Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 4, 1974

Wirtschaft und Fremdenverkehr Das OÖ. Heimatwerk im Leben der Wirtschaft Helmuth Huemer Ein Heimatwerk hat die Aufgabe, die Volks- und Handwerkskunst des kultur geographischen Raumes, In dem es seine Tätigkeit ausübt, zu pflegen. Die Be tonung liegt dabei natürlich auf den Überlieferungswerten, also auf der tra ditionellen Volkskunst, auf den traditio nellen Erzeugnissen des gewerblichen Handwerks. Doch ist nicht starres Kon servieren das Ziel, sondern lebendige Anpassung und ständige Neuformung. Die Erkenntnisse der ethnologischen Wissenschaften, die Objekte der ein schlägigen Museen und altes gediegenes handwerkliches Können bilden die Grundlage. Dort, wo noch echte künst lerische Handwerkstradition lebendig ist, braucht es keine Einwirkung (z. B. länd liches Hafnergeschirr, Holzgebinde usw.). Das Heimatwerk bemüht sich aber über all dort, wo Bruchstellen vorhanden sind, diese zu schließen. Es wird dabei kein rückwärtsgerichteter Konservatismus mit Gewalt hochgezogen, im Gegenteil, es wird geprüft, wie weit vergangenes Kul turgut den Menschen unserer Tage an zusprechen vermag. Nur wenn eine solche Prüfung positiv ausfällt, dann wird eine Wiedererzeugung angeregt (z. B. Trachtenstoffe, Dekorstoffe, Möbel, Kreuzsticharbeiten usw.). Dazu kommt noch, daß auch Neues gerne aufgenom men und gepflegt wird, wenn es einem Geiste entspringt, der ein neuentstan denes Bedürfnis und eine organische Weiterentwicklung erkennen läßt (z. B. Strohsterne als Christbaumschmuck). Was nützt aber das beste Wissen, was nützen die schönsten Vorbilder, wenn sie nicht unter das Volk gebracht wer den? Zur Theorie muß die Praxis tre ten, zum Wissen um das Werden unserer Sachkultur muß deren wirtschaftliche Umsetzung, also der Verkauf, kommen. Gerade diese wirtschaftliche Funktion unterscheidet ein Heimatwerk von den anderen Volksbildungseinrichtungen, die vom Staat, von Interessensgruppen oder von weltanschaulichen Gemeinschaften erhalten werden. Die letzteren beschäftiqen sich fast ausschließlich mit den Werten aus geistiger Überlieferung oder Neuschöpfung; ihre Arbeit auf den Ge bieten der traditionellen Sachkultur fällt kaum Ins Gewicht bzw. ist eigentlich mittelbar durch die Aktivitäten des Hei matwerks angeregt und wird von diesem in jeder Hinsicht befürwortet. Das Arbeitsgebiet des Heimatwerkes liegt also in dem Spannungsfeld zwi schen Kultur und Wirtschaft, zwischen zwei magnetischen Polen, die sich, so sagt man häufig, vehement voneinander abstoßen. Überwiegt die Kultur allzusehr, dann wird daraus ein überzüchteter Manierismus, dem es z. B. nur mehr darum geht, die Breite einer Blusen spitze auf den Millimeter genau einzu halten. Überwiegen die Geschäftemacherei und das ümsatzdenken, dann wird aus einem solchen Heimatwerk ein Kramladen, in dem kleine Nachttöpfe, mit Blümchen bemalt, als Aschenbecher verkauft werden. In der Arbelt des Hei matwerkes ist also die gegenständliche Volkskultur mit der Wirtschaft, die wie derum für deren Verbreitung im Volke sorgt, untrennbar verbunden. Ein Bericht über die eine bedingt also gleichermaßen einen solchen über die andere oder um gekehrt. Betrachten wir nun das OÖ. Heimatwerk in Linz! Dieses wurde im Jahre 1952 als registrierte Genossenschaft gegrün det. Seine Mitglieder waren und sind überwiegend Handwerker und Volkstumspfleger, einige interessierte öffent liche Körperschaften traten ebenfalls als Mitglieder bei. Das Anfangskapital be stand nur aus Schulden, und zwar aus langfristigen Krediten in der Gesamt höhe von S 300.000.—. Damals wurde die OÖ. Handelskammer neu gebaut und wir bekamen dort unser erstes Geschäfts lokal, das ca. 75 m^ groß war. Der Mit arbeiter-,,Stab" bestand aus einem hauptberuflich angestellten Geschäfts führer und wurde später durch eine Trachtenberaterin, eine Verkäuferin und ein Lehrmädchen erweitert. Der erste Jahresumsatz überschritt immerhin schon eine halbe Million Schilling. Langsam, aber stetig ging es aufwärts. 1958 wurde eine kleine Filiale in St. Wolfgang er richtet, die vor allem den Zweck hatte, geschmackvolle, einwandfreie öster reichische Volkskunsterzeugnisse anzu bieten. 1962 gelang die Erwerbung des Geschäftes im ürsulinenkloster an der Linzer Landstraße, 1966 konnte die Möbelabteilung In ein größeres Lokal in Linz-Bürgerstraße übersiedeln. Im Jahre 1969 wurde der Trachtenab teilung eine eigene leistungsfähige Schneiderwerkstätte am Linzer Hessen platz angeschlossen. 1973 konnte das schwierige Problem der Warenmanipu lation durch die Errichtung eines Möbel umschlaglagers in Hörsching halbwegs gelöst werden. Im Frühjahr 1974 war es möglich, das Geschäftslokal in der Bür gerstraße bis zur begehrten Linzer Land straße vorzuziehen. Das OÖ. Heimatwerk verfügt damit in Linz über zwei Land straßen-Geschäfte mit zusammen ca. 650 m^ Verkaufsfläche. Der Umsatz schwankt natürlich, er bewegt sich um die 20-Millionen-Marke und ist im Begriff, diese wieder einmal erheblich zu über schreiten. Die Zahl der Lieferanten des ÖÖ. Heimatwerkes stieg von 56 auf über 400, eine ganze Reihe von Handwerks stätten, deren Inhaber und Familien werden in ihrer wirtschaftlichen Existenz entscheidend vom Gedeihen des ÖÖ.Heimatwerkes beeinflußt. Der Waren einkauf erfolgt zu ungefähr 98 Prozent im Inland, wobei die brauchbaren Süd tiroler Erzeugnisse nicht vergessen wer den. Ausländische Waren kommen wohl hin und wieder vor, meistens dann, wenn sie dem Heimatwerk von österreichischen Firmen oftmais irrtümlich geliefert wer den. Sie treten aber im Gesamtsortiment kaum in Erscheinung und werden nach Möglichkeit einwandfrei deklariert. Das ÖÖ. Heimatwerk hat sich vom ersten Jahr seines Bestehens an selbst erhal ten. In seinen fünf Abteilungen sind durchschnittlich 50 bis 60 Mitarbeiter als Lehrlinge, Arbeiter und Angestellte be schäftigt. Gegenwärtig nimmt es hinsicht lich seiner Größe den zweiten Platz nach dem Schweizer Heimatwerk in Zürich ein, nur die staatlich stark geförderten und an Jahren viel älteren skandinavi schen Heimatwerke besitzen fallweise größere Kapazitäten. Auf welchen Gebieten entfaltet sich nun die ideelle und die geschäftliche Tätig keit des ÖÖ. Heimatwerkes? Da sind einmal die Tracht und die Trach tenwerkstätte anzuführen. Das Wirtschaftsförderungsinstitut der ÖÖ. Han delskammer hat vor 24 Jahren die erste Folge der ÖÖ. Trachtenmappen finan ziert, bei der zweiten Folge (Innviertel) war bereits das Heimatwerk stark be teiligt und das Erscheinen der drei rest lichen Ausgaben (Mühlviertel, LandlHausruck—Traunviertel und Salzkammer gut mit Eisenwurzen) wurde überhaupt erst durch die Arbeit des Heimatwerkes möglich. Dieses Vorlagewerk bildete die Hauptgrundlage für eine umfangreiche Trachtenerneuerungsarbeit, die vor allem gemeinsam mit der oö. Landwirtschafts kammer bis in die sechziger Jahre inten siv betrieben wurde und weit über öberösterreich ausgestrahlt hat. Die Impulse, die von hier auf Handwerk und Industrie ausgegangen sind, kann man statistisch nicht fassen. Seit 22 Jahren werden jähr lich ca.15 bis 20 größere Trachtenschauen im Bundesland öberösterreich abgehal ten,im Jahre 1973 wurden 21.900 m Trach-

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