Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 4, 1974

bei seinen Forschungen über die Weihnachts krippe und das Schmiedeeisen, unser Land, hielt Umschau in unseren Museen — er schreibt selbst vom Besuch in 35 Museen, Heimathäusern und Privatsammlungen — und legt nunmehr seine Ernte vor, sein zwölftes Buch, wie er im Nachwort schreibt ,,als schön stes Geschenk zu meinem 75. Geburtstag". Das Schwergewicht liegt auf dem Bildteil. Diese Anordnung ist richtig so, denn Hochund Volkskunst muß man in erster Linie anund erschauen. Die Bildtafeln sind vorzüglich gestaltet und mit ausführlichen Texten ver sehen, so daß sich der Leser nicht nur er freuen, sondern an Hand von sorgfältig aus gewählten Beispielen genau informieren kann. Im einleitenden Text, der den Abbildungen vorangestellt ist, versucht Kastner eine fach liche Darstellung des Themas, wobei er mit dem ,,Ranzen im Mythos" beginnt und sich sodann mit der Entwicklung der ,,Lederkunst" beschäftigt, wobei vor aliem auf die Beschrei bung der ,,Auszier" Gewicht gelegt wird. Es zeigt sich darin, wie überall in der Volkskunst, neben der Eigenständigkeit eine gemäße Ein bindung in die allgemeine Kunstgeschichte des Landes. Wir danken dem Autor für seinen Fleiß, seine Begeisterung und Hingabe, die wieder ein schönes Buch zustande gebracht hat, das als wertvoller Baustein der oberösterreichischen Volkskunde zu betrachten ist. Ein fragwürdiges Brucknerbuch Hans Conrad Fischer: Anton Bruckner. Sein Leben. — Saizburg: Residenz-Verlag 1974, 248 Seiten, 199 Abb., davon 11 in Farbe, La denpreis S 270.—. Die 150. Wiederkehr des Geburtstages von Anton Bruckner im heurigen Jahr bot Anlaß zu vielen Festveranstaltungen und vielerlei Aktivitäten. Bereits im Vorjahr legte Leopold Nowak eine umfassende Bildbiographie vor. Neben dem Konzertleben nahm sich der Film des Jubiläums an. Hans Conrad Fischer, als Kulturfilmer angesehen und erfahren, schuf einen Brucknerfilm, der in Linz uraufgeführt wurde und sicherlich zur Verbreitung des Brucknerbildes einen verdienstvollen Beitrag leisten wird. Als Buchautor hätte er jedoch nicht in Erscheinung treten oder zumindest mehr Bescheidenheit üben sollen. Er beginnt nämlich sehr anspruchsvoll, macht sich zum Wortführer und Verfechter eines neuen Bruck nerbildes, greift die bisherige Forschung an, gebärdet sich so, als stünden wir immer noch in der Stunde 0 einer gewissenhaften Bruck nerforschung und kann sodann nicht mehr bieten als eine Projizierung heutiger Gesichts punkte und auch Phrasen in die Vergangen heit. Diese Methode hat in der Geschichts wissenschaft, und auch die Künstlerbiographie gehört in diesen wissenschaftlichen Umkreis, noch nie gestimmt. Es gehört zu den Binsen wahrheiten historischer Methodik, daß man eine Zeit und eine Persönlichkeit nur richtig verstehen kann, wenn man sie in und aus ihrer Zeit heraus betrachtet. Schwerwiegend in der Kritik dieses Buches wirkt, daß der Autor nach seinen Angriffen auf die bis herige Brucknerforschung schließlich nicht umhin kann, auf ihrer Vorarbeit aufzubauen. Ob nun sein Bild einer Entmythologisierung des Meisters stimmt, sei dahingestellt. Wenn man grobe Unrichtigkeiten lesen muß, wie daß Jakob Prandtauer, der barocke Baumei ster von Melk und St. Florian, auch ,,Bauern höfe in Oberösterreich gebaut habe" oder St. Florian der „Stammsitz der AugustinerChorherren sei", muß man eher zweifeln. Es ist auch neu, daß Lauriacum ,,wenige Kilome ter von der heutigen Stadt Enns entfernt" liege. Bisher glaubten wir in unserer Landes kunde, daß Lauriacum-Lorch ein Teil von Enns sei. Ja, wenn man gescheit sein will, muß man auch in den Detaiis sattelfest sein. Zwei neue Sagenbücher des Oberösterreichischen Landesveriages Franz Braumann: Alpeniändische Sagenreise. Spannende Geschichten aus Österreich, Bay ern, Schweiz, Südtiroi und Krain. — Linz: Oberösterreichischer Landesverlag 1974, 224 Seiten Text, 50 lilustrationen, Ladenpreis S 98.-. Franz Braumann, der Salzburger, ist ein her vorragender Erzähler, der auch im oberöster reichischen Verlagswesen einen verdienten Stammplatz gefunden hat. 1953 veröffentlichte er im 00. Landesverlag seine ,,Volksmärchen aus Oberösterreich". Über viele Jahre hinweg erinnere ich mich heute noch gerne an die damalige gute Zusammenarbeit. Im Vorjahr konnten wir sein verdienstvolles Stelzhamerbuch besprechen, und jetzt ist es ein ,,alpenländisches Sagenbuch", das er auf unseren Büchertisch legt, gerade willkommen für die Weihnachtszeit. Wie er seine Aufgabe sieht, erläutert er selbst im Nachwort. ,,Die Sage will sich im Mund des Erzählers stets neu aufschließen, sonst wird sie bis zur Nachrich tennotiz verkrustet." Diese Verkrustung ist bereits eingetreten, da man die Sage wie das Märchen allein germanistisch behandelte. Franz Braumann schöpft aus alter literarischer Überlieferung, die er in einem Quellennach weis anführt, hat zusätzlich phonetische Auf nahmen gemacht und mündliche Berichte ge sammelt und bietet aus dieser persönlichen Fundgrube eine Auswahl, die wohl in erster Linie für junge Leser bestimmt ist. Er schreibt ja auch: ,,lhre bleibende Heimstatt aber be sitzt die Sage im Gemüt des Kindes". Dabei schreibt er so, daß jeder Text sofort zum Weitererzählen geeignet erscheint. Das Ge heimnisvolle kann persönlich weiter gespon nen werden. Es erschließt unsere Wälder, Berge und Burgen im Mythos ihrer Geschichte und Natur, jeweils in einer Wirklichkeit, die jenseits von Realität und Ratio liegt. Zu be dauern ist an solchen guten Sagenbüchern, daß sie stets bloß einen schmalen Ausschnitt eines unerschöpflichen Reichtums bieten kön nen. Der Leser verlangt nach einem Mehr. Dieses Verlangen würde jedoch eine ganze Bibliothek erfordern, da ja durch viele Men schenalter hindurch Sagenhaftes erlebt und erzählt worden ist. Bei den Beispielen aus Oberösterreich beschränkt sich Franz Brau mann auf die Sagenwelt des Mühlviertels — Das Burgfräulein auf Wildenstein, Jagerl — kehr das Wetter ab!. Das Wolfskind, Der Fla schenzwerg im Verlorenen Reith, Der letzte Fischer von Plöckenstein. Die Überlieferung des Gebirges kann dann aus anderen Regio nen genommen werden. Neben Oberösterreich kommen im einzelnen zu Wort: Salzburg, Bayern, Schweiz, Vorarlberg, Nordtirol, Süd tirol, Krain, Kärnten, Steiermark, Burgenland, Niederösterreich und Wien. Dabei ergeben sich oft interessante Parallelen. Wo können wir z. B. nicht überall den Geist in der Fla sche finden? Wir sollten darüber nachdenken, wie sehr die Volksdichtung die große Ge meinschaft des Abendlandes, ja der Mensch heit aufzeigt. Vielleicht wäre einmal ein ausschließiich oberösterreichisches Sagenbuch möglich? Neben der umfassenden Materialsammlung von Adalbert Depiny, die schon 1932 heraus gegeben wurde, erschiene ein solcher Ver such nützlich. Depinys wissenschaftliche Lei stung könnte damit aus ihrer ,,Verkrustung" erlöst werden. Eine erfreuliche Entdeckung in diesem Buch ist Herbert Fried! als Illustrator. Er zeichnet der Zeit gemäß, ohne in eine eitle Künstelei zu verfallen. Er zeichnet kindertümlich, ohne ins Klischee abzugleiten. Fritz Winkler: Sagen aus dem Böhmerwaid. — Linz: Oberösterreichischer Landesveriag 1974, 316 Seiten Text, 50 iiiustrationen, Ladenpreis S 128.-. Den Wunsch nach einem oberösterreichischen Sagenbuch erfüllt Fritz Winkler für einen Lan desteil — den Böhmerwald, wobei die heutige politische Grenze als historische Grenzscheide selbstverständlich nicht anerkannt wird. Es ist der ganze Böhmerwald von Budweis bis zum Kloster Schlögl mit seinem geheimnis vollen Walddunkel, seinen Menschen, die stets sehr karg leben mußten, und seiner Geschichte, die immer Grenzlandschicksal trug. Fritz Winkler ist vorrangig Pädagoge und Hei matkundler. Seine Sagensammlung hat auch bereits die Approbation als Klassenlesestoff für die 3. bis 5. Schulstufe der Volksschulen sowie die 1. Klasse der Hauptschulen und allgemeinbildenden höheren Schulen erhalten. In der Darstellung des Stoffes und In seinem Erzählstil vermischt er historischen Bericht mit Sagengut. Er will Heimatkundeunterricht betreiben. Aus langjähriger Erfahrung eines Lehrers in einer kleinen Grenzlandschule weiß er, wie man diesen Unterricht lebendig ge stalten kann. Er beschwört das Geheimnis volle, erzählt von den Hussiten, den Schwe den, den alten Burgen und Ihren Geschlech tern, aber auch von manchem Wegkreuz und vor allem von der tannendunklen Natur des Böhmerwaldes, worin die ,,Teufeiskanzel" steht, der ,,Waldstützl" und das ,,Waschweib!" umgehen. Insgesamt sind es 178 Erzählungen. Zu seinen Gewährsleuten zählt auch Adal bert Stifter. Oft beginnt er ,,ln alter Zeit..

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