Der oberösterreichische Mundartdichter P.Maurus Lindemayr Alois Großschopf Im „Österreichischen Biographischen Lexikon", das die Österreichische Aka demie der Wissenschaften in Wien her ausgibt und das bereits bis zu dem Buchstaben ,,M" gediehen ist, scheint der Begründer der mundartlichen Bau erndichtung von ganz Österreich, Maurus Lindemayr, gar nicht auf. Dabei ist zu sagen, daß weit weniger wichtige und kleinere Geister in diesem Standardwerk ihren Platz gefunden haben. Umso mehr erscheint es uns wichtig, auf diesen Dichter besonders hinzuweisen. Lindemayrs Lebensgang erstreckte sich vom 17. November 1723 bis 19. Juni 1783. Wenn uns sein Schaffen, nach dieser langen Zeit, verständlich gemacht wer den soll, müssen wir den Geist seiner Zeit beschwören, in die er gestellt war, von der er Impulse und Anregungen er hielt und der er verschrieben war. Der preußische, ,,aufgeklärte Absolutis mus" war in Österreich das Vorbild für die Reformer unter Josef II., die der organischen Umgestaltung des Reiches unter Maria Theresia abhold waren. So kam es, daß auch in Österreich seit den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts im geistigen Leben der Gottschedianismus seinen Einzug hielt. Der Kampf gegen den Latinismus der Gelehrten und die Gallomanie der Adeligen hatte begonnen. Eine der Folgen war der Kampf gegen die Jesuiten. Gottscheds Lehren hatten in Österreich andere Auswirkungen als in Deutschland. Während in Deutschland die Gegner Gottscheds wie aus dem Boden wuch sen, besaß dieser in Österreich begei sterte Anhänger und Wegbereiter seiner Lehren. Auch beim Klerus fanden die Schriften Gottscheds und seiner Jünger Aufnahme. P. Rudolf Graser aus Kremsmünster stand mit der Frau Gottscheds in Brief wechsel und studierte die Schriften der ,,rationalistischen" Theologen. Ein Weiser Sensenhändler, der die Leipziger Messe besucht hatte, schmuggelte Schriften dieser ,,rationalistischen" Theologen ins Kloster. Eine bemerkenswerte Tat, wenn man bedenkt, daß es heute kaum einem Kaufmann einfallen würde, theologische oder philosophische Schriften zu lesen, geschweige denn, sich für deren Ver breitung einzusetzen. Das war das geistige Feld, in dem sich auch P. Maurus Lindemayr vom Kloster Lambach bewegte. Lindemayr schrieb zu Grasers ,,Praktischen Beredsamkeit der christlichen Kanzel" (1769) die Vorrede. Es war die Zeit, in der die Rationalisten sich gegen die ,,verdorbene Sprache" der Predigten wendeten. Somit wurde der josefinischen Kirchenreform auch in weiten Kreisen des Klerus der Weg be reitet. Man muß die geschilderten Zusammen hänge kennen, um Maurus Lindemayr, der zu Neukirchen in Oberösterreich, eine Wegstunde von Lambach entfernt, geboren wurde, in seiner Dichtung zu verstehen. Eine Dialektdichtung, wie die Lindemayrs, wäre vor der Zeit der Auf klärung, die die Monarchie in ihren Grundfesten erschütterte, noch dazu aus einem Kloster heraus, gar nicht möglich gewesen. Der erste Bildungsweg Lindemayrs be gann im Kloster zu Lambach, wo er als Sängerknabe Aufnahme fand. Die nächste Station war das Linzer Jesuitengym nasium. Das Jesuitentheater, in Ober österreich besonders blühend, hat wohl auch in Linz auf Lindemayr mächtig ein gewirkt und die Frucht für eine spätere reiche Ernte gesät. 1746 trat er in das Stift Lambach als Novize ein, studierte dann in Salzburg an der Universität, an welcher damals ausschließlich Benedik tiner lehrten, und beging 1749 in Lam bach seine Primiz. Der Biograph und Flerausgeber von Lin demayrs ,,Sämtlichen Dichtungen", P. Pius Schmieder, war auch sein Conventuale. Schmieder drückt sich über die Tätigkeit Lindemayrs als Geistlicher mit unter sehr vorsichtig aus. Es ist aber zwischen den Zeilen herauszulesen, daß Lindemayr ein mutiger und dem neuen Geiste verschworener Kanzelredner ge wesen sein muß. Bei Abt Amand scheint er besonderen Anklang gefunden zu haben, denn dieser schickte ihn zu dem damals schwierigen Missionswerk nach Aichkirchen, das als Vikariat dem Stifte einverleibt war. Im Jahre 1754 finden wir Lindemayr wie der im Kloster, und zwar bereits als Prior. Er lebte asketisch und mit voller Liebe zur Armut. Von 1759 bis zu seinem Tode wirkte er in seiner Fleimatpfarrei Neu kirchen. Wie der Biograph Schmieder sagt, ,,reiht er sich als Flomilet den besten seiner Zeitgenossen an." Er übersetzte Predig ten aus dem Französischen und Italieni schen und schrieb dazu die Vorworte, die in dem neuen Geiste der Aufklärung gehalten sind. Die theologischen Schriften Lindemayrs sind typische Beispiele für die „Umbil dung der in Süddeutschland üblichen Sprache durch die Einwirkung der ,säch sischen' Schriftsprache für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts". Damit ist die von dem in Leipzig lehrenden Gott sched geforderte Einführung der Meiße ner Sprache als deutsche Hochsprache gemeint. Maurus Lindemayr war also für sein eigentliches Anliegen, für sein Dichtertum, bestens gerüstet. Im Nachklang der in Oberösterreich blühenden geistlichen Dichtung des 16. und 17. Jahrhunderts tat er sich auch als geistlicher Lieder dichter in hochdeutscher Sprache hervor. Daß ihm aber die Mundart das Haupt anliegen war, beweisen, trotz aller Sprachgewandtheit im Hochdeutschen, die dort eingeflochtenen mundartlichen Fügungen. Er kann selbst hier seine Hausruckviertier Mundart, die damals eine eigenständige Stellung einnahm, nicht verleugnen. Seinen Mundartgedichten stehen Lust spiele gegenüber. Der „Kurzweilige Hochzeitsvertrag" wurde 1770 in Lam bach Maria Antoinette, der Tochter Maria Theresias, auf ihrer Brautfahrt nach Frankreich vorgeführt. Es folgten die Lustspiele in drei Aufzügen ,,Der ernsthafte Spaß oder; Der versof fene Hanns. Auch: So bessert man Trun kenbolde" ,,Die Komödie-Probe, oder: Hanns von der Wört". Daran reiht sich der Dreiakter ,,Die reisende Geres", ebenfalls ein Lust spiel. Den ,,Teufel im Faß oder: Der am Rausch unschuldige Bachus" nennt Lindemayr eine Operette in einem Aufzug. ,,Der befreite Landrekrut" ist eine Operette in drei Auftritten, während ,,Der Gang zum Richter" ein Singspiel mit zwei Per sonen in einer Szene ist. Wir können in diesem Rahmen auf den Inhalt der einzelnen Stücke nicht näher eingehen, allein die Titel lassen erken nen, mit welchem Milieu sich Lindemayr auseinandersetzt. Der Dichter bedient sich der Mundart und der Denkweise der Bauern seiner Heimat, er schrieb aber für gebildete Kreise. Es besteht ein elementarer Unterschied zwischen der Dichtung Lindemayrs und eines Teiles der späteren Mundartdichtung, die im Bauern ein zu verniedlichendes Spott objekt sah. Ein Beweis dafür, daß er für gebildete Kreise schrieb, aber mit dem Denken und der Mundart seiner bäuer lichen Umwelt verwachsen war, sind das Lustspiel „Die reisende Ceres" und das Singspiel „Der Teufel im Faß", beide Parodien auf antike Göttersagen, ins Hausruckviertel verlegt.
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