Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 4, 1974

schauer biedermeierische Farben und Formen lebendig werden. Die Obliegenheiten eines Schuigehiifen umfaßten um 1830 aber nicht nur das „Schulhaiten", sondern auch kirchliche Dienste: den Pfarrer zur hl. Messe an kleiden, alles dazu Notwendige vorbe reiten, ihn bei Versehgängen begleiten, Glocken läuten und Orgel spielen. Der Schuliehrer konnte obendrein von seinem Gehilfen auch Feldarbeit verlangen. Im mittleren Raum des Obergeschosses haben deswegen kirchliche Gegenstände der Pfarre Ansfelden Aufstellung gefun den und zwar vor allem solche, von denen man mit einiger Sicherheit an nehmen kann, daß sie der Knabe Bruck ner in Händen gehabt hat, wenn er für seinen kranken Vater einspringen mußte. Das sind vor allem die Meßbücher und die Meßkännchen, vielleicht hat er auch einmal den Kreuzpartikel angefaßt, sicher aber einige der Meßgewänder, die in der rechten Vitrine ausgestellt sind. Die linke enthält einen schönen Ornat aus St. Florian, eine Anschaffung des Prälaten Ferdinand Moser (gest. 1901). Er war es, der die Erlaubnis für die Auf stellung des Sarkophages Bruckners in der Gruft der Stiftskirche gab und am 15. Oktober 1896 die Einsegnung vor nahm. Aus St. Florian stammt auch die zur Verzierung des Hochaltars früher verwendete Wachsblumenpyramide. Neben der Türe haben zwei Unterschrif ten Platz gefunden: die des Ansfeldner Pfarrers Joseph Grabmer (gest. 1829) und die des Prälaten Michael Arneth, von 1823 bis 1854 Propst von St. Florian. Grabmer war neben dem Vater Bruck ners wohl der erste, dem das Musik talent des jungen Knaben auffiel; der kleine Toni besaß eine rote Kindergeige und durfte Grabmer vorspielen. Als Lohn bekam er Obst. Arneth hat Bruckner 1837 ins Stift als Sängerknabe aufge nommen. Gegenüber hängt unter Glas und Rah men der erste Lorbeerkranz, den dieser Sängerknabe, nun schon als Komponist erkennbar, zur Uraufführung seiner d-Moli-Messe im Linzer Dom am 20. No vember 1864 erhielt. So leitet der kirch liche Raum unmittelbar zum letzten hin über, in dem die Entwicklung Bruckners zum Genie und die Ausbreitung seiner Musik dargestellt sind. Das Heraufstei gen in den Oberstock mag als ein Sym bol für die ,,Erhebung" Bruckners vom Lehrer zum Künstler aufgefaßt werden. Der letzte Raum ,,Bruckner, Genie der Musik" zeigt in gebotener Kürze die musikalische Entwicklung des Meisters, die Ausbreitung seiner Musik in der Welt, einige charakteristische Proben aus den Werken und ein Verzeichnis seiner Kom positionen. Den „Weg zum Genie" kennzeichnen Bilder von Lehrbüchern, Aufgabenheften, eine Komposition von J. B. Weiß, bei dem Bruckner zu allererst Harmonielehre und Generalbaß lernte und Beispiele seiner weiteren Studien bei Dürrnberger, Sechter und Kitzler. Die Windhaager Messe, die erste überlieferte Komposi tion, ist zu sehen, ebenso die e-MoilMesse für die Votivkapelle des Neuen Domes. Dazu gehören als Ergänzungen ein Notenausschnitt aus Bruckners bei Kitzier geschriebener erster Symphonie (f-Moll, 1863), der Beginn des ,,Abend himmeis", eines für die Liedertafel ,,Froh sinn" geschriebenen Chores, und die früheste Erwähnung Bruckners als Kom ponist in der Linzer Zeitung vom 12. Fe bruar 1861. Abbildungen der Orgeln außerhalb Oberösterreichs: Wien (Burgkapelie und Piaristenkirche), Nancy, Paris, London (Albert Hall und Kristallpalast), Klosterneuburg, bringen den Orgelvirtuosen und genialen Improvisa tor in Erinnerung, der zur Entwicklung dieser seiner Fähigkeiten auch das aus gestellte Clavierchord benützt hat; es stammt aus der Windhaager Zeit und wurde ihm damals von dem Weber Jo hann Sücka, in dessen Familie Bruckner viel verkehrte, zur Verfügung gestellt. Das Instrument ist der einzige Gegenstand, erfreulicherweise musikalischer Natur, der aus den frühen Jahren Bruckners erhalten geblieben ist. Gegenüber wird der ,,Weg in die Welt" dargestellt. Porträts bedeutender Bruck ner-Dirigenten, Aufzählung der Feste der Internationalen Bruckner-Gesellschaft, erste Notendrucke und Beispiele des frühesten Bruckner-Schrifttums umrah men eine Weitkarte, auf der alle Orte verzeichnet sind, in denen bis zu Bruck ners Tod, 1896, Ur- und Erstaufführungen seiner Werke stattgefunden haben. Belege für die Tätigkeit der Internatio nalen Bruckner-Gesellschaft (sie gibt zu sammen mit der Österr. Nationalbiblio thek die Gesamtausgabe heraus) und des Brucknerbundes für Oberösterreich bil den die untere Hälfte der Vitrine. Die Gründer dieser Bruckner-Bewegung, Max Auer, Franz Gräflinger und August Gölierich, alle drei Oberösterreicher, haben mit Porträt und kurzer Lebensbeschrei bung in einer eigenen schmalen Vitrine Platz gefunden. Die Mitte des achteckigen Raumes nimmt die Totenmaske ein und, um sie gelagert, vier Handschriften-Photographien, und zwar: aus der f-Moll-Messe, der IX. Symphonie, dem Streichquintett und dem symphonischen Chor ,,Helgo land", je ein Beispiel aus den vier Hauptgattungen der Musik, zu denen wir Werke von Bruckner besitzen. Durch die Säule sieht man hindurch auf ein Lebendporträt Bruckners, Kopie eines Ölgemäldes von Ferry Beraton, Wien, 1888, im Besitz des Linzer Stadtmuseums, ausgeführt von akad. Maier Franz Glaub acker. Daneben befindet sich die erste Seite des Te Deum-Autographs. Dem Werdegang Bruckners und der Ver breitung seiner Werke mußte unbedingt auch eine Darstellung seiner Musik zuge sellt werden. Die architektonische Größe seiner Symphonien konnte durch einen graphischen Vergleich der VIII. Sympho nie in der 2. Fassung von 1890 und der Jupiter-Symphonie von W. A. Mozart ver deutlicht werden. Die beiden Werke lie gen etwa ein Jahrhundert auseinander: 1788-1890. In der Gegenüberstellung ihrer Satzlängen mit der Gesamtzahl von 924 Takten bei Mozart und 1705 bei Bruckner wird das Wachstum der Sym phonie sichtbar. Musik ist eine ,,klin gende" Kunst, man muß sie hören. Daher wurden neun Stellen aus Bruckners Werken ausgesucht, die, verschieden im Ausdruck, geeignet sind, die Eigen arten seines Schaffens vorzuführen. Da nun aber stumme Notenbeispieie und schlagwortartig kurz beschriebene Texte völlig ungeeignet sind, dem Besucher richtige Eindrücke zu vermitteln, wur den diese Beispiele auf Tonband auf genommen. So kann man die Musik auch hören und bekommt durch die unmittelbare Aufeinanderfolge der ver schiedenen für Bruckners Personalstil charakteristischen Zitate einen Begriff, worin seine Eigenart liegt. Mit des Meisters Jubelgesang, seinem Te Deum, wird der Besucher aus den Räumen die ser Gedenkstätte entlassen. Schule und Musik, Lehrer und Genie, alles verbindet sich zu persönlicher Ein heit. Sie aus den Objekten der BrucknerGedenkstätte in Ansfelden wenigstens einigermaßen zu erfassen, ist das Ziel dieses Hauses. In diesem Sinne wurde es am 17. Oktober 1971 durch Landesrat Dr. Lelio v. Spannocchi und W. Hofrat Dr. Karl Römer der Öffentlichkeit zum allgemeinen Besuch freigegeben.

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