der hellenistischen Kunst entwickelt habe. Das war eine der wichtigsten Bereiche rungen der allgemeinen Kunstgeschichte. In weiterer Verfolgung dieser Beobach tung entdeckte Riegl auch,daß sich selbst ein Teil der ostasiatischen Ornamentik auf heiienistische Anregung zurückführen läßt. Das Jahr 1893 brachte seine ,,Stiifragen", eine Untersuchung und Ge schichte der wichtigsten griechischen Or namente der Ranke und Paimette. Er verfolgte die Motive bis in ihre ägypti sche und mykenische Stufe zurück und zeigte ihre ständige Ausbildung und Um bildung auf, wobei er kein gelegentliches Neueingreifen von Naturvorbildern zuge ben wollte. An der Universität habilitierte sich Riegl 1889 und wurde im Jahre 1895 außerordentlicher, 1897 ordentlicher Pro fessor. Das Museum für Kunst und Indu strie hatte er nach elfjähriger Dienstzeit verlassen, wo er mit seinem damaligen Kollegen Masner zusammen eine Publi kation der spätrömischen Werke der Kunstindustrie begonnen hatte, im ersten von ihm bearbeiteten Band löste er die Probleme ganz neuartig. Hatte man bis her geglaubt, daß die nordischen Völker schaften Kunstmotive aus ihrer Urhei mat mitbrachten, die allmählich In die klassische Kunst eindrangen und deren Formen ablösten, so wollte er dartun, daß diese vermeintlichen Motive nichts anderes seien als eben die Motive der hellenistischen und römischen Kunst in ihrer derzeitigen Entwicklung. In dem ersten Band zeigte er nun, wie vom 2. Jahrhundert der Kaiserzeit an der Stil zu wechseln begann, daß das subjek tive Element, daß die Darstellung des Gegenstandes vor dem Auge des Be schauers, die Licht- und Schattenwir kung immer mehr die objektive Nach bildung des Gegenstandes überwand, wie überhaupt in einer Zeit, die man für eine Zelt des Verfalls hielt, neue Kunstpro bleme auftauchten, die die folgenden Jahrhunderte weiterzubilden hatten. Franz Wickhoff (dem wir hier in der Schilderung von Riegls Lebenslauf ge folgt sind) erzählt von Riegls Interesse für die Barockkunst: ,,lch hatte ihn (Riegl) einmal zufällig in der Nähe der Piazza Venezia in Rom getroffen und wie wir den Corso hinaufwandelten, erläuterte er mir Fassade für Fassade von Kirchen und Palästen. Es war eine Fülle von neuen Einblicken, die ich in der Ge schichte der Barockarchitektur gewann." Die letzten Jahre seines Lebens hat Riegl hauptsächlich der Zentralkommlssion für Erforschung und Erhaltung der Kunstund historischen Denkmale (dem Vor gänger des Denkmalamtes) gewidmet. Er hat dieses schon etwas alt gewordene Institut In kurzer Zeit verjüngt, hat neues Leben hineingebracht, die Jahrbücher und Mitteilungen auf eine neue Basis ge stellt, ein Denkmalschutzgesetz entwor fen und die Reorganisation der Zentral kommission angebahnt. In der präzis be gründeten Erledigung vieler Akten hat er musterhafte Entscheidungen in den die ser Körperschaft zufallenden Agenden aufgestellt, obwohl Ihn bereits eine schwere unheilbare Krankheit erfaßt hatte, die aber seinen Eifer und sein scharfsinniges Urteil nicht erlahmen ließ. Bis In die letzten Monate seines Le bens zeigte er sich umsichtig und tätig. Er wirkte für die Universität, für die Zentralkommission, für die Akademie der Wissenschaften, die ihn 1902 zu ihrem korrespondierenden Mitglied gewählt hatte. Am 17. Juni 1905 ist er gestorben. Der erste Band der 1907 neu herausge gebenen Österreichischen Kunsttopogra phie war dem Andenken Alois Riegls ge widmet. Riegl erlebte das Erscheinen die ses noch bis heute als vorbildlich be trachteten wissenschaftlichen Unterneh mens nicht mehr, obwohl es Ihm vorbe halten war, ,,die Grundsätze aufzustellen, welche für die Inventarisierung der Kunst denkmäler im Hinblicke auf den derzei tigen Stand der Kunstforschung und Kunstpflege maßgebend sein sollten, und (es) seiner Initiative zu verdanken (ist), daß das große weitausschauende Unter nehmen, welches für die praktische Hand habung der Denkmalpflege von nicht ge ringerer Bedeutung ist, als für die wis senschaftliche Forschung, wieder aufge nommen werden konnte" (aus dem Vor wort zum 1. Band). Die Verwirklichung der neuen Österrei chischen Kunsttopographie war das Werk des Schülers Riegl, Max Dvofäks, der In einer auch In philosophischer Hinsicht tiefen Einleitung zu diesem ersten Band Grundlegendes zur Zielsetzung und Praktisches zur Methodik der kunsthi storischen Inventararbeit ausgeführt hat. Das Stadtmuseum Linz hat die erste Ausstellung des Jahres 1975 dem An denken Alois Riegls gewidmet. Unter dem Titel ,,Kalender aus Linz - Kalender aus aller Welt" wurden In öriginalen. In Nach bildungen und Fotos Steindenkmäler, Holzkalender, Handschriften und Drucke gezeigt. Dabei war in einigen Fällen di rekt auf Alois Riegls wichtige Arbeit ,,Dle Holzkalender des Mittelalters und der Renaissance" in den Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichts forschung (9,1888) und auf seine Ver öffentlichung einzelner öbjekte, z. B. des kärntnerischen Bauernkalenders von 1685 (Carinthla I, 81, 1891) Bezug zu nehmen. Riegl konnte etwa den Trienter Holz kalender, der In einer Publikation von 1814 als aus dem Jahre 1411 stammend beschrieben wurde, in das Jahr 1471 da tieren und dies auch dadurch belegen, daß der Kalender den Mondzyklus der Jahre 1463 bis 1481 enthält. Die Inten sive Ausbildung in Ghronologie — einer der historischen Hilfswissenschaften — am Institut für Geschichtsforschung brachte also nicht nur der Kunstge schichte, sondern auch der Volkskunde und Wissenschaftsgeschichte neue An regungen. In einem Kurzvortrag am 14. Jänner 1975 wurde Alois Riegls In teresse für das Kalenderwesen anläßlich einer kurzen Gesamtwürdigung an sei nem 127. Geburtstag herausgestellt. Am 17. Juni 1975 sind siebzig Jahre seit dem Ableben dieses bedeutenden Gelehrten vergangen. Mit Linz und öberösterrelch gedenkt die wissenschaftliche Welt sei ner Leistungen und Verdienste. Literatur: MIÖG 27 (1906), S. 203f. (Franz Wickhoff); MZK 3. F., Bd. 4 (1905), Sp. 255-296 (Max Dvofäk); Almanach 56 (1906), S. 345 f.; Neue österreichische Biographie 8 (1935), S. 142 ff. (Flans Tietze); österreichische Flochschulzeitung 7. Jg., Nr. 12 vom 15. Juni 1955 (Ger hard Schmidt); The Burlington Magazine 105 (1963), p. 97 (ötto Pacht); Gritica d'arte 13 (1966), p. 297(C. L. Ragghianti). Julius von Schlosser, Die Wiener Schule der Kunstgeschichte (MIÖG Erg.-Bd. 13), 1923, S. 181-193; Leo Santifalier, Das Institut für Österreichische Geschichtsforschung, 1950, S. 109, Nr. 95; Justus Schmidt, Linzer Kunst chronik 2, 1951, S. 186 f.; Alphons Lhotsky, Geschichte des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 1854—1954 (MIÖG Erg.- Bd. 17), 1954, S. 180 f.; Hans Sedlmayr, Riegls Erbe, in; Hefte des Kunsthistorischen Semi nars der Universität München 4, 1959; Max Imdahl, Fiedler, Hildebrandt, Riegl, Gezanne — Bilder und Zitate, in; Literatur und Gesell schaft vom 19. ins 20. Jahrhundert, Festschrift Benno von Wiese, Bonn 1963; Udo Kulter mann, Geschichte der Kunstgeschichte. Der Weg einer Wissenschaft, 1966, S. 287 ff.; Jan Fiiip, Enzyklopädisches Handbuch zur Ur- und Frühgeschichte Europas 2, 1969, S. 1145; Geza Hajos, Riegls Gedankengut in Dvofäks Ein leitung zur österreichischen Kunsttopographie, österreichische Zeitschrift für Kunst und Denk malpflege 28, 1974, S. 138 ff. Riegl-Feierstunde; Tagblatt vom 3. Februar 1958, S. 5 f.. Linzer Volksblatt vom 4. Februar 1958. Riegl-Gedenktafel; Linzer Tageszeitungen vom 19. bzw. 20. Mai 1958.
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