Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 1, 1975

Links: Eingangsfront von Schloß Neu-Scharnstein mit Widmungsinschrift von 1624 Kaiser Matthias an Kremsmünster. Aufnahme: P. Machanek bürg und 1879 nach Ort ließen den kul tureilen Wert des Schlosses kaum mehr erkennen. Die Aufhebung der Grundherrschaft Im Jahre 1848 raubte dem Schloß seine Funktion als Verwaltungszentrum, die nun leeren Räume wurden, nach neuer licher Unterteilung, für Personalwohnun gen gestaltet. 1903 erfolgte ein weiterer Schritt In Richtung Mietwohnhaus, ein Schritt, der noch heute deutlich sichtbar ist. Die aite Kapelie wurde zur Wohnung, der Gerlchtssiaal unterteilt und die Ziegel pflasterböden der großen Korridore mit Beton vergossen. Wirtschaftliche Not der Jahre nach 1918 und militärische Ein quartierung Im letzten Jahr des zweiten Weltkrieges ließen den Eindruck des zum Miethauses gewordenen Schlosses als Kulturdenkmal Immer mehr schwinden. Das oberste Geschoß des Herrenhauses, die ehemaligen Festräume der Erbauer und ihrer Besitznachfolger, waren einem ruinösen Zustand nahe. Der Situation und eigenen wirtschaftli chen Schwierigkelten folgend, gelangte das Stift Kremsmünster als Eigentümer In den Jahren nach dem zweiten Welt krieg zur Ansicht, daß ein Verkauf des Schloßgebäudes Im Interesse der ge wünschten weiteren Erhaltung des Ob jektes liege. Der Besitzwechsel erfolgte am 1. Juli 1967. Der Beginn der Sanierung der großen Gebäude war anfänglich von gewaltigen Schwierigkelten begleitet. 29 Mietpar teien mit mehr als 70 Personen wohnten Im Schloß. Der Hofbrunnen als einzige Wasserversorgung, offene Klosettanlagen und defekte Kamine, Fenster, Türen und die unzureichende Elektrolnstailatlon so wie eine dem neuen Eigentümer gegen über abiehnende Einsteilung der damali gen Schloßbewohner erschwerten alle Bemühungen der ersten Stunde. Zögern des Interesse der öffentlichen Stellen lie ßen zunächst jedes denkmalpflegerlsche Planen als undurchführbar und utopisch erscheinen. Die hundertprozentige Bewohnung aller Schloßräume durch Miet parteien Heß eine längere Anwesenheit des neuen Eigentümers als unmöglich er scheinen — trotz der fast 70 bestehenden Wohnräume. In den Jahren 1967 bis 1969 gelang es mit Hilfe des Im Haus befindlichen Hausmeisters und unter gewaltigen An strengungen, die ersten Arbelten Im Hin blick auf Sanierung und denkmalpfle gerlsche Substanzerhaltung zu setzen. Der als Wäschetrockenboden benützte ehemalige Festsaal mit prächtig bemalUnten: Eingang in das Oberösterreichische Strafrechtsmuseum Schieß Scharnsteln. Aufnahme: G. Markowitsch ^ i' 1 i ter Kassettendecke aus der Erbauungs zelt des Schlosses konnte von dieser zweckentfremdenden Benützung befreit werden, die abgeteilten Nebenräume ebenfalls. Die alte Raumeinheit der Jörgerschen Festräume wurde wiedergewonnen. Nicht eine Tür, kein Fenster, abgemorschte Holzdecken und fehlerhafter Verputz so wie nur teilweise vorhandene Fußböden waren Im obersten Geschoß des Herren hauses die Situation. Bis zum Sommer 1970 gelang es In Eigenregle und ohne finanzielle Beihilfen, die Verwendbarkelt der gewölbten Eingangshalle mit ihren mächtigen Steinportalen, des Festsaales und der vier großen Nebenräume herbei zuführen. Längst war die Erkenntnis ge kommen, daß ein Durchziehen der für das Gebäude lebensnotwendigen Restau rierung und Bestandsicherung nur durch eine echte Popularisierung des Schlosses und eine breitere Basis des Interesses möglich sein wird. Nur eine Flucht nach vorne konnte der Immer stärker drohen den Hand behördlicher Auflagen Einhalt gebieten. Im Frühjahr 1970 wurde in einer gemeinsamen Aktion mit dem örtlichen Fremdenverkehrsverband unter der De vise „lebendige Denkmalpflege" oberösterrelchlsche Schuljugend zur Besich tigung des Schlosses und seiner Pro bleme eingeladen. Der Besuch von mehr als hundert Schulklassen In diesen Monaten ermöglichte einen Hinwels auf denkmalpflegerlsche Problematik, die » .H Führung durch Baustelle und Fertiges ließ das starke Interesse spürbar werden. Die Sommermonate des Jahres 1970 wurden zu einer Verstärkung dieser offensiven Bemühungen Im Dienste einer positiven Meinungsbildung über Schloß Scharnsteln benützt. Ein Konzert Im Instandgesetzten Saal, ausgeführt von örtlichen Kräften, sollte erste Möglichkeit und einen ersten Versuch darstellen, das historische Gebäude mit einem anderen Gesicht als dem des sterbenden Miet hauses zu versehen. Fast zweihundert Gäste waren gekommen, trotz Abfall kübel und Trockenwäsche in Aufgang und Nebenraum. Der Glanz Improvisier ter Kerzenbeleuchtung — aus der Not wurde hier eine Tugend — verhalf jenen Eindruck erstmalig zu vermitteln, daß Schloß Scharnsteln Existenzberechtigung und neue Aufgaben zu erfüllen hat. Restaurierung und Revitallslerung, Schutträumung und Konzerte gingen auch 1970 und 1971 Hand In Hand. Räu mung von Mietwohnungen — man möge mir detaillierte Schilderung der Schwie rigkelten ersparen — waren möglich. Die freigewordenen Wohnräume, Kasernen stuben nicht unähnlich, gaben nun bei Entfernung von Zwischenmauern und ein gezogenen Decken die ganze Pracht der Renaissance frei. Bemalte Holzdecken, großtells bestens erhalten, und eine überreiche Sekkobemalung der gewölb ten Mauerflächen öffneten ein Fenster in die letzte Blüte landständischen Lebens.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2