Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 1, 1975

Zeitgenössisches Porträt von Aiois Riegi laub in die Walachei bewilligt, der dann auf ein Jahr, ja schließlich auf drei Jahre ausgedehnt wird. Was beabsichtigte Jo hann Riedl damals? Hatte er ein lukra tives Geschäft in Aussicht? Wollte er seine Stelle aufgeben? Solche Details enthält das trockene Personalverzeich nis nicht. Festgehalten wird darin nur, daß er am 30. Juni 1865 wieder den Dienst angetreten hat. Hatten die Hoff nungen ein plötzliches Ende gefunden? Alois Riegl, der im Hause „Spitzfeld Nr. 1327" — das ist heute das Eckhaus Bethlehemstraße—Eisenhandstraße in Linz — am 14. Jänner 1858 geborene Sohn, wußte als Sieben- oder Achtjähri ger kaum etwas von den Plänen, die seine Eltern damals bewegt haben müs sen. Als der Vater seine Stelle in Zabtotow angetreten hatte, erhielt er 1867 vier Wochen Urlaub zur Reise nach Oberösterreich und Salzburg. Wahr scheinlich hat Johann Riegl damals seine Familie nach Galizien gebracht. Auf dem Gymnasium in Kolomea begann Alois Riegl seine Lehrzeit als höherer Schüler. Am 5. Mai 1873 allerdings, im Alter von erst fünfzig Jahren, starb der Vater. Riegl war damals fünfzehn Jahre alt. Die Pen sion betrug 350 fl - ein gewaltiger Unter schied zu den Einkünften des Vaters als Einlöseamts-Verwalter in Zabtotow! Es heißt aber sogleich, daß die Pension nach Linz angewiesen wurde, seit 19. April 1874 erhielten die beiden Söhne Alois und Alexander zusätzlich 60 fl Er ziehungsbeitrag. Der Abschluß der Schul bildung erfolgte also wieder in Ober österreich. Alois Riegl besuchte das welt berühmte Stiftsgymnasium in Kremsmün ster und legte im Alter von sechzehn Jahren die Matura ab. Dann ging er zum Studium nach Wien. Daraus ist zu ersehen, daß die Familie Riegl mit der Stadt Linz in einer engen Verbindung stand und Alois Riegl nicht nur zufällig hier zur Welt kam, sondern manche Jugendjahre hier verbrachte. War der Vater der Typus des altösterreichi schen Beamten, so stammte die Mutter doch aus einer Linzer Familie und fand als Witwe hier wieder Aufnahme. Die Quellen zu einer Biographie geben meist nur über Äußerlichkeiten Auskunft. Wie waren wirklich die ersten Jugend eindrücke Alois Riegls, was prägte seine Persönlichkeit? Einzig der warme Nach ruf Max Dvofäks gibt hier — sicher auf Berichte oder Erzählungen Riegls selbst zurückgehend — ein wenig Einblick. Riegl wurde von seinem Vater ungemein ernst erzogen, nie bekam er als Kind ein Spieizeug in die Hand, er konnte aber mit vier Jahren vollkommen lesen und schreiben! ,,Es mag dies nicht ohne Einfluß auf seine Entwicklung geblieben sein. Denn so fröhlich und heiter und hoffnungsvoll selbst in den schweren Zeiten seines Le bens Riegl auch gewesen ist, so war doch der fast sakrale Ernst, mit welchem er alle Fragen, die ihn beschäftigten, seibst die unbedeutendsten, in ihren allertiefsten Ursachen stets sub specie aeternitatis zu erfassen bestrebt gewesen ist, und der ihn vor den letzten und kühnsten Konsequenzen nicht zurückschrecken ließ, einer der Hauptzüge seines Wesens." Auch nach dem Tode des Vaters wachte noch eine harte Hand über Riegls Erzie hung und Studium. Dvofäk sagt, daß der Beginn eines juristischen Studiums auf den Wunsch des „unerbittlichen Vormun des" zurückging. Solche Details erst ge ben dem Gesamtbild einer Persönlichkeit Farbe und Leben. In Linz trägt schon seit 1945 ein Straßen zug den Namen unseres Jubilars: es han delt sich um eine neue Straße in der Hartmayr-Siedlung in Urfahr, die nach dem Krieg statt des Namens eines U-Boot-Kommandanten den eines großen Wissenschafters erhalten hat. Das Kul turamt der Stadt Linz hat im Jahre 1958, zur hundertjährigen Wiederkehr des Ge burtstages von Alois Riegl, an dem ge nannten Haus in der Bethlehemstraße eine Gedenktafel (Entwurf Hermann Walk) anbringen lassen. Es fand damals in der Volkshochschule eine Feierstunde statt, bei der nach Begrüßungsworten von Bürgermeister Dr. Ernst Koref der Nach folger auf der Wiener Lehrkanzel für Kunstgeschichte, Univ.-Prof. Karl Maria Swoboda, ein Schüler Max Dvoräks und dadurch ein Enkelschüier des Jubilars, über die Wirksamkeit Riegls berichtete. Swoboda war damals schon um die Her ausgabe der Schriften Riegls bemüht und wenn bei der Feierstunde der Wunsch ausgesprochen wurde, daß doch das Ma nuskript aus dem Besitz von Prof. Swo boda in absehbarer Zeit veröffentlicht werden möge, so ging dieser Wunsch tatsächlich bald In Erfüllung. Im Jahre 1966 legte Swoboda zusammen mit Otto Pächt Riegls „Historische Grammatik der badenden Künste" vor. ,,Jedes Kunst werk redet seine eigene Kunstsprache, wenn auch die Elemente der Kunst na türlich andere sind als diejenigen der Sprache. Gibt es aber eine Kunstsprache, so gibt es auch eine historische Gramma tik derselben, natürlich auch nur in meta phorischem Sinne"; so begründet Alois Der Kuüffhi'ilorikr.P Prc»i-"0s6or DoRitjr Alois Michael Riegl wyrclcain t4.3eitin£-.rl85B (ndiosew Hausotieborcii Gedenktafel für Alois Micha! Riegl am Hause Linz, Bethiehemstraße 51

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