Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 4, 1974

Kunst der Gegenwart Der GlasfensterWettbewerb für die Stadtpfarrkirche Enns — St. Marien Erich Widder Im Rahmen der Gesamtrestaurierung der Pfarrkirche Enns-St. Marien, die architek tonisch im wesentlichen von 1970 bis 1973 durch das Baureferat der Diözese durchgeführt wurde, ergaben sich nicht nur Gestaltungsprobleme im Hinblick auf die Neuanlage liturgischer Orte, sondern auch für die neuerdings freigelegten gotischen Fenster im Langhaus, wie vor allem in dem langgestreckten überhöhten Chorbau dieser Kirche, der, um 1300 entstanden, ein stolzes Denkmal des Bauwillens einer aufblühenden Gemeinde inmitten der mittelalterlichen Mauern und Türme darstellt. Nicht nur das außer halb dieser Mauern liegende und mit Recht hochberühmte St. Laurenz in Lorch, die alte Stadtpfarrkirche, wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts in goti schen Formen erneuert, schon 1270 be gann der ursprüngliche Klosterkirchen bau der Minoriten mit dem flachgedeck ten Langhaus, das wohl schon um 1400 in eine zweischiffige, kreuzrippengewölbte Halle umgewandelt wurde, mit dem Blick in den Lichtchor, den man mit Fug und Recht als oberösterreichische Ste. Chapelle bezeichnen kann. Flankiert wird der Gemeinderaum von der zweischiffigen, ursprünglich als fürstlicher Grabbau mit Umgangschor errichteten Wallseerkapelle, welche den dritten, ar chitekturgeschichtlich höchst bemerkens werten Raumteil dieses Komplexes dar stellt und durch die Arkadenöffnungen zum Langhaus und die Niveaugleichheit, die sicher nicht ursprünglich ist, auf das engste mit diesem verbunden und funk tioneil als Kirchenerweiterung zu nützen ist. In dieser Wallseerkapelle sind noch, um nun auf die Fenstersituation zu spre chen zu kommen, die Butzenscheibenverglasungen von 1904 zur Gänze erhalten, die glücklicherweise an der Längsseite sehr hell ausgeführt wurden mit farbigen Zwickeln, Bordüren und Maßwerksge staltung, während das damals neu ge öffnete Stirnfester mit ,,reicher, färbiger Teppichmalerei" und die zwei neuen Rundfenster der Westwand mit ebenso „reicher, färbiger Maßwerkmalerei" ver sehen wurde, wie die ,,Christlichen Kunstblätter" 1906 berichteten (8. 7f.). Nachdem diese Verglasung der Wall seerkapelle noch verhältnismäßig gut er halten ist, konnten die Überlegungen für die Neugestaltung der Fenster auf den Chor konzentriert werden, obwohl auch an der Südseite des Langhauses die alten gotischen Fenster über dem wieder ebenerdigen Kreuzgang freigelegt wur den, so daß Im Langhaus wesentlich ver besserte Lichtverhältnisse herrschen. Es darf noch angefügt werden, daß der alte Kirchenbau mit der erst 1893 zu sätzlich errichteten neuromanischen Franziskaner-Klosterkirche zu einem zeitgemäßen Pfarrzentrum adaptiert wird. Nachdem im Chor nun aber alte Fenster an der Süd- und Nordwand wieder geöff net worden sind, ist die dort befindliche figurative Verglasung im Zuge der in diesem Bereich schon 1896 abgeschlos senen Restaurierung zum Torso gewor den. Es ist bekannt, daß diese ,,Neuge staltung" der Pfarrkirche St. Marien von Max Dvoräk in seinem 1918 erschienenen ,,Katechismus der Denkmalpflege" ge radezu als Musterbeispiel der histori sierenden Entwertung eines Bauwerks apostrophiert wurde. Die Problematik einer Gesamtlösung der Fenstergestaltung im Chor wurde ein gehend sowohl im Diözesankunstrat wie in der Kunstjury des Landes Oberöster reich diskutiert und schließlich von bei den Gremien der Vorschlag gemacht, wegen der Schwierigkeit und Bedeutung dieses Auftrages einen gesamtösterrei chischen Wettbewerb auszuschreiben. Die oö. Landesregierung hat in ihrer Sitzung vom 15. 10. 1973 die Ausschrei bung eines derartigen Wettbewerbs im Rahmen der öffentlichen Kunstförderung beschlossen; es sollte zunächst einfach Klarheit gewonnen werden, inwieweit und in welcher Form eine künstlerische Neugestaltung von Chor und Langhaus dieser Kirche überhaupt möglich wäre. Auf das Ganze der Kirchenkunstentwicklung im Lande Oberösterreich gesehen, die ohne die engagierte Mitwirkung der Kulturreferenten und des Amtes der cberösterr. Landesregierung, Abteilung Kultur, nicht denkbar gewesen wäre, bedeutete diese Ausschreibung sicher eine Art Zwischenprüfung der Möglichkeiten der artiger Neugestaltungen ganz allgemein, die in den Kirchen- und Kapellenräumen der Diözese Linz seit Jahrzehnten schon durchgeführt wurden, wo man deshalb auf einen großen Erfahrungsschatz zurückblicken kann. Diese Wettbewerbs ausschreibung, in der offiziellen Verlaut barung vom 30. Oktober 1973 auf die Gestaltung der drei Chorfenster als Probefall begrenzt, bewerbsmäßig auf alle Künstler mit österreichischer Staats bürgerschaft ausgeweitet, ließ jede Ge staltungsmöglichkeit offen, sprach nur den Wunsch nach einer hellen Raumwir kung aus und nannte als thematische An-

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