindung zur „Kunstschau" und zur „Wie ner Werkstätte" nicht ab, sind es doch die beiden, die mit beitragen, das in der ländlichen Stille geschaffene Werk einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, aber auch dem Künstler jene wirtschaft liche und moralische Hilfe zu bieten, ohne die solch ein Schaffen nicht heran reifen konnte. KONZEITTE IN UNZI Wir ennpfehlen uns mit Konzerten und Veranstaltung aller, Art (Orchesterkonzerte, konzertante Opern, Kammerkonzerte, Liederabende, Chorkonzerte, Ballett aufführungen, Volkstumsabende, Jazzkonzerte) während des Konzertjahres und mit repräsentativen Konzerten während des „internationalen Brucknerfestes Linz 1975". Auskünfte erteilt die Linzer Veranstaltungs gesellschaft mbH, Untere Donauiände 7, A-4020 Linz(Brucknerhaus), Telefon 75 225-29. Prospekte kostenlos.

Oberösterreicher in der Karikatur Karikatur aus Oberösterreich Harry Slapnicka Das politische Geschehen in den Bundes ländern Ist bisher von der Karikatur und den Karikaturisten wenig gewürdigt wor den. Damit standen die österreichischen Länder — und naturgemäß auch Ober österreich — nicht aliein. Das war und ist in Deutschiand nicht viel anders', auch wenn es vereinzelt Interessante Aus nahmen glbt^. Das hängt keineswegs allein mit der Tatsache zusammen, daß man die Lan despolitik bisher vielfach unterbewertete und Ihren Einfluß auf die Bundespolltik als bescheiden ansah. Die Karikatur, die von Kontrasten lebt, fand in der Landes politik der meisten Bundesiänder bisher wenig Ansatzpunkte. Die österreichischen Landesregierungen ohne eigentliche Opposition, deren Meinungsverschieden heiten vorwiegend intern, im Schöße der Landesregierung, bereinigt werden müs sen, dazu der Vorrang der Verwaltung gegenüber der Gesetzgebung geben von der Sache her einem Karikaturisten nor malerweise kaum interessantes Material In die Hand. Auseinandersetzungen zwi schen Ländern und Bund sind meist kompliziert, liegen vorwiegend auf finan ziellem Gebiet und sind somit auch schwer faßbar. Vergleichen wir die österreichische Innenpolitik seit 1945 mit dem, was der Karikaturist für sich abzuschneiden ver mochte, so ergeben sich vor allem fol gende Schwerpunkte: Besatzer und Besatzungspolltik, Abzug der Besat zungstruppen. Dann waren es Koalition und Proporz, Proporz-Rundfunk, Wahlen und Regierungsbildungen. Ab und zu tauchten das Bundesheer, der Festsplelrummel, selten auch Streiks und soziale Konflikte, gelegentlich der Fußball und Immer wieder die Gegenüberstellung des kleinen Östereich mit den großen Mäch ten auf. Vielleicht haben auch die Rand lage Österreichs und die Beobachtung der unter ganz anderen Bedingungen arbei tenden Karikaturisten aus dem Osten Europas für Österreichs Karikaturisten eine gewisse Rolle gespielt^. Innerhalb der oben erwähnten Themen stellungen waren es aber — bis vor kurzem — vor allem ,,alte Männer", die anzogen. Gewiß tauchten vereinzelt auch junge Gesichter auf, wie das von Minister Graf, wie er dem ersten BundesheerRekruten die Hand küßt; ein Waldbrunner als ,,Miß Verstaatlichung", ein Schärf oder ein Kamitz... Durch fast 15 Jahre aber war es vor allem der alte Raab, der LIeblIngskind und Lieblingsmodell nicht nur der österreichischen Karikaturisten wurde". Nur vereinzelt trat Gorbach, mehr schon Klaus in der Karikatur in Erscheinung, bis man sich wieder an einer Zentralfigur, an Kreisky, festkralien konnte^. Fast konnte man sagen, daß die Bevölkerung in der Zeit des erst aufkommenden Fernsehens den öster reichischen Bundeskanzler so kannte, wie ihn die Karikaturisten zeichneten: Raab als Feldherr am Semmering, Raab als Geburtshelfer einer neuen Koalitionsre gierung, Raab als Partner anderer ,,Alten", eines Adenauer, eines Chruschtschow, als Koalitions-Vater auf unzähligen Familien-Bildnissen, als einer der auszog, um in Moskau das Fürchten zu lernen, als einer der vom Staats vertrag träumt, als einer, der die Alliier ten bei Wein und Wiener Liedern weich zumachen versteht... In all diesen Jahren lag eine „karika turistische Nacht" über Oberösterreich. Nicht ganz übrigens, denn vereinzelt tauchen, auch aus früheren Jahren, Kari katuren aus Oberösterreich oder über Oberösterreicher auf, so aus zeitgeschichtiicher Frühzeit eine ausge zeichnete Wiener Karikatur, in der die beiden christlichsozialen Länder-Politi ker, der Oberösterreicher Hauser und der Vorarlberger Fink gemeinsam ein Tänzchen wagen und Wien als Mauer blümchen sitzen lassen wollen, solange sie eine solche Gardedame habe. Die Karikatur von Theo Zasche aus dem Jahre 1920 stammt aus der „Wiener Stimme". Ein paar Jahre später, 1926, brachte die Linzer sozialdemokratische Tageszei tung ,,Tagblatt" eine Serie von Köpfen, bei der vor allem interessant ist, wer und wer zuerst herausgegriffen wurde — und wen man nicht karikierte. Im Zusammenhang mit den starken antlklrchlichen Kämpfen der Soziallsten in jenen Jahren, wurde die Reihe von Bischof Johannes Maria Gföliner ange führt; es folgte der Landbundpolitiker Max Pauly und der großdeutsche Lan deshauptmann-Stellvertreter Franz Langoth. Es kam eine humorlose Zelt, in der jeder politische Witz streng bestraft wurde und kein Boden für eine politische Karikatur mehr vorhanden war — es sei denn, sie betraf das Ausland und ausländische Politiker. Aber natürlich blühte die Karikatur im Ausland und hier nahm man mit beson derer Vorliebe den aus Braunau am Inn gebürtigen Adolf Hitler aufs Korn — auch wenn es andere Lieblingsfiguren der

Eine der frühen Karikaturen: die Länder vertreter J. N. Hauser (Oberösterreich) und Jodok Fink (Vorarlberg) machen ihr Tänzchen, im Hintergrund Wien als Mauer blümchen (Karikatur von Theo Zasche aus den ,,Wiener Stimmen"). ^auet^(ütn(^en. Stiifmmg bon 8af<5eCDlc Sänber: fe^li ttni xtt unfeccm tan^ baA aber fo fange bicfed eine |e C^Mbe nebnten tote cd nttfbi«" ^te ®arbe:„'Siattet nur, tvenn bie tDamentoal^t loramtI" Oben: Architekt Gustav Peichi — Ironimus — wie er sich 1970 zeichnete. Seine vermutlich früheste Selbst-Karikatur stammt aus der von ihm gestalteten Maturazeitung der HTL Linz vom Jahre 1949. Peichi, ein gebürtiger Wiener, maturierte in Linz Links: Die einzige Karikatur des Tirolers Paul Flora, die einen Oberösterreicher, Eichmann, betrifft

'^1 rtei\ i > .mGebt's mir endlich auch die Propagandastelzen Oben: Dr. Erwin Wenzl und Josef Frldl — eine der rund 60 Karikaturen aus dem oberösterreichischen Landtagswahikampf 1973 (Florian = Rudoif Nemec) Rechts oben: Pariamentspräsident Dr. Aifred Maieta und die Auseinandersetzungen um die ersten Fernsehübertragungen aus dem Parlament, gemeinsam mit Bruno Pittermann und Gerd Bacher (Ironimus = Peichl) Rechts unten:,,Links-Walzer", eine berühmte ironimus-Karikatur mit Peter und Kreisky aus der Frühphase einer Annäherung Karikatur gab, wie einen Goering und Goebbels. Und wenig später wurde die Karikatur ein Stück Kriegspropaganda. 1945, in einer gewandelten Welt, in einem neuen Österreich, bedrängt von einem unerwarteten Unrecht, dem der Besetzung und der Besatzungsmächte, wird die Karikatur nicht nur etwas, was nach langer Zeit wieder frei gestaltet werden kann; wird nicht nur die schärfste Notwehr-Waffe eines besetzten Landes, sie wird sozusagen ein Dokument öster reichischer Selbstbehauptung und öster reichischen Selbstbewußtseins. Ein frühes Dokument des bald so bekann ten ,,Ironimus" — der übrigens als Architekt die Pläne für das Landesstudio Linz des ORF entwarf — war die Matura zeichnung der Höheren Technischen Lehranstalt in Linz — damals noch Bun desgewerbeschule — aus dem Jahre 1949, in der der gebürtige Wiener Gustav Peichl, gewiß noch nicht als „Ironimus", bereits sein ganzes Können zeigte, vor erst die Professoren und Mitschüler charakterisierend und karikierend — sich selbst natürlich eingeschlossen' — eine Skizze, die sich nicht unwesentlich von einer 20 Jahre später entstandenen Selbst-Karikatur unterscheidet. Merk würdigerweise wandte er sich erst wieder 1973 Oberösterreich und oberösterreichi schen Persönlichkeiten zu, jetzt aller dings mit einer gewissen Intensität und Vehemenz. Hans Weigel sagt von Ironi mus': ,,Er zeichnet stets hochachtungs voll, nicht um zu verwunden, sondern um zu heilen" und charakterisiert seine ,,Friedfertigkeit in der Streitbarkeit". Er fügt schließlich noch hinzu, Ironimus habe mancher offiziellen Prominenz verliehen, was sie bisher nicht besaß: ein Profil. Widmet sich also im Osten Österreichs Peichi-ironimus überwiegend der poli tischen Karikatur" und nur gelegentlich weniger tagespolitischen Cartoons', so ist es bei einem nicht weniger prominen-

ten Graphiker Im Westen Österreichs an ders, ja gerade umgekehrt, bei dem In Innsbruck wirkenden Südtiroler Paul Flora. Flora wird gern als „zeichnender Philosoph" oder als ,,verkappter Maler poet" bezeichnet. Die einen nennen Ihn Nachfolger von Kubin oder Grosz, andere bezeichnen ihn ,,beeinflußt von Steinberg und Thuber, literarisch zwischen RodaRoda und Kafka beheimatet". Eines Ist so ehrenvoll wie das andere, nicht weni ger übrigens auch die Charakterisierung des bekannten Schweizer Dramatikers Dürrenmatt, der ihn als ,,charmanten Idylliker" schätzt. Die polltische Karikatur bildet neben einem umfassenden sati risch-graphischen Werk eher ein Rand gebiet, auch wenn er für die Hamburger ,,Zeit" allein über tausend politische Karikaturen gezeichnet haP°. „Er vermag mit ein paar Strichen" — so charakteri siert Ihn die „Zelt"-Ghefredakteurin Marion Gräfin Dönitz — ,,ein Problem, eine Situation, ein Geschehen schärfer, einleuchtender, schlagfertiger zu kom mentleren als wir mit noch so viel Zellen und Spalten"." Bei Floras politischen Karikaturen Ist es allerdings meist nur die ,,große Politik" zwischen Kennedy und Chruschtschow, De Gaulle und Er hard, Strauß, Ulbricht und Klaus, in die sich allerdings eine Eichmann-Karikatur (,,Amateur-Elchmann") mischte. So ne benbei stammen auch reizvolle Skizzen über die Schatzsucher vom Toplitz-See von Flora. In Oberösterreich hatte Inzwischen ,,Florian", mit wirklichem Namen Rudolf Nemec, der Karikatur neue, bisher stark vernachlässigte Selten abgewonnen, bis auch er stärker In die Landespolitik sprang: der lokalen Karikatur, der so seltenen Wirtschaftskarikatur und der sozialkritischen Karikatur, wobei Streiks, der Kampf um Entwicklungsgebiete In Österreich, Käuferstreiks, Wohnbaure form und Mietenreform Schwerpunkte bil deten. Zwei Beispiele aus dem Gebiet kommunaler und wirtschaftspolitischer Karikatur sollen dies charakterisieren. Verständllcherwelse waren die ersten öberösterrelcher, die sich zur Ehre der Karikatur hochturnten, jene, die als erste den Marsch In die Bundespolitik ange treten hatten — ob als Oppositionsführer wie etwa Peter, oder als Parlaments präsident wie Dr. Maleta, oder als Mit glied der Bundesregierung wie Doktor Kotzlna. Bautenminister Kotzina brachte das Auslöffeln der bitteren StrengbergAutobahn-Affäre gemeinsam mit seinem früheren MInlster-Chef in der Staats sekretär-Zeit, Dr. Bock, zu Karikatur ehren. Bei Maleta war es die Ermögllchung einer freieren Parlamentsbericht erstattung, die ihm Pluspunkte eintrug. Oppositionsführer Peter trat vorerst mit Abstand am meisten Im Karikatur-Wald In Erscheinung, wenn auch gewiß aus schließlich Im Rahmen der Bundespolltik wie bei der Karikatur ,,Linkswalzer". Gerade er vermag ein Lied davon zu singen, daß gewiß eine Karikatur den Bekanntheltsgrad zu steigern vermag, ohne daß die Karikatur selbst dem Be troffenen immer Freude oder gar reine Freude zu bereiten vermag. Aber das Ist ja bei Karikaturen die Norm: der Kontrast, das Besondere und Außer gewöhnliche — Im Körperlichen wie im Gelstigen — Ist ja nicht Immer das Schmeichelhafte, das, was die Menschen herausstellen oder herausgestellt wissen wollen. Das war bei Waldbrunner seine Nase, bei Raab die seine Gelassenheit und Unerschütterlichkeit andeutende Virginia, die gewellten Haare bei Kreisky und die gewellte Stirn bei ORF-GeneralIntendant Bacher. Aber eine Karikatur Ist nun einmal kein Spiegel für Eitelkeit — doch sollte sie gewiß ein solcher für Ehrlichkeit sein. Vor allem aber impo niert In den meisten Fällen die Einfach heit, die Vereinfachung, die klare, un komplizierte Aussage. ,,Durch gra phische Überbewertung den wahren Wert betonend", erklärt Hellmut Andics In der Einleitung zum Band ,,Dle sechziger Jahre" mit IronImus-Karikaturen'L Die Schwierigkelten liegen gleichermaßen auf der Hand: der Grafiker, der Künstler soll oder muß ein ,,homo pollticus" sein oder ein polltisch veranlagter Mensch hat gleichzeitig Künstler zu sein. Und Dop pelbegabungen sind überall, auch hier, selten. Für Oberösterreich Ist das merkwürdige Phänomen sichtbar, daß der langjährige Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner In den Karikaturen der fünfziger, sechzi ger und siebziger Jahre nicht aufscheint. War es seine Ausgegllchenhelt, war es die Ausgewogenheit der Landespolitik, die kaum Ansatzpunkte für einen Karika turisten erkennen ließ? Nemec-Florian erklärte: ein zu schöner Mann! Für Oberöstereich kommt der Durch bruch erst so richtig bei den Landtags wahlen von 1973. Das Ist nicht ganz ver wunderlich, denn die für jede Karikatur so wichtige Kontrast-Situation hat es bei dieser Wahl sogar bündelweise gegeben — auch wenn für den Karikaturisten keine

Landtagswahlkampf 1973: eine der wenigen Karikaturen mit den drei Partelobmännern Dr. Wenzl, Hillinger, Sehender (Ironimus) I V I y irTTTTT i i / .y^'yyyy\y\ L^ \\fik /// ~yyyy\ ir^'i \/r„ X? VV m(F /miAttTX---71, \ / r-v-U ( j /r— \X'-y!/F, y / «/ i^yM. Eine Salzmann-Karikatur der sozialistischen Hierarchie von 1973: Fridl, Hillinger, Kreisky ,,alten Männer", keine ,,abgestempelten Politiker" zur Verfügung standen. Vorerst war es die Tatsache, daß diese Landtagswahlen als ausgesprochen bun despolitisches Ereignis abgestempelt wurden. Damit im Zusammenhang, daß man wenig später die Wiener Gemeinde ratswahlen mit den oberösterreichischen Landtagswahlen koppelte. Dann waren es kleine Gags der Spitzenkandidaten, etwa das Löwe-Plakat und Löwenge schenk für Wenzl, der nun ,,Wenzl der Löwe" war, eine Kombination, die in der Karikatur bis über den Wahlkampf sicht bar blieb und von praktisch allen Zeitun gen ausgewertet wurde. Aber das war nur die erste, die Eröff nungsphase. Relativ wenig gab für den Karikaturisten die Gegenüberstellung der beiden Spitzenkandidaten, Dr. Wenzl und Fridl her, sie fiel aber doch auch nicht ganz unter den Tisch, einmalig ist eine Karikatur mit den drei Landesobmännern der politischen Parteien, mit Dr. Wenzl, Hillinger und Sehender, ,,Linzer Buam". Als dann die Frage, wer bei einem sozia listischen Wahlsieg tatsächlich soziali stischer Landeshauptmann werden solle, die brisante Wahlphase einleitete, wurde dies auch für Karikaturisten interessant. Neben einer Hillinger-Karikatur, einer solchen von Hillinger und Fridl, fin den wir eine mit Kreisky, Hillinger und Fridl. Aber der zunehmende Wahl kampf wartete mit Besserem auf, mit dem Verhältnis der oberösterreichischen Spitzenpolitiker zu ihren Parteichefs; für die Karikaturisten wurde der Höhepunkt ihrer Wahlbeobachtung: Dr. Wenzl und Schlelnzer, Peter und Sehender, Kreisky und Fridl. Landeshauptmann Dr. Wenzl als Widerpart von Bundeskanzler Doktor Kreisky war nicht nur wahltaktisch eine interessante Phase, sie war es auch für den Karikaturisten. Die Endphase der Wahl hatte so viel Bewegung gebracht, daß sich ein Warenhaus die Karikaturen der drei Spitzenkandidaten, Dr. Wenzl, Fridl und Sehender, auch für ihre Waren haus-Werbung auslieh. Die Freiheitlichen als vermutete und schließlich nicht be nötigte Wahlhelfer wurden Kontrast figur der allerletzten Wahlphase und der Nachwahlsituation. Vergleiche zwischen den oberösterreichischen und den Wiener Wahlen bildeten vorwiegend den eigent lichen Wahlkontrast. Noch nie hatte ein oberösterreichischer Landtagswahlkampf solches gesamtösterreichisches Interesse gefunden; noch nie hatte er auch die Karikaturisten aller Schattierungen derart aktiviert, Oberöstereich und Oberösterreicher in ihre Themenkreise mit einzubeziehen. Das Jahr 1974 brachte für die Karika turisten den Schwerpunkt ,,Bundesprä sidentenwahl" mit dem aus Oberöster reich gebürtigen Dr. Kirchschläger und

Beliebt bei den Karikaturisten: die Gegenübersteiiung zwischen dem Spitzenkandidaten im Land und dem Bundesparteiobmann. Hier: Fridi und Kreisky (Fiorian = Rudoif Nemec) /m /k /h Lgu/ schön, Scppt! V"' , r\ \ ^ i-C.OoLCk.^ l Kontraste ergeben die Gegenübersteilungen der Ergebnisse der Landtagswahlen von Wien und Oberösterreich (Rang = Rudolf Angerer) den parteiinternen Differenzen der ober österreichischen SP, die auch Karikaturen außerhalb Oberösterreichs bewegte. Mehr als vieles andere ist eine Karikatur ein Zeitdokument und natürlich auch ein zeitgeschichtliches Dokument— übrigens auch eines, das vieles aus dem Bereich ,,Zeitung" zu überdauern vermag. Den ken wir etwa an die mehr als 50 Jahre, die uns von der Hauser-Karikatur tren nen! So ist die Karikatur nicht allein eine reizvolle Illustration, die mit dem Tag und dem Tagesgeschehen dahin welkt. Sie ist auch für die Zeitgeschichte etwas, was Stimmung und Atmosphäre der jeweiligen Zeit ausstrahlt, mehr als manche Wahlprogramme und Wahlparo len, mehr als viele Plakate oder Flug schriften. Sie ist ein aussagekräftiges Dokument, ein gewiß nicht unfehlbarer, aber kritischer Zeuge. Und das ist, ver glichen mit anderen Quellen, sehr viel! Anmerkungen: 1 Im Band „Wer hätte das gedacht - Zehn Jahre Bundesrepublik Deutschland" von H. E. Köhler und W. E. Süskind (Boppard am Rhein, 1960) findet sich unter den rund 100 Karikaturen keine einzige, die ein wichtiges Geschehen in einem der deutschen Bundesiänder behandelt. 2 etwa ein Karikatur-Band über den Minister präsidenten von Baden-Württemberg, Filbringer. 3 „Beschwerdebuch - Karikaturen aus dem Osten". Begegnung mit 16 satirischen Zeich nern aus Jugoslawien, der Tschechoslowakei und Ungarn, herausgegeben von Oiaf Sveistrup (Düsseidorf 1967); Bohumil Stepans „Verrückte Gaierie", Cartoons und Coliagen (München 1970); Ivan Steigers „Prager Tage buch", Cartoons (München 1968); und GoessBeer, „Prager Anschiäge". Bilddokumente des gewaltsamen Widerstandes (Frankfurt a. Main, 1968). 4 „Juiius — ein Kanzler in der Karikatur" (Wien 1958). 5 Kreiskys Neujahrs-Glückwunsch 1970. 6 Maturazeitung der Bundesgewerbeschuie (4. Hochbau) Linz 1949. 7 Ironimus-Karikaturen 1955/56, Wien o. J. (1956?). 8 ironimus-Karikaturen 1965/66 in zwei Auf lagen; Wochenpresse in Strich und Biid (Wien); Schwarz auf Weiß-„Prese"-Karikaturen von ironimus (Wien). 9 Ironimus (Gustav Peichl), Helden. Wien 1960. 10 Paui Flora, Ach du liebe Zeit!(Zürich o. J.) 11 Marion Gräfin Dönhoff im Vorwort zu Paul Floras ,,Ach du liebe Zeit!". 12 ironimus. Die sechziger Jahre. Ein Austriacum, Wien 1970, 5 ff. 13 „Aufgespießt"- Kieine Zeitgeschichte der Karikatur von Florian /„Oberösterreichische Nachrichten" (Wien). Politik und Zeitgeschichte im OÖ. Landesverlag Linz Harry Slapnicka Oberöslerrelcli von der Monarchie znrRepnbliU Harry Siapnicka Oberösterreich von der Monarchie zur Repubiik 1918—1927 2. Auflage des 1974 erschienenen Buches ,,Von Hauser bis Eigruber, Band 1", 224 Seiten Text, 44 Abbiidungen, Format 15 x 21 cm. Ganzleinen,farbiger Schutzumschiag, S 196.-. Das Buch erscheint im Juni 1975. In Vorbereitung: Harry Siapnicka Oberösterreich zwischen Bürgerkrieg und Anschluß 1927—1938 Ca.336 Seiten Text, ca.32 Abbiidungen, Format 15 x 21 cm, Ganzieinen, farbiger Schutzumschiag, ca. S 280.—. Dieser Band erscheint im Herbst 1975. Beide Bände gehören zur Reihe ,,Beiträge zur Zeitgeschichte Oberösterreichs", herausgegeben vom Oberösterreichischen Landesarchiv. Weitere Bände über die poiitische Führungsschicht in Oberösterreich von 1918 bis 1938, über Oberösterreich von 1939 bis 1945 und über den Zeitabschnitt von 1861 bis 1918 foigen.

Das künstlerische Erscheinungsbild der zwanziger und dreißiger Jahre in Oberösterreich Hertha Schober Nach nicht zu ergründenden Gesetzen gibt es ein unaufhörliches Auf und Ab, gibt es Wellenberge und Wellentäler im Kunstleben, im regionalen wie im weit weiten. Dieses Phänomen erlebten wir in Oberösterreich besonders deutlich zu Beginn unseres Jahrhunderts. Die Nachmakartzeit hinterließ eine große Leere auf dem darstellenden Gebiet; einige wenige spannten einen dünnen Faden zu nachfolgenden Epochen, blie ben aber ohne Einfluß; so Karl Schade mit seinen Landschaften und Porträts, die zwar gutes Farbempfinden, aber doch das Nachfoigetum zeigen (er ging schon zu Beginn des Jahrhunderts nach Wien) und Albert Ritzberger, der Maler raffinier ten Lichtspieis und schöner Frauen, von Genrebildern im Zeitgeschmack. Er starb 1915 und gehörte also schon einer ver gangenen Generation an. Auch Gustav Klimt, der am Attersee erst zum Land schaftsmaler geworden ist, hinterließ kaum einen Einfluß. Der neue Malernachwuchs, der auf ein mal da war, vergaß seine Vorgänger. Diese jungen Künstler erkämpften sich ihre eigene Kunstrichtung, die ihnen gemäße Ausdrucksform, beziehungs weise sie suchten danach, denn ein ech ter Künstler schließt sich nicht einer be stimmten Richtung an, sondern er wird von ihr erfaßt, ohne daß er es oft selbst weiß. Noch waren aber auch die Jungen nicht am Zug, denn noch beherrschte der Krieg alles, viele von ihnen mußten mit dem blutigen Ringen, mit all der Begei sterung und mit all dem Elend leben. Das darf nicht übersehen werden, wenn man die nachfolgende Zeit verstehen will, denn dieses Geschehen formte und modeliierte an denen herum, die hin durch mußten. Manche, die meisten von ihnen, waren urkräftig genug, diese see lischen Erschütterungen heil zu über stehen und sich hernach mit doppelter Lebensfreude in ihr Schaffen zu stürzen, manche aber auch zerbrachen letzten Endes daran. Einer von diesen, und es war wohl einer der bedeutendsten über haupt, war Klemens Brosch; und er war auch der einsamsten einer, ihm war es einfach nicht gegeben, unbeschwert fröh lich zu sein, von seinen Sorgen zu spre chen, zu diskutieren. Zeichnen war für ihn eine Lebensfunktion wie Atmen und Schlafen, aber er war immer der Gejagte und auch der selbst Jagende. Wohl wan derte er wie manche seiner Künstierkollegen — viele gehörten dem Wandervogel an —, aber er wanderte aliein, selten einen wahrlich Auserwähiten neben sich duldend. Und selbst dann führte er keine Unterhaltung, Gedankensplitter, Wort fetzen nur, warf er hin, wie im Selbst gespräch, nicht auf Antwort wartend. Brosch war der geborene Graphiker, seine feinnervige Empfänglichkeit für alle Eindrücke waren ihm Gnade und Fluch, prägten in ihm einen Realismus, der durch die Überbetonung der Wirklichkeit zuweilen schon steril, unheimlich anmutet und ihn zum Surrealismus führte; Mystik, hochgeistige Symbolkraft liegt in seinen Zeichnungen, verstärkt noch durch die Perioden seiner Sucht; die aber hatte er aus dem Kriege mitgebracht. Damals zeichnete er alles, was er sah; das Festhaiten-Wollen war es erst, dann packte ihn der Schrecken, das Grauen schüttelte ihn und dann griff er zum Morphium, wie es der ihm kongeniale Dichter Georg TrakI schon lange tat. Auch er kam nie mehr los davon. Sein Leben war Kampf, Kampf gegen sich selbst, gegen die Not, um das Bestehen. Und dann konnte er nicht mehr; kurz vor Weihnachten 1926 gab er auf, ausgeglüht, zerbrochen an sich und an allem. Ihm im Wesen sehr verwandt war Josef Thalmann, der nach langer Kriegsgefan genschaft in Sibirien einfach nicht mehr den Anschluß fand. Zum Unterschied von Brosch ein geselliger Mensch, der nächtelange Diskussionen liebte, ein Feuergeist, ein besessen nach Ausdruck Ringender; aber er wurde zu keiner Zeit wirklich verstanden, kapselte sich in künstlerischer Hinsicht schließlich voll kommen ein und führte nur mehr ein sogenanntes bürgerliches Leben. Im allgemeinen war es ein kraftvoll gesunder Aufbruch, der durch diese Zeit ging, ein ehrliches, unermüdliches Lernen-Woiien, bei manchen auch ein Hin fabulieren in eine Welt des Un- und Unterbewußten, bei allen aber ein Stre ben nach neuen Zielen, nach noch nie vorher beschrittenen Wegen, um die Überfülle der Empfindungen auszudrükken, denn die Künstler jener Zeit waren auf eine natürliche Art sensibel, emp fänglich allem gegenüber, was die Welt, das tägliche Leben bot. Sie waren auch gesellig, fröhlich, richtige Kameraden, einige wenige ausgenommen. Einige standen durch ihren Wohnsitz etwas abseits. Da ist z. B. der große Grahpiker unseres Jahrhunderts zu nennen, der erst im frühen Mannesalter nach Ober österreich gefunden, der sich zurück gezogen hatte aus der Hektik der Gesell schaft in sein Schlößchen am Inn, In ein verzauberndes Heim; er war kein Ein samer, er hat sich nur zum Einsiedler gemacht, weil er selbst empfand, daß er ein Außenseiter bleiben müsse, er hat sich zum Einsiedler gemacht, um von dieser Position aus mit äußerst regem Geiste, mit größter Weltaufgeschiossenheit seinen Themen, seinen Traum gedanken — und das ganze Leben schien ihm Traum —, aber auch seinen philosophischen Formein nachzuspüren: Alfred Kubin, „Der Zeichner des Grau ens", „des Abgrunds", „der Dichter des dekadenten Romans", wie man ihn im mer bezeichnet haben mag; doch alle diese Beinamen bleiben an der Ober fläche des Nichtverstehens, sind vielleicht aus Ratlosigkeit geboren. Kubin dichtete mit der Feder, aber seine graphische Kunst ist nur ein Teil seines ganzen Wesens, ein Teil, ohne den sein Lebens bild nicht vollständig wäre, der aber für sich allein nicht symptomatisch ist. Seine philosophische Theorie von den beiden Wahrheiten der Menschen, vom Chaos und vom Selbst, ist der Schlüssel zu sei nem Werk, sowohl des dichterischen wie auch des graphischen, eines Werkes, in dem immer wieder der Kampf des Selbst, des Trägers des Bewußtseins gegen das Chaos, gegen die ürgewait, aus der wir kommen und in die wir alle zurück kehren, durchbricht. Und auch sein Schaffen wurde ein Ausdruck jener Zeit, vielen anderen großen Geistern quer durch Fakultäten und Zeiten verbunden. Wenn Kubin vor 40, 50 Jahren auch be reits anerkannt, fast weitweit bekannt war, so dürften wohl erst wir heute das richtige Verhältnis zu ihm gefunden haben. Von ganz anderer Art wieder erscheint Franz v. Zülow; auch er kam erst im Mannesalter nach Oberösterreich, baute sich im Mühiviertel eine kleine Keusche zu einem wahrlich märchenhaften Maler heim aus, und dem Märchen verfallen war er auch selbst in vielen seiner bildneri schen Äußerungen. Freilich, er gewann damals noch keinen besonderen Einfluß auf das oberösterreichische Kunstleben, war er doch noch persönlich stark mit Wien verbunden, trotzdem aber ist sein Schaffen aus dem Kunstbiid Oberöster reichs nicht wegzudenken. Offen allen Zeichen der Zeit, hat er seinen unver kennbaren, ganz persönlichen Stil ent wickelt, er kann mit niemandem vergli chen, kann nirgends eingereiht werden. Seine Vielseitigkeit ist unfaßbar. Von der einfachen Zeichnung, vom Papierschnitt bis zum Ölbild ist alles vorhanden; Kubis mus, Sezessionsstil, Naturalismus, alles

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