Oberösterreich, 25. Jahrgang, Heft 1, 1975

Aktive Denkmalpflege in Oberösterreich Otto Wutzel Die Urheber des Europäischen Jahres des Denkmalschutzes dürften wohl den Leitgedanken verfolgt haben, die Denk malpflege weltweit In das Licht des öf fentlichen Interesses zu rücken. Probleme des Kulturgüterschutzes, der zu einem festgefügten Begriff des Völkerrechtes geworden Ist, haben die Überlegungen vermutlich beeinflußt. Der Krieg als eine Internationale Geißel bedroht nicht nur die Menschen, sondern ebenso die von Ihnen geschaffenen Werke. Es erscheint makaber, daß der Krieg offensichtlich nicht verdammt werden kann, die Völker jedoch zumindest versuchen wollen, den Kulturverlust, wie er durch Kriege gerade In unserer Ära In erschreckender Form wirksam geworden Ist, einzudämmen. Denkmalschutz reicht über Kulturgüter schutz jedoch räumlich und zeitlich weit hinaus. Er bedeutet die tägliche Aus einandersetzung von ,,Alterswert" und ,,Neuwert". Bereits 1958 wurde Im Heft 4 des XII. Jahrganges der ,,Österreichischen Zelt schrift für Kunst und Denkmalpflege" be richtet, daß für das 1923 erlassene Denk malschutzgesetz eine „Neufassung" vor bereitet werde. Die Diskussion um dieses neue Gesetz, das den Denkmalschutz In Österreich auf eine neue, der Zelt ent sprechende Basis stellen soll, wurde hef tig geführt, es wurde In vielen Kommis sionen getagt, derzeit ruht der Entwurf In einer Schreibtischlade. Wie soll mit einem veralteten Gesetz ein aktiver Denkmalschutz gehandhabt werden? Der behördliche Denkmalschutz reicht In Österreich In die Mitte des vorigen Jahr hunderts zurück, als mit Allerhöchster Entschließung vom 31. Dezember 1850 die „Zentralkommlsslon zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale" ge gründet wurde. Sie erhielt mit Dekret vom 18. Juli 1873 einen neuen Namen: ,,Zentralkommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale". Die Betonung lag bei dieser Institution viele Jahrzehnte auf der For schungsarbelt. Es gab manche Wandlun gen und Verbesserungen, entscheidende Impulse gelangen jedoch erst, als 1901 der aus Linz gebürtige Kunsthistoriker Alois RIegl (über Ihn referiert In diesem Heft an anderer Stelle Dr. Georg Wacha) die Redaktion der Mittellungen der Zen tralkommission übernahm und gleich zeitig zur Neuorganisation des Denkmal schutzes In Österreich einen Entwurf aus arbeitete, der heute noch als höchst mo dern gelten kann. (Vgl. dazu Heft 3 des Jahrganges XXVIII/1974 der österreichi schen Zeitschrift für Kunst und Denkmal pflege, die zur Gänze dem Andenken von Max Dvoräk gewidmet Ist, der nach Alois RIegl als zweiter theoretischer Begründer des Denkmalschutzes In Österreich be zeichnet werden darf.) Das Gesetz von 1923 reicht an die ge dankliche und fachliche Reife von Alois RIegl nicht heran. Es muß als eine Kom promißlösung bezeichnet werden, ge formt aus den Zugeständnissen des par lamentarischen Alltags. Die praktische Denkmalpflege würde In unserer Gegen wart ein wirkungsvolleres Gesetz benö tigen. Deshalb sollten die verantwortli chen Persönlichkeiten die Diskussion neu aufnehmen und vor allem versuchen, zwischen übertriebenem Zentralismus und Föderalismus - beide Kräfte hatten nämlich Ihren bedauerlichen Anteil an der bisherigen Ergebnislosigkeit der Verhandlungen — einen Ausgleich zu fin den. Der Denkmalschutz soll fachlich und behördlich ein gesamtösterreichisches — also zentral geführtes - Anliegen blei ben. Er wird jedoch In der Verwaltung und vor allem In seiner budgetären Si cherung ohne eine Mitbestimmung der Länder künftig nicht auskommen. Auch sollten die Begriffe ,,Denkmalschutz" und ,,Denkmalpflege" In allen Ihren Verzwei gungen neu überdacht und den Erfor dernissen der Gegenwart angepaßt wer den. Vor allem müßte der Begriff des geschützten Ensembles durchgesetzt werden. All diese Fragen berühren nicht nur eine ,,Zentrale", sondern In gleicher Welse jede Gebietskörperschaft, ja jeden einzelnen Staatsbürger, wollen wir einen aktiven Denkmalschutz. In diesem Zusammenhang möchte Ich an einen Satz von Landeshauptmann Dok tor Heinrich Gleißner erinnern (öberösterr. Heimatblätter, Jg. 10, H. 3/4, Dez. 1956); ,,Jedes Kunstwerk besitzt über den allgemeinen Kunstwert hinaus gehend seine lokale Bedeutung, Verbun denheit und Gebundenheit. Es Ist Teil der Atmosphäre eines Landes, Ist sicht bares Zeugnis seiner Geschichte. Aus dieser Erkenntnis wächst die ernste Ver pflichtung zur Erhaltung des heimischen Kunstbestandes. Gesetze und Verord nungen allein könnten auf diesem Sek tor des öffentlichen Lebens nicht helfen und nützen. Das kulturelle Heimatgefühl Ist die stärkste Triebfeder der Denkmal pflege, Ist Ihr Innerer Motor." Siehe auch den Aufsatz des Verfassers ,,Öberösterrelchs Denkmalpflege In der Krise der Zelt"(öberösterrelchlsche Heimatblätter), In dem Ich den Begriff ,,Heimatwert" formulierte. Denkmalschutz und Denkmalpflege be schäftigen sich, allgemein verständlich ausgedrückt, mit Kunstwerken, sobald sie ein gewisses Alter erreicht haben, somit einen ,,Alterswert" oder ,,histori schen Wert" aufweisen können. Eine zeitliche Abgrenzung wurde bisher nicht gefunden. Alois RIegl plädierte In sei nem örganlsatlonsentwurf für eine Frist von rund 60 Jahren, er wollte damit of fensichtlich den Generationenwechsel berücksichtigen. Die Grenze der Alterung eines Kunstwerkes erscheint in unserer Gegenwart jedoch nicht mehr so wesent lich. Wir sollten vielmehr die grundsätz liche Frage stellen, ob ein echtes Kunst werk überhaupt ,,ver"altern kann. Ist es nicht Zeichen einer Resignation, wenn wir ein Kunstwerk dem Leben entziehen und es als „Denkmal" erklären? Es wird In der Praxis wohl nicht möglich sein, für das Aufgabengebiet der Denkmal pflege International eine neue Begriffs formulierung zu erreichen. Gelingen müßte es aber, den Begriff mit einem neuen (Kunst)wollen zu erfüllen. Ein ech tes Kunstwerk kann höchstens In seinem materiellen Bestand altern. In seinem Ideellen Gehalt Ist es ewig. Schwankun gen des Zeltgeschmacks können seine Position verschieben, diese aber nie mals aufheben. Aus dem defensiven Gharakter des Begriffs ,,Denkmal", der ein Kunstwerk dem Leben entzieht, muß In unserem Bewußtsein eine offensive Ein stellung wach werden, die jedes Kunst werk — ob alt oder neu — an die Spitze unseres gesellschaftlichen Lebens stellt. Aus den Formulierungen ,,Alterswert" und ,,Neuwert" darf künftig keine Kon frontation folgern, sondern muß sich eine Lebensgemeinschaft ergeben. Kunst Ist unteilbar, ob sie der Vergangenheit an gehört oder gegenwärtig geschaffen wird. Zu Ihrer Wertung genügt nicht al lein kunsthistorisches Wissen, sondern es muß ebenso ein sehr waches schöpfe risches Kunstverständnis eingesetzt wer den. Dies wäre eine theoretische Forde rung zur Verwirklichung eines aktiven Denkmalschutzes! In öberösterrelch vertritt diese Linie seit seiner Gründung Im Herbst 1946 der Ver ein Denkmalpflege In öberösterrelch. Er wurde aus der Not der Nachkriegszelt geboren und hat sich die Popularisierung des Gedankengutes der Denkmalpflege zur Aufgabe gemacht, wie sie jetzt Inter national proklamiert worden Ist.

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