Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 4, 1974

Die Brucknerorgei im Alten Dom zu Linz Hermann Kronsteiner Das „Brucknerjahr" 1974 lenkt naturge mäß das Interesse auch auf Bruckner als Organisten. Leider ist dieser Aspekt zweifach ge trübt: Bruckner schrieb keine großen Orgelwerke — seine großartigen Impro visationen sind uns nicht erhalten — und die Orgeln, auf denen er amtlich angesteilt war, sind in ihrem ursprüngiichen Zustand nicht mehr erhalten — bis auf eine, eben die Orgei im Aiten Dom zu Linz. Die Florianerorgel wurde mehrfach umgebaut, aber auch der letzte, hoch achtenswerte Versuch, sie endgültig ihrem Ursprungszustand zu nähern, kann nicht restios befriedigen; die Orgei der Stadtpfarrkirche in Linz, wo Bruckner auch als Organist angestellt war, wurde durch einen Neubau ersetzt, ebenso die Orgei in der Wiener Hofburgkapeile. Umso mehr sind wir erfreut, in der Orgel im Alten Dom zu Linz ein Werk zu be sitzen, das in allen wesentlichen Teilen technisch und klanglich so erhalten ge blieben ist, wie Bruckner es bei seinem Weggang nach Wien 1868 verlassen hat — erfreut, aber auch verpflichtet, dieses Denkmal im Originalzustand zu erhalten. ,,lch bin für Herrn Bruckner...", mit die sem Satz entschied Bischof Rudigier, daß Bruckner Linzer Domorganist wurde und dieses Amt vom Dezember 1855 bis Sep tember 1868 ausüben konnte. Auf der Orgel des Domes also spielte der Meister zu allen feierlichen Gottesdiensten, auf ihr spielte er sicherlich oft zum ersten mal seine Kompositionsarbeiten, auf ihr intonierte er seine ergreifenden Improvi sationen für die gläubige Gemeinde und auch für „seinen" Bischof allein, wenn dieser sich von Bruckners Spiel ,,trösten und stärken ließ". Auf dieser Orgel spielte Bruckner — wahrscheinlich zum letztenmal — das Totenlied zum Begräb nis Bischof Rudigiers am 3. Dezember 1884. Diese Orgel ist, wie gesagt, noch erhal ten, als eines der ehrwürdigsten und lebendigsten Denkmäler, denn was könnte uns einen Komponisten — abge sehen von seinen Kompositionen — näherbringen als Instrumente, die er spielte... Diese Orgel im Alten Dom ist aber auch, unabhängig von ihrer ,,Bruckner-Nähe", als Instrument ein wertvolles Unikat. In ihr steckt als Grundbestand ein Chrismann-Werk, nämlich die von Franz Xaver Chrismann (1726—1795) für das Stift Engelszeil an der Donau um 1760 er baute Stiftsorgel, die 1790 bis 1794 von ihm selbst in die 1787 zum ,,Dom" er hobene Jesuitenkirche nach Linz über tragen wurde. Dabei nahm er nicht un beträchtliche Änderungen der Orgel vor, abgesehen davon, daß ein neues Ge häuse gebaut werden mußte, das bis heute erhalten blieb. Zudem wurden da mals Teile der 1684 erbauten früheren Orgel der Jesuitenkirche miteinbezogen. Als nun Bruckner 1855 diese Orgel als „sein" Instrument übernahm, klagte er bald über deren schiechten Zustand, be trieb eine Verbesserung und Vergröße rung und ersuchte das Linzer Domkapitel, daß ,,... die Ausführung der bereits be antragten Vergrößerung der Domorgel durch zwei bis drei neue Register von 8 und 16 Fuß und der vollständigen Stim mung der Orgel — wie auch die nothwendige Abhülfe einiger Gebrechen im Mechanismus sowohl im Manuale als im Pedal — schon jetzt bewilligt und im Vollzug gesetzt werden wolle... Die Her steilung von neuen Registern erscheint zum Behufe der Choralbegieitung unum gänglich nothwendig ...". Diese erbetene Vergrößerung und Re generierung erfolgte dann auch durch den tüchtigen Orgelbauer Josef Brelnbauer in den Jahren 1857—1867. So haben wir also orgelbautechnisch und klanglich ein überaus seltsames Mixtum aus Chrismann, Breinbauer und Bruckner selbst vor uns, denn der Umbau durch Breinbauer wurde klanglich wesentlich von Bruckner beeinflußt. Wir sind über diesen vielfach verschlun genen Weg bestens informiert durch die hervorragende Forschungsarbeit von Prof. Dr. Hans Winterberger, der selbst viele Jahre lang als Nachfolger Bruck ners diese Orgei spielte. (Siehe: Histori sches Jahrbuch der Stadt Linz 1971, ,,Die Hauptorgein der Ignatiuskirche [.Alter Dom'] in Linz".) Nun ist abermals die Zeit gekommen, diese ,,Brucknerorgel" zu restaurieren, denn sie ist nicht mehr funktionssicher und würde ohne Betreuung dem Verfall preisgegeben, was man als Barbarei be zeichnen müßte. Mit der bereits fest geplanten Restau rierung kommt eine Reihe wichtiger Ent scheidungen auf uns zu. Die Diskussion darüber ist unter den Fachleuten schon seit Jahren in Gang - und das ist recht so. Einig sind sich fast alle darin, das so überaus wertvolle Denkmal so zu erhal ten, daß man nach der Regenerierung mit gutem Gewissen sagen kann: Das ist die alte Brucknerorgei; sie ist es in ihrem ganz bestimmten unverkennbaren

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